E10-Chaos: Minister greift Ölmultis an:Röttgen schaltet auf Angriff

Ausweg gesucht: Ein Benzingipfel der Regierung soll das Chaos um den Biokraftstoff E10 beseitigen. Noch vor dem Spitzentreffen will sich Umweltminister Röttgen aber schadlos halten und greift die Ölmultis an. Dabei steht der CDU-Politiker längst selbst in der Kritik.

Bundesregierung, Opposition, Mineralölwirtschaft und Autohersteller spielen seit Wochen mit den Autofahrern in Deutschland "Schwarzer Peter". Der Einsatz: Die Verantwortung für das Desaster bei der Einführung des Biosprits E10.

E10-Chaos: Minister greift Ölmultis an: Umweltminister Norbert Röttgen verteidigt die Einführung des Biosprits E10. Für das entstandene Chaos macht er in erster Linie die Ölmultis verantwortlich.

Umweltminister Norbert Röttgen verteidigt die Einführung des Biosprits E10. Für das entstandene Chaos macht er in erster Linie die Ölmultis verantwortlich.

Wer bei diesem Spiel die letzte Karte in der Hand hält, ist schon ausgemacht: Verlierer sind die Tankstellenkunden - schlecht informiert, verunsichert, verärgert, wissen sie keinen anderen Rat, als an der Zapfsäule in den Verbraucherstreik zu treten.

In den Reihen der schwarz-gelben Koalition bröckelt indessen die Unterstützung für Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), der weiter auf einer Einführung des neuen Benzins beharrt.

Der Minister, dessen Reputation bei dem Chaos um die E10-Einführung Schaden zu nehmen droht, ging unmittelbar vor dem Spitzengespräch bei Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) über die Pannen bei der E10-Einführung in die Offensive. Der CDU-Politiker erhob schwere Vorwürfe gegen die Mineralölwirtschaft. "Die jetzige Aufregung hängt damit zusammen, dass die Wirtschaft nervös geworden ist, weil sie ihr eigenes Produkt zu schlecht vermarktet hat", sagte Röttgen der Onlineausgabe der Bild-Zeitung.

Die Mineralölwirtschaft müsse beim Gipfel klar und deutlich erklären, wie die Hersteller-Informationen verbessert und näher an den Kunden gebracht werden können. Die Ölkonzerne "dürfen sich ihre Fehler bei der Einführung nicht vom Verbraucher bezahlen lassen".

Grundsätzlich verteidigte der Umweltminister die Einführung des Biosprits mit zehn Prozent Anteil von Ethanol. Röttgen sei "zuversichtlich, dass das entstandene Misstrauen beim Verbraucher wieder abgebaut werden kann". Denn Biosprit diene dazu, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren.

Brüderle (FDP) hat für den Mittag in sein Ministerium zu dem sogenannten Benzin-Gipfel geladen.

Dieses Treffen von Regierung, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden am Dienstag komme ein Jahr zu spät, murrt die Opposition. Die Bundesregierung habe nicht rechtzeitig gehandelt, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Winfried Hermann.

Der Grünen-Politiker forderte ein zwei- bis dreimonatiges Verkaufsmoratorium für den Biosprit. Bis dahin sollten die Automobilhersteller ihren Kunden sagen können, ob ihre Produkte das neue Benzin vertragen. Insgesamt gehöre die Biosprit-Strategie allerdings auf den Prüfstand.

E10 sei nicht notwendig, um die von der EU verlangte Quote an Biokraftstoffen im Gesamtverbrauch zu erfüllen, betonte Hermann. "Der ökologische Nutzen dieses sogenannten Biokraftstoffs ist extrem fragwürdig." Deshalb, so Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn, setze der Gipfel auch an der falschen Stelle an. Sich jetzt nur mit E10 zu befassen, greife zu kurz. Auch Diesel sei ein Thema und die Effizienz der Autos, argumentierte Höhn.

Mehr Zeit will auch der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs. Wie bereits die FDP stellt auch der Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion den Plan für die Einführung des Biosprits E10 in Frage. "Wir müssen in der EU nicht immer die Vorreiter spielen", sagte der Vorsitzende des einflussreichen Parlamentskreises Mittelstand (PKM) in der Unionsfraktion. Es reiche völlig aus, wenn Deutschland erst 2012 oder 2013 seine selbstgesetzten Ziele beim Einsatz von Biosprit erfülle.

Dudenhöffer gegen E10-Stopp

Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen rät trotz allem von einem Einführungsstopp ab. Stattdessen sollte das Kraftfahrtbundesamt alle Autofahrer informieren, ob ihr Fahrzeug E10 vertrage.

Der Bundesregierung attestierte Dudenhöffer Aktionismus und eine fehlende Strategie für umweltfreundlichen Verkehr. Bei der Entwicklung von Hybrid- und Elektroautos sei "lange geschlafen worden". "Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer müssten konsequent der Förderung von umweltfreundlichen Fahrzeugen und Treibstoffen dienen.

Indessen beklagt der deutsche Biosprit-Hersteller Crop-Energies aus Mannheim eine Kampagne gegen den neuen Kraftstoff. "Die Verunsicherung der Autofahrer wird teilweise durch Falschinformationen erhöht", sagte Vorstand Lutz Guderjahn. Er bemängelte die Aussage aus dem Hause BMW am Wochenende, wonach sich die Ölwechsel-Intervalle durch E10 erhöhen. "Noch am selben Tag rudert der Autohersteller aber zurück", so Guderjahn.

Stattdessen rechne es sich für Autofahrer, E10 zu tanken, denn der Verbrauch steige um maximal 1,5 Prozent gegenüber herkömmlichem Superbenzin. "Da kann sich jeder ausrechnen, ob es sich lohnt, den fünf bis acht Cent teureren Kraftstoff Super plus zu tanken."

Eventuelle Motorschäden durch den Biosprit E10 dürften allerdings bei den Autobesitzern hängenbleiben. "Den Schaden trägt der Autofahrer", sagte Maximilian Maurer vom ADAC. Zwar könne man den Hersteller in die Haftung nehmen, wenn das Modell auf der Unbedenklichkeitsliste der Deutschen Automobil Treuhand stehe. Aber der Geschädigte müsse nachweisen, dass die zerstörte Dichtung oder der korrodierte Tank wirklich durch das E10 kaputtgegangen seien - was schwierig sei.

Verwirrung herrscht unterdessen auch bei Besitzern benzinbetriebener Gartengeräte, inwieweit sie E10-tauglich sind. Wer etwa Motorsägen, Rasenmäher, Laubsauger, Außenbordmotoren von Booten oder Benzingeneratoren für Campingmobile mit dem neuen Kraftstoff betreiben will, sollte sich vorher beim Hersteller erkundigen, ob die Geräte Schaden nehmen könnten.

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