Süddeutsche Zeitung

Cerro Capital:Das große Geschäft rund um den Sport

Ob Segeln oder Football: Randsportarten fallen plötzlich auf, regionale Ligen werden international vermarktet, Dokufilme lösen einen Boom aus - und Investoren wittern ein großes Geschäft.

Von Uwe Ritzer, München

Angeblich hätte man drei Millionen Eintrittskarten verkaufen können, so groß war das Interesse am ersten regulären Spiel der National Football League (NFL) in Deutschland vergangenen November. Nach der erfolgreichen Premiere in München wird es 2023 zwei NFL-Matches geben, vermutlich in Frankfurt. Die Sportart boomt hierzulande; gerade sicherte sich RTL die TV-Rechte für fünf Jahre. Die US-Liga dreht am großen Vermarktungsrad, sogar beim Rosenmontagsumzug in Düsseldorf fuhr ein NFL-Motivwagen mit. In 20 hessischen Schulen wird im Sportunterricht Football gespielt. Gesponsert von der US-Liga, aber zum Leidwesen der Gewerkschaft GEW, die reinen Kommerz wittert. Schließlich geht es nicht nur um die Entwicklung einer Sportart, sondern auch um den Verkauf von Tickets, Streaming-Abos, Ausrüstung, Merchandising, Marketing und Werbung.

Sport ist ein Mega-Geschäft, und das verändert sich gerade. "Früher gehörte der Sport allein den Aktiven und den Vereinen", sagt Sport-Manager und Investor Marcus Höfl. "Heute aber ist die Schnittstelle zwischen Sport, Kultur, Verbrauchersegmenten und Regionen so wichtig wie noch nie." Soll heißen: Der reine Wettkampf, das Drumherum, die Inszenierung, Entertainment und Lifestyle vermischen sich. Und dabei "eröffnen die Digitalisierung und die damit verbundene Internationalisierung ganz neue wirtschaftliche Möglichkeiten", sagt Höfl. Eine Entwicklung, an der er und einige Geschäftspartner teilhaben wollen. Sie haben den deutsch-amerikanischen Fonds Cerro Capital aufgelegt. Etwa 250 Millionen Euro sollen in Sport-Investments fließen, die den Start-up-Charakter hinter sich haben und nun Wachstumskapital benötigen.

Auf Wachstumskurs

"Sport und Entertainment sind krisensicher", glaubt Höfl. Der globale Sportmarkt ist robust auf Wachstumskurs; auf mehr als 500 Milliarden US-Dollar bezifferten Experten sein Volumen 2019, im kommenden Jahr sollen es bereits bei mehr als 670 Milliarden Euro sein. Das Geschäft mit Vermarktung, aber auch mit Sportartikeln, Streaming und anderen Dienstleistungen bis hin zu Wettbörsen boomt. Die Entwicklung verändert sogar das sehr fußballaffine Deutschland. Andere Sportarten und ausländische Ligen werden davon profitieren, dass das klassische Fernsehen seine Bedeutung als exklusiver Abspielkanal für bewegte Bilder verliert und sich das Übertragungsgeschäft immer mehr in die digitale Welt verlagert. Wer seine Sportart in der ARD-Sportschau oder im ZDF-Sportstudio vermisst, streamt sie eben im Netz - gegen Bezahlung.

Höfl kennt das Sport-Geschäft aus vielen Perspektiven. Er arbeitete bei Adidas, später managte er Franz Beckenbauer (dessen globale Persönlichkeitsrechte Höfl nach wie vor vertritt), sowie seine Ehefrau, die Ski-Rennläuferin Maria Höfl-Risch. Höfl half dem Getränkeriesen Red Bull dabei, ein globales Fußball-Netzwerk aufzubauen. Er tritt als Berater in Erscheinung, und als Investor war er bis 2021 fünf Jahre lang Miteigentümer und Aufsichtsratsmitglied beim Fußball-Bundesligisten FC Augsburg.

Viele Investoren würden gerne direkt in deutsche Fußball-Profivereine investieren, schrecken aber vor der "50-plus-1-Regel" zurück, die dem jeweiligen Verein unabhängig vom Anteil eines Investors das letzte Wort bei Entscheidungen garantiert. "Die Regel ist aus der Sicht von Investoren das große Hindernis", findet Höfl-Geschäftspartner Thomas Rudy. Doch wer im Profisport investieren will, muss das nicht zwangsläufig in Vereine und Spieler tun. Immer mehr Geld lässt sich mit digitalen Medien verdienen, die Wettkämpfe übertragen. Mit Firmen, die Statistiken und Daten sammeln, oder mit Online-Wettbörsen. Oder mit Filmproduktionen. Bestes Beispiel ist die von US-Football-Star Tom Brady und von Cerro Capital mitfinanzierte Doku-Serie "Religion of Sports", die unterschiedliche Sportarten inszeniert. Zuletzt löste "Drive to Survive", eine Netflix-Serie über die Formel 1, Begeisterung vor allem in den USA aus und verhalf der Rennserie dort zu einem dritten Grand-Prix. Der Erfolg basiert auf der Inszenierung des Sports über Punkte und Tore, Zeiten und Tabellen hinaus. Triumphe und Dramen werden in aufwendiger Optik rasant inszeniert und so das Gefühl beim Zuschauer erzeugt, ganz nah dran zu sein.

Ein Beispiel für das Geschäftsmodell ist Ex-Weltfußballer Cristiano Ronaldo

"Attraktiv sind Sportarten, die sich in Sachen Vermarktung leicht internationalisieren lassen", sagt Höfl. Zum Team bei Cerro Capital gehören auch der deutsche Ex-Golfprofi Tino Schuster und der frühere Investmentbanker Thomas Rudy. "Viele Sportinvestoren suchen die Brücke zwischen den USA und Europa", sagt Rudy, der vom Bodensee stammt, jedoch seit Langem in den USA lebt. Das Beispiel NFL zeigt, wie stark das amerikanische Profigeschäft nach Europa drängt. Umgekehrt bewerten Experten den Markt für Sportwetten in Deutschland als gesättigt, während sie in einigen US-Bundesstaaten verboten sind. Noch, denn es wird an Lockerungen gearbeitet und europäische Wettfirmen stehen mit ihrer Expertise bereit.

Doch auch für Skater, Snowboarder, Segler oder andere (gemessen am Fußball) Randsportarten sehen Investoren wie Höfl Potenziale. Dank digitaler Technik. Sie hilft, nicht nur Randsportarten zu verbreiten, sondern auch regional bedeutsame Disziplinen, wie Cricket in Indien, zu globalisieren. Ein Wachstumsmarkt ist nach wie vor E-Sports.

Die Zeit, in der Profi-Fußballvereine ihre Anhänger nur in der eigenen Region oder im eigenen Land fanden, sind ohnehin vorbei. Alle großen europäischen Klubs haben Vermarktungs-Niederlassungen in Asien und Nordamerika. Ein Beispiel für das Geschäftsmodell ist Ex-Weltfußballer Cristiano Ronaldo, dessen Engagement in Saudi-Arabien der dortigen, bedeutungslosen Liga internationale Aufmerksamkeit beschert. Oder, einige Nummern kleiner, der SC Freiburg. Allein das Engagement des Spielers Jeong Woo-yeong hat dem Verein neue Fans verschafft in dessen Heimatland Südkorea.

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