Tastatur-Hersteller Cherry:"Das darf sich nicht anhören wie klick, klick, klack"

Tastatur-Hersteller Cherry: Cherry garantiert 100 Millionen Schaltvorgänge bei den meisten seiner Tastatur-Schalter - da kann man lange tippen.

Cherry garantiert 100 Millionen Schaltvorgänge bei den meisten seiner Tastatur-Schalter - da kann man lange tippen.

(Foto: John D. Ivanko/Alamy/mauritius images)

Cherry, Mittelständler aus der Oberpfalz, beliefert die Welt mit mechanischen Schaltern für Tastaturen. Vor allem Computerspieler schwören auf die Geräte.

Von Helmut Martin-Jung

Zump, zump, zump macht die Maschine, etwa in dem Tempo, wie man das sprechen würde. Zump, zump, zump stanzt das meterlange stählerne Ungetüm aus einem metallenen Endlosband kleine Bauteile heraus, gut einen Quadratzentimeter groß. In Verbindung mit etwas Kunststoff werden sie zu etwas, das die meisten von uns täglich nutzen: zu einer Taste auf einer Computer-Tastatur. Vor gut 35 Jahren hatten sie bei der Firma Cherry die Idee, mechanische Schalter für Computer-Keyboards herzustellen, haben diese MX genannte Kategorie erfunden. Fragt man heute professionelle Computerspieler - sei es in Asien, in den USA oder sonst wo auf der Welt - mit welcher Tastatur sie spielen, wird die Antwort zwar nicht unbedingt "Cherry" lauten. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass in der Tastatur Schalter von Cherry stecken, ist groß. Und ebenso, dass die Spieler diese ganz bewusst ausgewählt haben.

Hierzulande aber ist der Hersteller mit Hauptsitz am Rande des beschaulichen Städtchens Auerbach in der Oberpfalz in doppelter Hinsicht ein hidden champion, ein Weltmarktführer, den fast nur Experten kennen. Zum einen, weil Auerbach in der Nähe des großen Truppenübungsplatzes Grafenwöhr in der Oberpfalz abseits großer Städte liegt. Zum anderen, weil er in seinem Segment - hochwertigen Schaltern für Tastaturen - die Konkurrenz anführt.

Rolf Unterberger, der Geschäftsführer von Cherry, erzählt stolz, dass er den Unterschied zu Nachahmerprodukten mittlerweile spüren könne. Vier Jahre ist der Österreicher nun schon Chef von Cherry, und er hat viel vor. Bisher beliefert Cherry vor allem Geschäftskunden, doch nicht zuletzt die Pandemie hat auch das verändert. "Vor der Pandemie hatten wir etwa 80 Prozent Geschäftskunden bei Tastaturen, Mäusen und Headsets für den Office-Einsatz", sagt Unterberger, "in drei bis fünf Jahren wird das Verhältnis von Geschäfts- und Privatkunden schon bei 50 zu 50 sein."

Cherry inside

Früher sei Computerzubehör meist zentral beschafft worden, heute in Zeiten von Home-Office und mobilem Arbeiten gebe es oft ein Budget dafür, das die Mitarbeiter selber ausgeben können. Ein eigenes Team mit 20 bis 30 Mitarbeitern will Unterberger daher aufbauen, es soll das Online-Geschäft verstärken und die Marke bekannter machen. In Asien, wo das Spielen am Computer sehr verbreitet ist, braucht es das nicht. Dort schätzt man die Schalter made in Germany schon lange - weil sie zuverlässig funktionieren und lange halten. Cherry ist auch der einzige Hersteller von Schaltern, der auf der Verpackung von Tastaturen anderer Hersteller genannt wird - als Qualitätsmerkmal.

"Wir haben eben jahrzehntelange Erfahrung", sagt Cherry-Chef Unterberger. Die führt zum Beispiel dazu, dass man auf den Stanzmaschinen eines Schweizer Herstellers eine Zusatzfunktion eingebaut hat. Sie stanzt nicht bloß Bauteile aus dem Endlosband, das aus einer Metalllegierung besteht. Bevor das passiert, setzt sie hochpräzise und schnell auch winzige Schweißpunkte aus Gold. Sie sind es, die im fertigen Schalter den Kontakt herstellen - frei von Korrosion und sehr langlebig. 100 Millionen Schaltvorgänge garantiert Cherry bei den meisten seiner Schalter, da kann man lange tippen. Folien-Tastaturen ohne mechanische Schalter halten bei Weitem nicht so lange.

Der Schalter macht den Sound

Auf weitgehend vollautomatischen Fertigungsmaschinen werden bei Cherry in Auerbach die gereinigten Metallelemente mit den dazugehörigen Kunststoffteilen zu Schaltern zusammengebaut. Auch dabei geht es um Präzision, mehr als drei Hundertstel Millimeter dürfen die Kunststoffteile nicht von der Norm abweichen - auch das erfordert viel Erfahrung bei der Verarbeitung und eine strenge Qualitätskontrolle. Sind die Schalter fertig, werden sie nach Hongkong verschifft - wenn es eilt, auch mal geflogen -, ins dortige Lager. Von dort werden sie ausgeliefert an die Tastaturhersteller, die nahezu alle in China beheimatet sind. Auch Cherry selbst unterhält im südchinesischen Zhuhai ein Werk.

Ein Schalter ist übrigens noch keine Taste - es fehlt die Kappe, die auf den Schalter gesteckt wird. Der Schalter, der noch mit der Platine im Tastaturgehäuse verlötet werden muss, aber bestimmt, wie sich eine Tastatur anfühlt und auch, wie sie klingt. Auch dieser Sound ist ein Qualitätsmerkmal: "Das darf sich nicht anhören wie klick, klick, klack", sagt Unterberger, "alle müssen sich gleich anfühlen und anhören."

Die Geschmäcker, aber auch die Anforderungen, sind dabei verschieden. Gamer schwören in der Regel auf Schalter mit einem Stößel aus rotem Kunststoff, Vielschreiber schätzen oft das Klackern der blauen Schalter mit ihrem auch akustisch definierten Druckpunkt, die braunen sind eine Art Kompromiss aus beiden. Die Farben übrigens, auch sie hat Cherry eingeführt. Heute werden sie weltweit von den meisten Herstellern analog verwendet, um die Charakteristika der verschiedenen Schalter - es gibt noch einige andere Farben - zu symbolisieren.

Die Nachfrage ist groß

500 bis 600 Millionen Schalter produziert Cherry pro Jahr und kommt der Nachfrage kaum hinterher. Wichtig sei dabei aber auch, nie stehen zu bleiben. Allein bei der eigenen Erfindung, dem mechanischen, MX genannten Schalter habe man über die Zeit mehr als 100 Innovationen eingeführt. Aber Cherry hat sein Geschäft auch diversifiziert. Die Auerbacher sind eines von nur zwei Unternehmen in Deutschland, die eine Zertifizierung für ein Chipkarten-Lesegerät haben, wie es in Arztpraxen und Kliniken verwendet wird. Schon gut 64 000 der Terminals hat Cherry in den Markt gebracht. Cherry erwartet hier einen großen Wachstumsmarkt.

Wo es sinnvoll ist, will Cherry auch mit Zukäufen wachsen. So hat man kürzlich die Firma Active Key gekauft. Deren Chef war früher Entwicklungsleiter bei Cherry. Active Key baut Tastaturen, die man zur Reinigung in die Spülmaschine stecken kann. Normale Tastaturen sind übrigens meist nicht gegen Flüssigkeiten geschützt. Wer eine Tasse Kaffee oder ein Glas Cola darüber schüttet, muss deshalb damit rechnen, dass die Tastatur kaputt ist. Denn unter den Tasten befindet sich die empfindliche Leiterplatte.

Cherry stellt aber in seiner Fabrik in China auch selbst Tastaturen unter eigenem Namen sowie dazu passende Mäuse und Headsets her. Auch dabei soll das Online-Verkaufsteam helfen und die Marke bekannter machen.

Lieferkettenprobleme

Die Lieferkettenprobleme, die viele Unternehmen derzeit plagen, gehen auch an Cherry nicht vorbei. Durch die Erweiterung des Lagers in Hongkong versucht man aktuell, einen größeren Puffer mit 120 Millionen Schaltern vorzuhalten, aber: "Es ist ein täglicher Kampf", sagt Rolf Unterberger. Das China-Geschäft kennt er gut, seit 1995 ist er dort bereits unterwegs, er hat unter anderem an einem U-Bahn-Projekt in Schanghai mitgearbeitet.

Die Schalter sollen aber weiter in Deutschland produziert werden. Erst vor gut zwei Jahren ist Cherry, nachdem es Investoren vom Automobilzulieferer ZF herausgekauft und an die Börse gebracht hatten, umgezogen in einen neugebauten, großzügigen Firmenkomplex. In der klimatisierten 3300 Quadratmeter großen Werkshalle werden die Bauteile von einem System autonomer Wägelchen aus dem automatisierten Hochlager in die Fertigung gebracht.

Neue Fertigungsrundanlagen laufen dort zurzeit noch neben einigen betagten Maschinen. Letztere sollen bald ausgemustert werden, um neuen Platz zu machen, die erheblich mehr Output liefern. Denn die Cherry-Schalter sind gefragt. Statt 80 Schalter wie die jetzigen Anlagen sollen sie 400 pro Minute ausspucken. Aber es geht auch nicht nur um mehr vom Gleichen. Cherry hat beispielsweise auch besonders flache Schalter entwickelt, wie sie in Notebooks stecken. "Wir möchten", sagt Firmenchef Unterberger, "nicht bloß als ein traditionsreiches Unternehmen wahrgenommen werden, sondern auch als Innovationstreiber und Qualitätshersteller."

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