Süddeutsche Zeitung

Währungsfonds:Chinas Yuan soll fünfte Leitwährung werden

  • Die Führung des Internationalen Währungsfonds will den Renminbi als fünfte globale Leitwährung anerkennen.
  • Die bisherigen Leitwährungen sind der US-Dollar, der Euro, der britische Pfund und der japanische Yen.
  • China soll nach der Anerkennung mehr Verantwortung für die globale Wirtschaft übernehmen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es war wahrhaftig ein furchtbares Jahr für die Wirtschaftsweltmacht China: Das Wachstum hat sich nach dem Rausch der Vorjahre beinahe halbiert und liegt nur noch irgendwo bei sechs Prozent, die Aktienkurse stürzen scheinbar ungebremst in den Keller, Staatskonzerne stehen vor der Pleite, Bankkredite platzen.

Da hilft es dem Selbstbewusstsein, dass zum Ende dieses Jahres gleich zwei Ereignisse anstehen, die zwar nichts an den Zahlen ändern, das Land aber zumindest politisch aufwerten: Am 1. Januar übernimmt die Volksrepublik erstmals den Vorsitz der G 20, jenes illustren Kreises der weltweit größten Volkswirtschaften. Und noch wichtiger: Bereits an diesem Montag will die Führung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der auch Deutschland angehört, Chinas "Volksgeld", wie es daheim heißt, als fünfte Leitwährung anerkennen. Der Renminbi steht dann auf einer Stufe mit dem US-Dollar, dem Euro, dem britischen Pfund und dem japanischen Yen.

Renminbi-Anerkennung als Sinnbild einer Kräfteverschiebung

Formal sieht die Anerkennung so aus, dass der Renminbi Teil jenes Währungskorbs wird, auf dem die "Sonderziehungsrechte" (SZR) des IWF basieren. Sie sind eine Art Kunstwährung, in der der Fonds allen seinen 188 Mitgliedsstaaten Mittel zuteilt. Werden in einem Land die Währungsreserven knapp, kann es den Betrag wie einen Dispokredit nutzen und die SZR in eine der bisher vier, künftig fünf zugrunde liegenden Hartwährungen umtauschen.

So technisch das klingt, so sehr hat die chinesische Führung auf diesen 30. November 2015 hingearbeitet. Dass der Coup nun zu gelingen scheint, ist ein großer Prestigeerfolg, denn er versinnbildlicht, dass die gewaltige Kräfteverschiebung, die die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren erlebt hat, keine vorübergehende, sondern eine dauerhafte sein wird. Und mindestens ebenso wichtig: Er unterstreicht den Anspruch Pekings, die globale Vorherrschaft der USA - politisch, ökonomisch wie auf den Finanzmärkten - zurückzudrängen. Die Nummer zwei der Weltwirtschaft will nicht länger auf Gedeih und Verderb von den finanz- und geldpolitischen Entscheidungen der Nummer eins abhängig sein.

China soll mehr Verantwortung für die Weltwirtschaft übernehmen

Doch nicht nur für die Chinesen stehen solch übergeordnete Überlegungen im Vordergrund, sondern auch für die bisherigen IWF-Schwergewichte USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien: Dass sie ihr Gewicht nicht nutzen, um die Aufnahme der Volksrepublik in den währungspolitischen Elitekreis zu blockieren, ist ebenfalls vor allem politisch motiviert. Zum einen wollen die Vertreter der alten Weltwirtschaftsordnung China dazu drängen, parallel zum Statuszuwachs auch mehr Verantwortung für die globalen Geschicke zu übernehmen und sich stärker in die relevanten Koordinierungsgremien einbinden zu lassen. Und zum anderen erhofft sich der Westen von dem Beschluss eine Stärkung der Reformkräfte in Peking. Deren Liberalisierungspolitik, die unter anderem eine weitere Öffnung der Märkte, bessere Investitionsbedingungen für ausländische Firmen und die langsame Entfesselung der einst strikt regulierten Währung vorsieht, soll so unumkehrbar werden.

Hier treffen sich die Interessen des Westens mit denen der chinesischen Führung. Zwar birgt jeder weitere wirtschaftliche Liberalisierungsschritt für den uneingeschränkten politischen Machtanspruch der kommunistischen Partei Risiken. Umgekehrt ist Staatspräsident Xi Jinping aber dringend darauf angewiesen, das Wirtschaftswachstum, das bisher vor allem auf einem kreditfinanzierten Bauboom fußte, auf eine breitere Grundlage zu stellen. Dazu benötigt er neben einem leistungsstärkeren Finanzmarkt mehr ausländische Investoren, mehr Wettbewerb, mehr globale Einbindung - und eine weltweit verfügbare, tauschbare und akzeptierte Währung.

Die Weichen dafür sind längst gestellt. So hat China etwa mit 39 Staaten sogenannte Swap-Abkommen geschlossen. Sie ermöglichen es, Geschäfte mit Handelspartnern, etwa aus Asien, nicht länger umständlich in Dollar, sondern direkt in Renminbi abzurechnen. Zugleich wird der Renminbi, der nach seiner größten Geldeinheit auch Yuan genannt wird, als Investitionswährung aufgebaut. Allein an der neuen deutsch-chinesischen Börse in Frankfurt können mittlerweile 200 auf Yuan lautende Finanzprodukte gekauft werden.

Binnen drei Jahren ist die chinesische Währung so von Platz zwölf auf Platz vier der wichtigsten globalen Zahlungsmittel aufgestiegen. Den Yen, die Währung des ungeliebten asiatischen Rivalen Japan, hat sie bereits hinter sich gelassen. Umgekehrt zeigen die Statistiken aber auch, dass der Renminbi im Vergleich zum Top-Trio noch immer ein Zwerg ist: 45 Prozent der weltweiten Zahlungen werden weiter in Dollar abgewickelt, 27 Prozent in Euro und etwas unter neun Prozent in britischem Pfund. Der Renminbi kommt nicht einmal auf drei Prozent. "Damit der Yuan tatsächlich in einer Liga mit dem US-Dollar spielen kann, sind noch viele Reformen nötig", sagt die chinesische Währungsexpertin Zhang Monan.

Täglich staatlich festgelegter Wechselkurs

Das größte Hemmnis: Anders als Dollar und Euro wird der Renminbi immer noch stark reguliert, der Wechselkurs etwa wird täglich staatlich festgelegt. Was passiert, wenn dieser politisch gewünschte Wert zu weit von jenem abweicht, der sich durch die zunehmende Verbreitung des Renminbi am Markt faktisch ergibt, zeigte sich im August: Damals musste die Notenbank die Währung ohne Vorankündigung gleich mehrfach abwerten, wodurch sie die Talfahrt an den Börsen noch beschleunigte.

Doch eine sofortige vollständige Freigabe des Renminbi ist auch keine Option. Sie nämlich könnte - je nach Wirtschaftslage - zu neuen Spekulationsblasen oder aber zu einer Kapitalflucht führen. "Es ist eine knifflige Aufgabe, weshalb sich die Regierung noch Zeit lassen wird", so der Ökonom Mei Xinju im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Daran, dass der Yuan eines Tages in einer Liga mit dem Dollar spielen oder gar an ihm vorbeiziehen wird, zweifelt Mei jedoch nicht. Auch nicht daran, dass es sinnvoll wäre, wenn in künftigen Finanzkrisen neben der US-Währung eine zweite Fluchtburg für panische Investoren zur Verfügung stünde. Nur sei das alles keine Frage von Jahren, sondern eher ein Jahrhundert-Projekt. Auch der Dollar habe schließlich Jahrzehnte gebraucht, um dem britischen Pfund die Währungskrone abzujagen.

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SZ vom 30.11.2015/vit
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