China:Alles verloren

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Drehte ein zu großes Rad: Wu Xiaohui, Ex-Chef von Anbang. (Foto: Reuters)

Wu Xiaohui, der Gründer des Versicherungskonzerns Anbang, muss für 18 Jahre ins Gefängnis. Da half auch kein Vitamin B mehr - Wu ist mit einer Enkelin von Deng Xiaoping verheiratet.

Von Christoph Giesen, Peking

18 Jahre muss er hinter Gitter: Wu Xiaohui, der Gründer des chinesischen Versicherungskonzerns Anbang. Zudem wird Wus Privatvermögen in Höhe von 10,5 Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) konfisziert. Laut Chinas amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua, die das Strafmaß vermeldete, soll Wu beim Sammeln von Kapital betrogen sowie Gelder veruntreut haben. Es ist das Ende eines bemerkenswerten Aufstiegs.

Geboren 1966, arbeitete Wu zunächst als Beamter. 2004 startete er Anbang als Autoversicherer in der ostchinesischen Hafenstadt Ningbo. Die ersten Jahre war das Unternehmen eher unbedeutend, doch dann begann die kleine Versicherung zu investieren. Sie stieg bei Banken ein und eröffnete undurchsichtige Graumarktfonds. Vor gut dreieinhalb Jahren der erste große Auslandsdeal: Für knapp zwei Milliarden Dollar kaufte Anbang das Waldorf Astoria Hotel in New York. Zwischenzeitlich verwaltete das Unternehmen ein Vermögen von etwa 300 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr noch verhandelte der Konzern mit der Familie von Jared Kushner, dem Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, über den Kauf eines Hochhauses an der New Yorker Fifth Avenue. Die Gespräche wurden beendet, nachdem Kritiker vor möglichen Interessenkonflikten warnten.

In Deutschland meldete Anbang währenddessen Interesse an der HSH Nordbank an und übernahm Ende 2016 das Geschäft der Allianz in Südkorea. Kostenpunkt: 1,6 Milliarden Euro. Im Übermut sprachen Anbang-Manager irgendwann gar in München vor und erkundigten sich tollkühn, ob man nicht einfach den gesamten Allianz-Konzern übernehmen könne, nicht bloß Südkorea. Sie drehten das ganz große Rad. Offenbar viel zu groß.

Das Geld für die Zukäufe im Ausland stammte vor allem aus Lebensversicherungen in China, für die Anbang Garantiezinsen in einer Höhe versprach, die einfach nicht sein können. Acht Prozent und mehr offerierte das Unternehmen, während die Konkurrenz bei etwa 3,5 Prozent lag. Das eingesammelte Geld wurde gleich wieder investiert.

Bis vor einem Jahr ging alles gut. Dann schritten die Behörden ein. Banken vertrieben auf einmal keine Anbang-Produkte mehr. Im April 2017 brachen die Umsätze mit Lebensversicherungen und einigen sogenannten Wealth Management Products - oft hochspekulative Firmenbeteiligungen mit kurzen Laufzeiten, die bei chinesischen Sparern beliebt sind - im Vergleich zum Vorjahresmonat dramatisch ein. Im April 2016 hatte Anbang umgerechnet noch etwa fünf Milliarden Euro eingetrieben. Ein Jahr darauf waren es gerade einmal rund 180 Millionen. Die Wettbewerber in China konnten hingegen im selben Zeitraum im Durchschnitt um 4,5 Prozent zulegen.

Mitte Juni vergangenen Jahres wurde Wu schließlich verhaftet. Sein Verschwinden sorgte für große Unruhe im Land. Eine ungeschriebene Regel in China lautet nämlich: Familienmitglieder von Revolutionären, jenen Kadern also, die die Volksrepublik 1949 mitgegründet haben, sind vor Verhaftungen und der allgegenwärtigen Anti-Korruptionskampagne sicher. Wu ist mit einer Enkelin des Reformpatriarchen Deng Xiaoping verheiratet. Innerster Zirkel also. Selbst das half ihm nicht mehr.

Im Februar gab die Regierung bekannt, Anbang unter staatliche Kontrolle zu stellen. Anfang April flossen knapp 61 Milliarden Yuan Rettungsgeld, um das Unternehmen zu stabilisieren. Das Urteil war der Schlussakt.

© SZ vom 11.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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