Süddeutsche Zeitung

China:Angst vor dem Währungskrieg

  • Die chinesische Regierung hat am Donnerstag zum dritten Mal in Folge ihre Währung abgewertet. Sie verbilligt so chinesische Produkte und stärkt den lahmenden Export.
  • Kritiker bemängeln dies und sprechen von einem Abwertungswettlauf.
  • Dabei verhält sich Europa seit längerem ähnlich. Ein immer schwächerer Euro begünstigt europäische Unternehmen.

Analyse von Claus Hulverscheidt

Die Reaktion der deutschen Exportindustrie kam prompt, und sie fiel erwartet deftig aus. Was die Notenbank da tue, sei "brandgefährlich", zeterte Anton Börner, der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, und schob eine harsche Warnung hinterher: Wenn die Geldpolitik nicht kehrtmache, drohten ein Abwertungswettlauf und ein Währungskrieg.

Fast sieben Monate ist Börners Schimpfkanonade jetzt her, und die Notenbank, die ihn damals so in Wallung versetzte, war keineswegs die chinesische, die mit ihren wiederholten Abwertungen der Landeswährung Yuan derzeit so viel Aufsehen erregt. Der Zorn des BGA-Chefs entzündete sich vielmehr am Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB), Wirtschaft und Inflation in der Euro-Zone mithilfe eines riesigen Programms zum Kauf von Staatsanleihen anzukurbeln. Sollte es also nun tatsächlich zum Währungskrieg kommen, dann können die Chinesen auf Anton Börner verweisen: Schuld ist die EZB.

Dass Regierungen und Zentralbanken versuchen, den heimischen Firmen mit einer künstlichen Verbilligung der eigenen Währung Vorteile im globalen Wettbewerb zu verschaffen, ist kein neues Phänomen. So kam es etwa zwischen den Weltkriegen gleich zu mehreren Abwertungswettläufen, die Michael Hüther, der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, einmal als "Sargnagel für die Weltwirtschaft" bezeichnet hat. Die Idee hinter den Manipulationen ist simpel: Wenn etwa der Euro gegenüber dem Dollar um zehn Prozent abwertet, dann wird ein deutsches Auto für einen amerikanischen Kunden entsprechend billiger. Währungsabwertungen beflügeln also den Export und beleben die Wirtschaft.

Das Problem ist nur: Was, wenn die Konkurrenz nachzieht und sich revanchiert? Dann kommt jener Abwertungswettlauf in Gang, der am Ende allen Beteiligten schadet. So handelt sich ein Land, das den Kurs der eigenen Währung künstlich drückt, zum Beispiel Inflation ein, weil Produkte aus dem Ausland teurer werden.

Das Konjunkturprogramm der EZB hat chinesische Exporte faktisch verteuert

Kurioserweise hat es Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, mit seinem groß angelegten Anleihekaufprogramm genau auf diesen Effekt abgesehen. Weil die Teuerungsrate in der Euro-Zone wegen der anhaltenden Schuldenkrise schon seit geraumer Zeit so niedrig ist, dass sie in einen gefährlichen allgemeinen Preisverfall münden könnte, versucht die EZB, Inflation zu importieren. Der Hebel, den sie dabei ansetzt, ist der Wechselkurs.

In Draghis öffentlichen Äußerungen ist von Kursmanipulationen naturgemäß keine Rede, vereinfacht gesagt läuft sein Konjunktur- und Inflationsprogramm aber genau darauf hinaus. Die EZB kauft anderen Kapitalanlegern bis zum Herbst 2016 für bis zu 1,1 Billionen Euro Anleihen der Euro-Staaten ab und drängt damit Investoren etwa aus Nordamerika und Fernost aus dem Markt. Diese tauschen die Euro, die sie einst für den Kauf der Wertpapiere hatten erwerben müssen, in ihre eigenen Währungen zurück, zum Beispiel in US-Dollar. Der simple Effekt: Der Kurs des Dollar am Devisenmarkt steigt, der des Euro sinkt.

Von dieser Vorteilserschleicherei der Europäer haben die Chinesen nun offensichtlich die Nase voll und ziehen nach. Binnen drei Tagen senkten sie den Wechselkurs des Yuan gegenüber dem Dollar um insgesamt 4,6 Prozent. Was nach wenig klingt, ist ein gewaltiger Schritt, denn Chinas Währung war bisher faktisch an die amerikanische gekoppelt und veränderte sich gegenüber dem Dollar allenfalls um ein paar Hundertstel Stellen am Tag. Da aber - Draghi sei Dank - der Dollar gegenüber dem Euro binnen eines Jahres mehr als 17 Prozent an Wert gewonnen hat, legte auch der Yuan, offiziell Renminbi genannt, entsprechend zu.

Chinesische Waren wurden also in Europa immer teurer, was sich jetzt auch in den Konjunkturdaten widerspiegelt. Die Exporte des Landes brachen im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 8,3 Prozent ein, das Wirtschaftswachstum ist mit derzeit sieben Prozent so gering wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.

US-Politiker reagieren auffallend zurückhaltend auf den Schritt Pekings

Die Ausfuhrschwäche kommt für die Führung in Peking zur Unzeit, denn auch im Land selbst kommt derzeit ein Problem zum anderen. So stürzten gleich mehrfach die hohen Börsenkurse ab, was wiederum die Konsumbereitschaft der chinesischen Verbraucher dämpfen dürfte. Mit der Währungsabwertung, so der Eindruck, zieht die Regierung jetzt die Reißleine. Dabei hatte sie es leichter als etwa die EZB mit ihren teuren Umwegprogrammen, denn der Renminbi-Kurs richtet sich - anders als bei Euro oder Dollar - nicht nach Angebot und Nachfrage, sondern wurde von der Zentralbank bisher einfach jeden Tag festgelegt.

Doch auch wenn die jüngste Abwertungsrunde von Europa - und im Übrigen auch von Japan - ausging: die Chinesen sind mitnichten unschuldig. Vielmehr steht Peking seit Jahren selbst im Verdacht, den Kurs der eigenen Währung künstlich niedrig zu halten, um die Exporte zu beflügeln. Vor allem die USA haben China in den vergangenen Jahren immer wieder aufgefordert, den Yuan Schritt für Schritt freizugeben und den Wechselkurs gegenüber dem Dollar so zu erhöhen.

Allerdings haben die Amerikaner damit womöglich ein Eigentor geschossen - was auch erklären würde, warum außer dem republikanischen Dampfplauderer Donald Trump bisher kaum ein namhafter US-Politiker die Pekinger Beschlüsse kommentiert hat. Angesichts der relativen Schwäche der chinesischen Wirtschaft könnte es nach Ansicht von Fachleuten nämlich sein, dass der wahre Wert des Renminbi derzeit nicht über, sondern unter dem amtlichen Kurs liegt. Der Internationale Währungsfonds jedenfalls begrüßte die parallel zur Renminbi-Abwertung erfolgte Ankündigung Pekings, sich bei der Festlegung des amtlichen Wechselkurses künftig stärker am Marktgeschehen zu orientieren.

In Asien übrigens geschah am Mittwoch bereits das, was einige Experten nun auch für die Welt befürchten: Die Notenbank Vietnams reagierte auf die Entscheidung des Wettbewerbers China und wertete die eigene Währung, den Dong, ebenfalls ab.

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SZ vom 13.08.2015/jasch
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