Autoindustrie:Wie Volvo wieder in die Erfolgsspur kam

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Nach dem Kauf posierte Li "Eric" Shufu im Volvo auf dem Tiananmen-Platz. Mittlerweile hat sich der Wert der Marke vervielfacht. (Foto: Feng Li/Getty Images)

Vor einem Jahrzehnt hat der Chinese Li "Eric" Shufu den schwedischen Autobauer gekauft. Nun soll Volvo an die Börse gehen - der Aufstieg des Unternehmers wird damit nicht vorbei sein.

Von Christoph Giesen und Max Hägler, Peking/München

Der Name des Mannes, der von China aus erfolgreich rund um die Welt strebt, klingt für westliche Ohren vielleicht ein wenig sperrig. Deshalb hat sich Li Shufu vor einiger Zeit einen neuen gegeben: Er nennt sich nun Eric Li. Das passt ganz gut, denn der 58 Jahre alte Milliardär hat gerade einen bemerkenswerten Schritt in die westliche Welt gemacht - mal wieder.

Zu seinem Reich gehört Volvo, diese beliebte Marke aus Schweden, und er wird sie noch in diesem Jahr an die Stockholmer Börse bringen. Was für eine Karriere.

Als China nach dem Ende der Kulturrevolution wieder an die Weltwirtschaft angekoppelt wurde, versuchte sich Li zunächst als Fotograf. Später gründete er eine Firma, die Komponenten für Kühlschränke fertigte. Er nannte sie Geely. Auf Chinesisch: "Glück verheißend". Wobei Li dem beruflichen Glück schon immer wieder geschickt nachgeholfen hat. Als 1989 der Staat begann, die Eisschrankbranche zu regulieren, kaufte Li ein altes Motorradwerk und wollte Autos bauen. Ein tollkühner Plan, denn in den Neunzigerjahren durften nur Staatskonzerne Autos in China fertigen. Li behalf sich mit einem Trick. Definiert war damals ein Auto in China so: Mindestens vier Räder und drei Zylinder. Also baute die Firma Geely Wagen mit Zweizylindermotoren. 2001 erhielt Li endlich die Lizenz zum Bauen richtiger Autos. Die er, nun ja, ein wenig überreizte: Am Anfang war da ein Rolls-Royce-Klon mit eingebautem Thron.

Vier Jahre später stellte Geely auf der Automesse in Frankfurt aus. Die Branche lachte. 2007 war er auf der Messe in Detroit, wieder wurde gelächelt. Mit einem Dolmetscher machte er sich auf den Weg zum Stand von Ford: "Ich heiße Li Shufu und komme von Geely, einer Autofirma aus China", stellte er sich vor, "ich hätte Interesse daran, Volvo zu kaufen." Damals gehörte der schwedische Konzern noch zu Ford. Und kein Mensch in den Vereinigten Staaten kannte diesen Herrn aus China. Höflich teilten die Amerikaner ihm mit, Volvo stehe nicht zum Verkauf. Drei Jahre später änderten sie ihre Meinung angesichts der damals miserablen Lage bei den Schweden. 1,8 Milliarden Dollar zahlte Geely an Ford.

"Ich hätte an mancher Stelle etwas diplomatischer sein müssen", sagt Håkan Samuelsson selbstkritisch. (Foto: Nicolas Maeterlinck/imago images)

Danach übernahm sein Unternehmen noch LEVC, den Hersteller der Londoner Taxis und investierte in Volvo-Trucks. 2018 kaufte Li sich höchstpersönlich für 7,5 Milliarden Euro bei Daimler ein: Er ist mittlerweile der größte Aktionär und nach langem Fremdeln baut man nun schwäbisch-chinesische Verbrennermotoren oder in einem Joint Venture auch künftig den kleinen Smart als Elektroversion. Schließlich ist da eben vor allem: Volvo. Li machte den eigensinnigen Schweden Håkan Samuelsson zum Volvo-Chef und obwohl oder vielleicht auch gerade deswegen, ist Volvo zur Herzkammer von Lis Konglomerat geworden. Eine Tochtermarke mit elektrischen Sportwagen wird von hier aus entwickelt. Polestar heißt sie und soll in New York an die Börse gehen - begleitet von Samuelssons selbstbewusster Warnung: Ohne die Verbindung zu Volvo, nach Schweden, wäre sie nicht erfolgreich.

Li hat die Marke Volvo bald nach dem Kauf in China etabliert, wo sie sehr schnell sehr prächtig gedieh: Die Menschen glaubten, dass das chinesische Wertarbeit sei, dabei wurde in Schweden entwickelt und in China gebaut. Jedenfalls haben die Verkaufszahlen angezogen, seitdem Li von China und Samuelsson von Schweden aus die Geschicke bestimmen: In diesem Jahr dürfte Volvo etwa 750 000 Autos absetzen, im Jahr 2025 sollen es 1,2 Millionen sein. Das ist weniger als die direkte deutsche Konkurrenz von BMW, Audi oder Mercedes, die derzeit alle bei etwa zwei Millionen Fahrzeugen liegen. Aber da ist ja eben das Geely-Konglomerat, das beim Skalieren hilft. Und das frische Geld: Sie gehen wohl in Schweden und China davon aus, dass die Marke insgesamt umgerechnet etwa 17 Milliarden Euro wert sein dürfte. Zehn Mal mehr als Li einst an Ford zahlte.

Allerdings soll Geely auch künftig die Mehrheit an Volvo behalten, das erklärt Li. Und das erklärt auch Samuelsson, der als erstes Ziel ausgibt, an der Börse etwa zweieinhalb Milliarden Euro zu erlösen: Für Software, für die Forschung mit Zellen und eventuell auch eine eigene Batteriefertigung - Volvo will von 2030 an nur noch E-Autos bauen. Man darf annehmen, dass sich einiges davon wiederfinden wird in den anderen Regionen von Li Shufus Autoreich, auch wenn Samuelsson gerade erst wieder betont, dass Volvo weiter wie gewohnt eine Armlänge Distanz zu allen anderen Partnern halte und keine Veränderungen anstrebe.

Wer dem Eigner Li allerdings in den vergangenen Jahren aufmerksam zugehört hat, kennt auch dessen Sicht: Er glaubt, dass die Branche vor Konsolidierungen steht, dass es ähnlich wie bei Anbietern für Smartphones bald nur noch einige wenige Firmen gibt, die mit ihren Produkten profitabel sind - und die müssen, so glaubt Li, ein "Ökosystem" bieten für die Nutzer, so wie es Tesla und Apple im Westen ein wenig vormachen. Mobilität und Kommunikation aus einer Hand gewissermaßen - dazu passt dann auch eine andere Ankündigung des chinesischen Entrepreneurs: Soeben hat der Geely-Konzern den Bau von Satelliten gestartet und bereitet auch die Produktion von Smartphones vor.

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