China:Milliardenfiasko durch Olympia

Chinas Wirtschaft hat lang auf den Olympia-Boom gehofft. Inzwischen rechnet sie mit Milliardenverlusten.

Janis Vougioukas

In den vergangenen Wochen hat die Pekinger Führung Hunderte Sicherheitsvorschriften für Verkehr, Transport und Umwelt verschärft. Manche Bestimmungen sind so streng, dass in vielen Branchen die Produktion gefährdet ist. Erste Unternehmen erwägen bereits, ihre Fabriken für die Dauer der Olympischen Spiele zu schließen.

Fast jeden Tag veröffentlicht die chinesische Regierung neue Vorschriften. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Telefon- und Internetanbieter im August keine neuen Kundenverträge mehr abschließen dürfen. "Wir fassen das Netzwerk nicht an, um die Stabilität während der Olympischen Spiele nicht zu gefährden", sagte ein Mitarbeiter der China Telecom. Allein die chinesischen Mobilfunkanbieter schließen jeden Monat etwa neun Millionen neue Kundenverträge ab.

Angst vor Unfällen

Im April hat China schon die Einreisebestimmungen verschärft. Geschäftsleute können inzwischen nicht mehr sicher sein, für ihren China-Besuch auch ein Visum zu bekommen. Business-Visas dürfen nur noch im Heimatland beantragt werden. "Zeitaufwand und Kosten sind enorm", heißt es in einer Stellungnahme der Europäischen Handelskammer in Peking. Erste Hotels in in der Volksrepublik klagen bereits über Besucherrückgang. Beim Capital Hotel in Peking sind die Buchungszahlen um 40 Prozent eingebrochen. Ursprünglich war mit 500 000 ausländischen Besuchern bei den Olympischen Spielen gerechnet worden. Die Stadt Peking hatte auf Mehreinnahmen von 4,5 Milliarden Dollar gehofft.

Doch die Verluste durch die Olympischen Spiele könnten noch weit darüber liegen. Um die schlechte Luftqualität in der chinesischen Hauptstadt zu verbessern, müssen Tausende Fabriken im Umkreis von mehreren Hundert Kilometern um Peking die Produktion schon Wochen vor den Olympischen Spielen einstellen. Betroffen sind auch 43 Stahlwerke in Tianjin und der Provinz Hebei, dem Zentrum der chinesischen Montanindustrie. Im vergangenen Jahr produzierte Hebei etwa ein Fünftel des chinesischen Stahls. Die Branche rechnet bereits mit Engpässen und drastischen Preisanstiegen.

Am schwersten betroffen sind allerdings die Chemieindustrie und die Logistikbranche. "Der Schaden wird so erheblich sein, dass er keine Olympischen Spiele rechtfertigt", sagt Nikolas Gruber, Gründer des Chemikalienhändlers Gruber Chem.

Aus Angst vor Unfällen und Anschlägen hat das Pekinger Ministerium für Öffentliche Sicherheit die Auflagen für Gefahrengütertransporte deutlich verschärft. Bis Anfang Oktober ist der Transport von vielen giftigen und gefährlichen Gütern sogar ganz verboten worden. Die Häfen Qingdao und Schanghai haben die Verschiffung von gefährlichen Gütern ganz eingestellt. In vielen Städten werden die Regeln so strikt ausgelegt, das selbst der Transport von Zitronensäure, Kugelschreibern und Batterien nicht mehr möglich sei, klagen Branchen-Insider.

Vor allem der Import gefährlicher Chemikalien ist erschwert worden. Seit zwei Wochen gelten die neuen Transportvorschriften. Etlichen Fabriken könnte schon bald der Nachschub ausgehen. "Wir haben die Sorgen, dass unsere Produktion für acht Wochen zum Erliegen kommt", sagt der Chef der Niederlassung eines großen deutschen Chemiekonzerns.

"Keine Planungssicherheit"

Längst ist nicht nur die Versorgung mit gefährlichen Chemikalien schwierig geworden. "Viele Reeder nehmen unproblematische Chemikalien nicht mehr mit - aus Angst, dass die Regeln erneut geändert werden und sie die Ware in China im Hafen nicht löschen können", sagt Händler Gruber.

"Man hat als Unternehmer keinerlei Planungssicherheit." Nach einer Studie der Deutschen Bank importierte China im vergangene Jahr Chemikalien im Wert von 80 Milliarden Euro. 2007 verbrauchte die chinesische Wirtschaft Chemikalien im Wert von 290 Millionen Euro, der höchste Wert in Asien.

Dutzende neue Regeln erschweren auch die Arbeit der Logistikkonzerne. Seit Anfang Juni dürfen Post und Kurierdienste in China keine Datenträger, Flüssigkeiten oder Pulver mehr befördern. Quasi über Nacht wurden in Peking neue Abgasnormen eingeführt. Lastwagen von außerhalb haben inzwischen gar keinen Zugang mehr zur Stadt.

Um das Verkehrschaos zumindest für die Dauer der Olympischen Spiele zu mindern, dürfen Fahrzeuge, abhängig von ihrem Nummernschild, nur an geraden oder ungeraden Tagen gefahren werden. Bereits seit Monaten bereiten sich die Logistikkonzerne auf den olympischen Ausnahmezustand vor. DHL hat spezielle "Notfall-Logistikzentren" außerhalb Pekings eingerichtet und zusätzliche Fahrzeuge mit geraden und ungeraden Nummernschildern angemietet.

DB Schenker, offizieller Logistikpartner der Olympischen Spiele, will sich inzwischen lieber nicht mehr zu den Transportproblemen äußern. Kürzlich sollte Schenker für die Paralympics Prothesen nach Peking liefern. Doch der Spezialklebstoff wurde als Gefahrengut eingestuft. Jedes der vielen tausend kleinen Probleme muss inzwischen einzeln mit den Olympischen Vorbereitungskomitee ausgehandelt werden.

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