China:Ein Land braucht seinen Schuldner

Die Volksrepublik hält massenhaft US-Staatsanleihen. Im Handelsstreit scheint das ein gutes Druckmittel - ist es aber nicht.

Von Victor Gojdka

Mancher Bankkunde dürfte schon einmal davon geträumt haben, seinen Bankberater richtig zu beleidigen. Für das verloren gegangene Vertrauen im Zuge der Finanzkrise, für die überteuerten Fonds, für die versteckten Gebühren im Kleingedruckten. Zu erwarten, dass der Kunde fünf Minuten später allerdings einen Großkredit gewährt bekommt, erscheint absurd. Nichts anderes jedoch macht US-Präsident Donald Trump gerade mit China, die Vereinigten Staaten drohen ihrem größten Gläubiger mit immer neuen Strafzöllen.

Momentan zahlt China die Strafzölle noch mit gleicher Münze zurück. Auf Zölle folgen Gegenzölle, auf weitere Zölle weitere Gegenzölle. Doch China hat noch eine Jokerkarte in der Hand, die in Finanzkreisen für Aufregung sorgt: Peking könnte nämlich seinen billionenschweren Berg an US-Staatsanleihen verkaufen und die amerikanische Regierung angesichts ihres Schuldenberges in Bedrängnis bringen.

Bei keinem anderen Land haben die Vereinigten Staaten so hohe Schulden wie bei China. Acht Prozent der ausstehenden Staatsschulden der US-Regierung finanziert China aktuell, es geht um die gigantische Summe von 1200 Milliarden Dollar. "China ist damit gleichsam die Bank von Uncle Sam", sagt Bernd Weidensteiner, US-Experte der Commerzbank. Auf dem ersten Blick erscheint dieses Verhältnis als machtvolles Druckmittel.

Es war am 10. Januar, als sich offenbarte, welches Drohpotenzial mit dem Anleiheberg der Chinesen einhergeht. Um 11.26 Uhr sendete die Nachrichtenagentur Bloomberg eine Meldung um die Welt, die die Anleihemärkte in Aufregung versetzte: Vertreter der chinesischen Führung hätten empfohlen, künftig weniger oder gar keine neuen US-Staatsanleihen mehr zu kaufen. Die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen kletterte daraufhin auf ein Neun-Monatshoch. Ihren Schuldenberg zu finanzieren, kam die USA nun also teurer zu stehen. Am Ende stellte sich die Bloomberg-Meldung als Gerücht heraus. Trotzdem fragten sich damals viele: Was erst dürfte passieren, wenn China irgendwann Ernst machen würde oder gar bereits gekaufte Staatspapiere verkaufen würde?

Die Chinesen würden sich mit einem Verkauf der US-Anleihen selbst schaden

Experten haben sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und sie alle kommen zu einem Schluss: Würden die Chinesen ihre US-Staatsanleihen abverkaufen, schadeten sie sich damit vor allem selbst. Weil auf einmal viel mehr Papiere auf dem Markt wären, würden die Kurse der Anleihen sinken. Da China nicht alle Anleihen auf einmal verkaufen kann, müssten sie das scheibchenweise über schätzungsweise anderthalb Jahre erledigen. Jedes Mal, wenn sie ein Großpaket US-Staatstitel abstoßen würden, sänke der Wert der verbleibenden Anleihen im eigenen Portfolio. China würde sich also finanziell selbst schaden. Das unterscheidet es von Russland, das in den vergangenen Monaten massiv US-Staatsanleihen verkauft hatte, bereits vor der Aktion allerdings nicht einmal ein Zehntel des heutigen chinesischen Anleiheschatzes besaß.

Selbst wenn die Führung in Peking die Staatsanleihen verkaufen würde, am Ende säße sie auf einem Berg von Dollar, den sie anlegen müsste. "Selbst wenn sie ihre Staatsanleihen verkaufen könnten, wo würden sie das Geld dann parken?", fragt Marc Chandler, Devisenexperte der amerikanischen Privatbank Brown Broters Harriman.

Chandler kennt die Antwort auf seine suggestive Frage: Würde China das Geld in andere Währungen wie Euro oder Schweizer Franken tauschen, würde sich das Land ebenfalls schaden. "Eine chinesische Flucht aus dem Dollar würde zu einer massiven Dollarabwertung führen", sagt Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner. Im Gegenzug würde der chinesische Yuan aufwerten und Exporte der Chinesen verteuern. Weil die amerikanischen Strafzölle chinesische Exporte bereits zusätzlich verteuern, kann das kaum im Interesse der Staatsführung sein.

Übernahmen im großen Stil würde Washington Peking wohl kaum gestatten

Würde die chinesische Führung ihre Dollar nicht umtauschen, könnte sie damit zum Beispiel Aktien oder Unternehmen in den USA kaufen. Andererseits ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die amerikanische Politik in einer solch zugespitzten Situation Übernahmen im großen Stil erlauben würde.

Anstatt in einem Gewaltakt alle ihrer US-Schuldpapiere zu verkaufen, könnte die chinesische Führung zu einer Version light greifen. Anstatt massiv Titel abzustoßen, könnten sie ihre bisherigen Bestände behalten, künftig jedoch weniger oder gar keine neuen US-Schuldtitel kaufen. Bereits das könnte ausreichen, um die Renditen der Staatsanleihen in die Höhe zu treiben und die Finanzierung des US-Schuldenbergs empfindlich zu verteuern, wie die Spekulationen von Anfang des Jahres zeigten.

Ein massiver Abverkauf hingegen, so sagte ein Devisenanalyst einmal dem amerikanischen Börsenfernsehen CNBC, gliche einem absurden Szenario. Es wäre, sagte er, als hielte China sich eine Pistole an den eigenen Kopf und drohe damit, eine Geisel zu haben.

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