Süddeutsche Zeitung

Chancen des Internethandels:Schinken von Otto

Der Versandhändler Otto unternimmt einen neuen Anlauf für den Verkauf von Lebensmitteln. Dieses Experiment scheiterte bereits einmal - doch das Unternehmen will aus den Fehlern gelernt haben.

D. Kuhr

Ein Supermarkt ist nicht der Ort, an dem man seinen Feierabend verbringen will. Und doch hetzen jeden Abend Kunden in die Läden, um schnell noch einen Liter Milch, ein Brot oder ein bisschen Aufschnitt zu besorgen.

Samstags ist es noch schlimmer, wenn sich Schlangen vor der Wursttheke, der Gemüsewaage und erst recht vor den Kassen bilden. Dabei ist das Wochenende ohnehin schon so kurz. Wie viel Zeit seines Lebens verbringt der Mensch im Supermarkt? Besser nicht drüber nachdenken.

Dabei könnte das Leben so bequem sein. Die Hetzerei, das Gedränge und Geschleppe wären nicht nötig. Nahezu jedes Lebensmittel, selbst Fleisch, Fisch, Milch- und Tiefkühlprodukte, ist mittlerweile über das Internet erhältlich.

Bequemlichkeit der Bürger

Doch die Verbraucher nutzen das nicht, zumindest nicht die deutschen. Zwar wurden 2009 hierzulande 20 Milliarden Euro im Online-Handel umgesetzt, doch gerade mal 1,5 Prozent der Umsätze entfielen auf Lebensmittel. Das zu ändern, hat sich jetzt einer vorgenommen, der schon lange von der Bequemlichkeit der Bürger profitiert: der Otto-Versand.

Bislang vor allem für den Handel mit Kleidung bekannt, will das Unternehmen jetzt auch in den Online-Verkauf von Lebensmitteln einsteigen. Wieder, müsste man korrekterweise sagen. Denn vor zehn Jahren hatte der Konzern das schon einmal probiert: mit dem Otto-Supermarkt-Service, den er gemeinsam mit einem norddeutschen Lebensmittelhändler betrieb. Doch weil sich partout keine Profite einstellen wollten, gab Otto das Projekt nach drei Jahren auf.

Heute sei die gesamte Situation eine andere, sagte Vorstandschef Hans-Otto Schrader jetzt in der Lebensmittel-Zeitung. Zum einen sei das Internet als Bezugsquelle mittlerweile bei der Bevölkerung akzeptiert. Zum anderen habe der Konzern aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

Konzentration auf Metropolregionen

"Voraussetzung für den Erfolg ist eine dezentrale Lagerlogistik", sagt Schrader. Otto will aber nicht "jeden Winkel der Republik" bedienen, sondern sich auf die Metropolregionen konzentrieren. Dafür sucht der Konzern gerade einen "leistungsstarken, national aufgestellten Partner aus dem Lebensmittel-Einzelhandel". Wann der Startschuss fallen könnte, ist noch offen.

Schon jetzt gibt es diverse Online-Anbieter von Lebensmitteln. Sie sind aber meist spezialisiert, etwa auf Feinkost, Bioware, Ethno-Food, oder bieten ihre Produkte nur regional an. Bundesweit liefernde Online-Supermärkte mit breiterem Sortiment, wie Froodies oder Gourmondo, sind noch wenig bekannt. Das könnte für Otto der entscheidende Vorteil sein: Den Namen kennt jeder.

Ob das reicht, um die Deutschen für den Online-Einkauf zu begeistern, ist eine andere Frage. Ein Knackpunkt ist die Lieferung. Sie muss günstig sein, schnell gehen, die Produkte kühl halten und in der Zeit stattfinden, in der die Kunden zu Hause sind.

"Die Handelskette Tesco, die in Großbritannien mehr als ein Milliarde Euro im Online-Handel umsetzt, liefert an sieben Tagen die Woche - zum gleichen Preis wie im Laden", sagt Angela Clausen, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Supermärkte dicht gestreut

Der Handelsverband Deutschland weist auf einen weiteren Umstand hin: "Anders als in den USA oder Frankreich, wo viel Online-Handel stattfindet, sind bei uns die Supermärkte dicht gestreut", sagt ein Verbandssprecher. "Die Kunden kommen also ohnehin alle paar Meter an einem Laden vorbei und denken sich, dass sie dann genauso gut auch gleich selbst einkaufen können."

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SZ vom 26.06.2010/pak
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