ChinaGestörte Signale

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Das Unternehmen Huawei bietet ein No-Spy-Abkommen an. Doch die Bundesregierung reagiert verhalten. Wesentlich wichtiger wäre ihr ein Vertrag mit dem chinesischen Staat.

Von Christoph Giesen und Georg Mascolo, Peking/Berlin

Wenn es um viel Geld geht, um Milliarden von Dollar, ist geschäftliche und oft auch politische Gerissenheit notwendig. Die erste Disziplin beherrscht der chinesische Netzwerkausrüster Huawei wie kaum ein anderer Konzern. In nur wenigen Jahren ist die Firma zu einem der Giganten der Kommunikationswelt aufgestiegen - Huawei, der Stolz Chinas. Im zweiten Metier dagegen gibt das Unternehmen ein nicht annähernd so gutes Bild ab. In diesen Tagen sind Huawei-Emissäre überall in Europa unterwegs, in diskreten Besprechungen und ebenso in öffentlichen Erklärungen bieten sie die feierliche Unterzeichnung eines Vertrages an: ein No-Spy-Abkommen, die Verpflichtung, alle Daten, die mithilfe von Huawei-Technik übermittelt werden, keinesfalls an die chinesische Regierung herauszugeben. "Wir würden eher Huawei schließen, als irgendetwas zu unternehmen, das den Interessen unserer Kunden schadet", behauptet Firmengründer Ren Zhengfei. Das Unternehmen hofft so, Befürchtungen zu zerstreuen, Huawei könne nach dem Ausbau des neuen 5G-Netzes, wie von der US-Regierung behauptet, Daten an den chinesischen Staat weiterreichen oder womöglich gar Teile des mobilen Internets der Zukunft auf Befehl aus Peking ausschalten.

Auch der Bundesregierung hat Huawei inzwischen ein No-Spy-Abkommen unterbreitet, die Reaktion dazu ist jedoch sehr schmallippig. In Berlin mag niemand an den Begriff No-Spy erinnert werden. Ein solches Abkommen wurde nach der NSA-Affäre mit den USA verhandelt - erfolglos. Dann boten die Deutschen auch noch großspurig ihren europäischen Partnern einen Anti-Spionage-Pakt - bis herauskam, dass der BND in großem Umfang die befreundeten Nachbarländer ausgeforscht hatte. Seither steht No-Spy im Kanzleramt auf dem Index. Und selbst, wenn man einen schönen neuen Namen fände, mit Huawei selbst wird nichts unterschrieben. "Entscheidend wäre, dass der chinesische Staat bereit ist, so etwas zu unterzeichnen", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. "Dafür sehen wir keine Anzeichen."

Sich mit der chinesischen Führung in IT-Fragen zu verständigen? Es ist kompliziert

Wie kompliziert es ist, sich mit der chinesischen Führung in IT-Fragen zu verständigen, zeigen die Antworten einer kleinen Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margarete Bause. Seit beinahe drei Jahren verhandeln Berlin und Peking über ein Cyberabkommen, das vor allem die Industriespionage aus China reduzieren soll. Im Juli 2016 verständigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsident Li Keqiang auf die Rahmenbedingungen. Im Protokoll ist etwas umständlich vom "Cyberraum" und einem "Konsultationsmechanismus" die Rede. Die Idee damals: Spähen chinesische Hacker deutsche Unternehmen aus, gibt es ein hochrangig besetztes Gremium, in dem diese Fälle angesprochen werden können, zudem eine direkte Leitung zwischen beiden Hauptstädten, wenn es schnell gehen muss.

Huawei möchte das neue 5G-Netz mit aufbauen und versucht deshalb, Befürchtungen zu zerstreuen.
Huawei möchte das neue 5G-Netz mit aufbauen und versucht deshalb, Befürchtungen zu zerstreuen. (Foto: Eric Gaillard/Reuters)

Mitte Mai vergangenen Jahres reiste eine Delegation aus dem Berliner Innenministerium zur konsolidierenden Sitzung nach Peking. Es war ein ernüchterndes Treffen: "Es bestehen Unterschiede in der Wahrnehmung der zu behandelnden Themen auf deutscher und chinesischer Seite, welche die Einigung auf den Themenumfang des Cyberkonsultationsmechanismus erschweren. Dies hat bisher auch die Erstellung einer konsentierten Abschlusserklärung verhindert", teilt das Innenministerium etwas konsterniert mit. Vereinbart worden sei zudem ein jährliches Treffen auf Staatssekretärsebene. Das Jahr ist rum, wiedergesehen hat man sich nicht.

"Die Antworten der Bundesregierung sind ebenso frustriert wie frustrierend", meint Bause. "Der angekündigte Cyberkonsultationsmechanismus zeichnet sich auch ein Jahr nach dem Auftakt vor allem dadurch aus, dass es nichts gibt, über das es sich zu konsultieren lohnt." In diesem Sommer sollen die Gespräche weitergehen.

In Berlin hofft man noch immer, dass man den direkten Beschwerdekanal nach Peking einrichten kann. Dabei haben jenseits der ganz großen Lösungen vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Deutschland und China schon so manches Geschäft gerettet: Dass in praktisch allen Bundesländern Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste Funkgeräte der Marke Sepura verwendet werden, ist ein solches Beispiel. Sepura ist eine Größe im Markt, vor gut zwei Jahren übernahm das chinesische Unternehmen Hytera den britischen Hersteller von digitaler Funktechnik. Zahlreiche Bundesländer meldeten Bedenken an, für sensible Kommunikation die Geräte eines nunmehr chinesischen Herstellers zu verwenden. Die Bundesregierung schaltete sich ein. Schließlich unterzeichnete das Unternehmen im März 2018 einen geheimen Vertrag mit dem Bundeswirtschaftsministerium und verpflichtete sich zur Offenlegung von Hard- und Software. "Sicherheitspolitische Bedenken konnten so ausgeräumt werden", heißt es in Berlin. Das Beispiel hat inzwischen Schule gemacht, etwa zehn solcher Vereinbarungen mit Firmen, die unter chinesischem Einfluss stehen, sollen existieren. Die Unternehmen würden sogenannte Erklärungen zur "Vertrauenswürdigkeit" abgeben - eine schriftliche Zusicherung, dass der chinesische Staat auf den Bau und die Entwicklung von nach Deutschland gelieferten Teilen und Geräten keinen Einfluss genommen habe. Keine Manipulationen, keine Hintertüren - aber nur in den exportierten Geräten. Alle späteren Überprüfungen haben bisher keinen Verstoß gegen diese Zusicherung gezeigt.

Huawei allerdings ist ein deutlich komplexerer Fall, mit viel mehr Unwägbarkeiten - allen voran den Amerikanern, die den Konzern erst kürzlich auf eine Schwarze Liste gesetzt haben.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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