China:Chinas Wirtschaft leidet - nun muss Peking liefern

FILE PHOTO:  China's President Xi Jinping and other delegates listen as China's Premier Li Keqiang (not pictured) delivers a government work report during the opening session of the National People's Congress at the Great Hall of the People in Beijing

Auf dem gerade laufenden Volkskongress in Peking werden die Insignien der kommunistischen Macht hochgehalten

(Foto: Damir Sagolj/reuters)

Die staatliche Bahn hat mehr Schulden als Griechenland. Ein Handelskrieg mit den USA droht auch noch. Wohin steuert die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt?

Von Christoph Giesen, Peking

Es ist Volkskongress in China. Der Himmel strahlt blau, die übliche Dunstglocke ist weg, weil die Fabriken rund um Peking heruntergefahren worden sind. So klar das Wetter ist, so unklar bleiben die Äußerungen der politischen Elite. Die Delegierten der Provinzen melden sich zu Wort und erzählen von ihren Gesprächen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping und Premier Li Keqiang. Die Minister treten ebenfalls öffentlich auf, verlesen Statements und lassen sich befragen. Es geht vor allem um die Wirtschaft. Besonders ergiebig ist es aber nicht. Die meisten Fragen sind abgesprochen. Und in den Zeitungen steht danach: "Der Präsident sagt: Die Staatskonzerne sollen innovativ sein." Soso. Doch wohin steuert die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wirklich?

2013, ein Jahr nach Amtsantritt hatte das neue Führungsduo Xi/Li dem Land weitreichende Reformen verordnet. Dem dritten Plenum des Zentralkomitees, das damals die Pläne verabschiedete, sei ein historischer Wurf gelungen, jubelte die Propaganda. Auch im Ausland war man zuversichtlich. In der Tat waren die Ankündigungen eindrucksvoll: Weniger staatliche Eingriffe, die Macht der Staatskonzerne sollte schwinden, das Bankensystem umgebaut und die Einschränkungen für ausländische Firmen zurückgenommen werden. Doch was ist umgesetzt worden?

Staatskonzerne

150 000 Staatsunternehmen gibt es derzeit in China. Nur noch 15 Prozent der städtischen Bevölkerung arbeitetet tatsächlich für einen staatseigenen Betrieb. Die Hälfte der Unternehmen schreibt rote Zahlen - trotz Vorzugsbehandlung. Staatskonzerne bekommen Bauland zu Preisen, die niemand nachvollziehen kann. Benzin, Gas oder Kohle beziehen sie oft deutlich unter Marktniveau. Und natürlich werden sie üppig mit Krediten versorgt. Etwa fünfzig Prozent aller Unternehmensdarlehen bekommen die Staatskonzerne von den zumeist staatlichen Banken.

Die Folge: Die Verschuldung der staatlichen Firmen liegt bei etwa 170 Prozent des Bruttosozialprodukts. Allein die chinesische Bahn hat in ihrer Bilanz Schulden von mehr als vier Billionen Yuan stehen. Das sind nach aktuellem Umrechnungskurs etwa 550 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Griechenlands Staatsverschuldung liegt bei rund 320 Milliarden Euro.

"Es gibt heftigen Widerstand auf vielen Ebene gegen eine Reform der Staatskonzerne. Nicht alle Provinzen kuschen vor Peking. Niemand möchte schließlich zu den Verlierern gehören, wenn es heißt, ihr müsst Fabriken schließen", sagt Max J. Zenglein vom Mercator Institute for China Studies (Merics).

Vor allem seit der Finanzkrise 2008 hat die Verschuldung der Staatskonzerne drastisch zugenommen. Es wird im großen Stil in Infrastruktur investiert, da der Export nicht mehr wächst und der Konsum nicht ausreicht, um Pekings Wachstumsvorgabe von 6,5 Prozent einzuhalten. "Chinas Führung ist Geisel ihres Wachstumsversprechens", meint Zenglein.

Ein Ende der Staatsausgaben ist nicht in Sicht. Brachte 2005 ein Yuan Kredit noch einen Yuan an Wirtschaftsleistung ein, kommen heute für einen geborgten Yuan nur noch 0,4 Yuan Wachstum heraus. "Abnehmender Grenznutzen", nennen Ökonomen das. Die erste Brücke über den Fluss ist gesamtwirtschaftlich sinnvoll, die zehnte Überquerung ist nur noch für die Bauarbeiter und die Stahlindustrie lohnend. Trotzdem strecken die Geldhäuser immer noch Geld vor.

Botschafter spricht von "ökonomischem Nationalismus"

Banken

Die vier größten Institute der Volksrepublik sind allesamt staatlich. Spötter nennen sie auch die "Viererbande", sie kontrollieren den chinesischen Markt. Bis vor Kurzem legte der Staat die Höhe ihrer Zinsen fest. Chinas Sparer bekamen wenig, Kredite wurden mit einem ordentlichen Aufschlag vergeben. Heute sind die Zinsen zwar frei, doch die Geldhäuser halten sich weitestgehend an die alten Sätze. "Die Bürger geben bei den Banken ihr Geld ab, und die Banken geben es an die Staatsbetriebe weiter. Das ist das klassische System", sagt Zenglein.

Nach der Finanzkrise 2008 rühmten sich die Genossen in Peking, dass ihre Banken unbeschädigt davongekommen waren und sich nicht mit toxischen Papieren vollgesogen hatten. Das stimmt, doch die Wahrheit ist auch: Chinas Geldhäuser sind eigentlich keine richtigen Banken, allenfalls staatlich betriebene Pfandhäuser. Damit kein Institut pleitegeht, dürfen nur 75 Prozent der Einlagen wieder als Kredite verliehen werden.

Um keinen Ärger zu bekommen und um die Verwaltungskosten so gering wie möglich zu halten, vergeben viele Banken ihre Kredite am liebsten an Staatskonzerne, denn diese nehmen viel Geld auf einmal ab, und notfalls haftet ohnehin der Staat. Der Mittelstand, das eigentliche Rückgrat der chinesischen Wirtschaft, bekommt kaum Kredite und muss sich bei obskuren Schattenbanken refinanzieren, die deutlich mehr Zinsen verlangen. Chinas Banken müssten künftig verstärkt den Mittelstand fördern. Und die großen Staatsbanken sollten voranschreiten, forderte Premier Li in seiner Eröffnungsrede zum Volkskongress. Wie das gelingen soll, ist unklar.

Ausländische Unternehmen

In den vergangenen Monaten ist der Druck auf ausländische Firmen gewaltig gestiegen. Die Einschränkungen sind teilweise so gravierend, dass der deutsche Botschafter in Peking von "ökonomischem Nationalismus" spricht. In Windeseile wurden zuletzt Gesetze auf den Weg gebracht, die etliche Unternehmen unvorbereitet treffen. Oder aber der Staat bevormundet die heimische Industrie gleich direkt, wie zum Beispiel in der Medizintechnik. Derzeit sind Krankenhäuser in der Volksrepublik angehalten, Geräte und Maschinen anhand eines amtlichen Katalogs einzukaufen, in dem keine nicht-chinesischen Unternehmen verzeichnet sind.

Seit der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump nimmt man in Berlin deutliche Annäherungswünsche aus Peking wahr. Für den Fall der Fälle, dass Trump tatsächlich einen Handelskrieg mit China lostreten sollte, sucht die chinesische Regierung nach Verbündeten. Und Deutschland als wichtigster Handelspartner in der EU ist da die erste Adresse. Die Zeichen des Antichambrierens: Seit ein paar Wochen wird über die Abmilderung einer geplanten Elektroautoquote verhandelt. Zuvor waren die Chinesen monatelang hart geblieben. Auch in Lis Rede zum Volkskongress finden sich Hinweise: Ausländische Unternehmen sollen "gleichbehandelt" werden, versprach der Premier.

"Wir begrüßen die erneute Ankündigung der chinesischen Regierung, die Bedingungen für ausländische Investoren in China zu verbessern", sagt Hanna Müller, die das Büro des BDI in Peking leitet. Es sei längst überfällig. "Die 2013 angekündigte Stärkung von Marktmechanismen ist bislang nicht erfolgt, das ist für viele eine Enttäuschung", sagt Merics-Mann Zenglein. "Allerdings muss man wohl rückblickend sagen, dass es eine unrealistische Hoffnung gewesen ist. Eine Liberalisierung kann und wird nur im chinesischen System stattfinden. Deshalb gilt: Aktionen zählen. Keine Worte."

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