Stromausfälle:In China geht das Licht aus

Stromausfälle: Blick über eine Autobahn in Peking. In chinesischen Städten wurden in den vergangenen Tagen Straßenlaternen abgeschaltet, Fabriken und Werke mussten zwischenzeitlich die Produktion aussetzen.

Blick über eine Autobahn in Peking. In chinesischen Städten wurden in den vergangenen Tagen Straßenlaternen abgeschaltet, Fabriken und Werke mussten zwischenzeitlich die Produktion aussetzen.

(Foto: NOEL CELIS/AFP)

Bei Tesla standen zeitweilig die Bänder still, auch Apple konnte nicht wie gewohnt fertigen: Warum in China der Strom immer wieder ausfällt.

Von Christoph Giesen, Peking

Stockdunkle Straßen, weil die Laternen auf einmal ausgeschaltet sind, Einkaufszentren, die früher schließen und ihre Leuchtreklamen gedimmt haben. Fabriken, die die Produktion aussetzen müssen: Bei Tesla standen zeitweilig die Bänder still, und auch bei Apple konnte nicht wie gewohnt gefertigt werden. Der staatliche Fernsehen berichtete von 23 Arbeitern, die in der nordöstlichen Provinz Liaoning mit Rauchgasvergiftungen in einem Krankenhaus behandelt werden mussten, weil das Lüftungssystem ihrer Fabrik plötzlich ausfiel und die Männer giftige Dämpfe einatmeten. Alle diesen Meldungen haben ein und dieselbe Ursache: In weiten Teilen Chinas ist auf einmal der Strom knapp geworden. Und es hält an.

In Jiangsu, einer Provinz in der Nähe von Shanghai haben etliche Stahlwerke dichtgemacht. Mancherorts dürfen die Einwohner keine Wasserkocher oder Mikrowellen benutzen. Im nahegelegenen Zhejiang wurden etwa 160 energieintensive Unternehmen geschlossen. Und in Fushun, einer Stadt in Liaoning, setzen die Behörden die Einwohner mehrerer Stadtbezirke und ländlicher Gebiete über einen Stromausfall von bis zu 15 Stunden am Mittwoch und Donnerstag in Kenntnis. Auslandshandelskammern starten bereits Umfragen unter ihren Mitgliedsunternehmen. Wer ist betroffen? Wie viele Stunden ist der Strom abgedreht worden? Gibt es Produktionsausfälle zu beklagen?

Ein Grund für die Misere liegt in den Klimazielen der Zentralregierung. Peking will den Stromverbrauch in diesem Jahr um drei Prozent reduzieren. Die Provinzregierungen haben deshalb die Vorgaben für den Stromverbrauch zuletzt nochmals verschärft. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte Ende 2020 auf einem Gipfel der Vereinten Nationen zum Klimawandel verkündet, dass das Land seine Kohlendioxidemissionen pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts bis 2030 um mehr als 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 senken werde.

Es wird gespart, koste es, was es wolle

Nach Angaben der wichtigsten Planungsbehörde des Landes, der National Development and Reform Commission (NDRC), haben in den ersten sechs Monaten dieses Jahres jedoch nur zehn von 30 Regionen ihre Energieeinsparziele erreicht. Bis August stieg der Stromverbrauch landesweit gar um etwa zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum an. Als Reaktion auf diese kollektive Überschreitung kündigte die NDRC Mitte September härtere Strafen an. So sollten lokale Beamte für die Begrenzung des absoluten Energiebedarfs in ihren Regionen zur Rechenschaft gezogen werden. Nun wird Strom gespart, koste es, was es wolle.

Ein zweites Problem sind die steigenden Kohlepreise, noch immer wird der Großteil des chinesischen Stroms aus Kohle gewonnen. Der anhaltende Handelsstreit mit Australien, dem weltweit zweitgrößten Kohleexporteur, hat dazu geführt, dass Lieferungen nach China stark eingeschränkt wurden. Zudem verschärften die lokalen Behörden die Sicherheitsstandards für chinesische Bergwerke, nachdem es zu einer Reihe von Unfällen gekommen war. Die Kohlepreise sind an den chinesischen Terminmärkten in den vergangenen drei Monaten um rund 50 Prozent gestiegen.

Die Folge: Für viele Kraftwerksbetreiber lohnt es sich im Moment gar nicht, Strom zu erzeugen, der Preis ist staatlich fixiert, mit jeder Kilowattstunde verlieren Energieunternehmen Geld, je mehr Strom sie bereitstellen, desto größer ist der finanzielle Schaden. Also halten sich die meisten Kraftwerkbetreiber eisern an die Stromsparvorgaben aus Peking.

Für die chinesische Wirtschaft kommt all das zur Unzeit. Eigentlich hatte sich die Volksrepublik von der Corona-Krise zunächst gut erholt, doch in den vergangenen Monaten hat sich die Dynamik abgeschwächt: Lieferkettenengpässe, Halbleiterknappheit und ein härteres Vorgehen gegen die Verschuldung von Unternehmen fordern ihren Tribut. Hinzu kommen Kontakteinschränkungen wegen des Auftretens der ansteckenderen Delta-Variante in mehreren Provinzen. Nun das Energiedebakel: "Der Stromversorgungsschock der zweitgrößten Volkswirtschaft und der größten herstellenden Industrie der Welt wird sich auf die globalen Märkte ausbreiten und sich auf sie auswirken", notieren die Analysten des Finanzhauses Nomura und senken die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr auf 7,7 von zuvor 8,2 Prozent.

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