Für diese Länder bietet die Globalisierung sowohl beispiellose Risiken als auch Chancen. Nur wenn die Globalisierung auch das Leben der Menschen in diesen Ländern verbessert, kann sie zu einer weltweiten Erfolgsgeschichte werden. Doch es gibt keine Patentlösungen oder einfachen Rezepte.
Die Geschichte der Entwicklungsökonomik ist gekennzeichnet durch die unrealistische Suche nach "der Antwort"; die Enttäuschung über das Scheitern einer Strategie führt zu der Hoffnung, dass die nächste endlich erfolgreich sein wird.
So ist zum Beispiel Bildung wichtig - aber wenn qualifizierte Arbeitskräfte keine Stellen finden, dann fördern Bildungsinvestitionen die Entwicklung nicht.
Es ist wichtig, dass Industrieländer ihre Märkte für ärmere Länder öffnen - aber wenn die Entwicklungsländer keine Straßen oder Häfen haben, über die sie ihre Güter zu den Märkten transportieren können, was nützt die Marktöffnung dann?
Und wenn die Produktivität in der Landwirtschaft so niedrig ist, dass die Bauern kaum über ihren Eigenbedarf hinaus produzieren, dann bewirken auch Häfen und Straßen nicht viel.
Entwicklung ist ein Prozess, der sämtliche Aspekte einer Gesellschaft betrifft und um den sich alle Akteure bemühen müssen: Märkte, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Genossenschaften, gemeinnützige Einrichtungen.
Ein Entwicklungsland, das sich lediglich der Außenwelt öffnet, erntet nicht notwendigerweise die Früchte der Globalisierung. Selbst wenn sein Bruttoinlandsprodukt wächst, ist das Wachstum möglicherweise nicht nachhaltig oder beständig.
Und selbst wenn das Wachstum beständig ist, müssen die meisten Menschen möglicherweise Einkommensverluste hinnehmen.
Systemfragen
Die Debatte über die ökonomische Globalisierung ist verquickt mit Debatten über volkswirtschaftliche Theorien und Werte. Vor 25 Jahren konkurrierten drei große ökonomische Modelle miteinander - freie Marktwirtschaft, Planwirtschaft und staatlich gelenkte (soziale) Marktwirtschaft.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 gab es plötzlich statt drei Modellen nur noch zwei, und der Meinungsstreit findet heute vor allem zwischen den Verfechtern der freien Marktwirtschaft und denjenigen statt, die sowohl dem Staat als auch der Privatwirtschaft eine wichtige Rolle zuerkennen.
Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen diesen Sichtweisen. Selbst Anhänger der freien Marktwirtschaft gestehen zu, dass das Fehlen tragfähiger staatlicher Strukturen für Afrika problematisch ist.
Und selbst Kritiker des unbeschränkten Kapitalismus räumen die Bedeutung von Märkten ein. Dennoch besteht eine gewaltige Kluft zwischen den verschiedenen Standpunkten, und wir sollten uns nicht einreden lassen, dass dem nicht so sei.
Erinnern wir uns an die Entwicklungsstrategie des Washington Consensus. Deren Leitlinien waren weitgehender Staatsabbau, Privatisierung (Ausverkauf von Staatsbetrieben an Privatfirmen), Handels- und Kapitalmarktliberalisierung (Abbau von Handelsschranken und Hemmnissen für den freien Kapitalverkehr) und Deregulierung (Beseitigung von Vorschriften, die lenkend in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen).
Dem Staat obliegt in diesem Modell die Gewährleistung der Makrostabilität, wobei allerdings die Preisstabilität im Vordergrund steht und nicht die Produktions-, Beschäftigungs- oder Wachstumsstabilität.
Ressourcen- und Wissensgefälle
Es gab eine Vielzahl von Geboten und Verboten: Alles - von Fabriken bis zur Sozialversicherung - soll privatisiert werden; der Staat soll gänzlich auf die Förderung bestimmter Industriezweige verzichten; die Eigentumsrechte sollen gestärkt, die Korruption soll bekämpft werden.
Das Zurückdrängen der Rolle des Staates bedeute Steuersenkungen, aber zugleich einen ausgeglichenen Staatshaushalt. In der Praxis legte der Washington Consensus wenig Wert auf Gerechtigkeit.
Einige seiner Anhänger glaubten an die trickle-down economics, daran, dass irgendwie alle profitieren würden - auch wenn es kaum Belege für diese Erwartung gab.
Andere waren der Ansicht, die Politik, nicht die Ökonomie sei für Gerechtigkeit zuständig: Wirtschaftswissenschaftler sollten sich auf Effizienz konzentrieren, und die wirtschaftspolitischen Leitlinien des Washington Consensus wurden dem ihres Erachtens gerecht.
Der alternative Standpunkt, den ich vertrete, erkennt dem Staat eine aktivere Rolle zu, sowohl bei der Entwicklungsförderung als auch bei der sozialen Absicherung bedürftiger Menschen.
Die volkswirtschaftliche Theorie und die historische Erfahrung geben uns Aufschluss darüber, was der Staat tun sollte. Zwar stehen Märkte im Mittelpunkt jeder erfolgreichen Volkswirtschaft, für das Klima aber, in dem Unternehmen florieren und Arbeitsplätze schaffen, hat der Staat zu sorgen.
Er muss die physische und institutionelle Infrastruktur bereitstellen - zum Beispiel Gesetze, die die Solidität des Bankensystems und Wertpapiermärkte gewährleisten, in denen die Investoren darauf vertrauen können, dass sie nicht getäuscht werden.
Schlecht entwickelte Märkte sind durch Monopole und Oligopole gekennzeichnet; hohe Preise in einem wichtigen Sektor wie der Telekommunikation hemmen die Entwicklung, so dass ein strenges Wettbewerbsrecht erforderlich ist.
Es gibt viele weitere Bereiche, wo Märkte von sich aus nicht die gewünschten Ergebnisse hervorbringen. So erzeugen sie von manchem, etwa Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung, zu viel und von anderem, etwa Forschung, zu wenig.