Süddeutsche Zeitung

Cerberus:Machtbewusst und aggressiv

Als neuer Commerzbank-Großaktionär strebt der amerikanische Investor in den Aufsichtsrat.

Von Stephan Radomsky und Jan Willmroth, München/Frankfurt

Der neue Großaktionär der Commerzbank, der US-Investor Cerberus, strebt offenbar möglichst viel Einfluss bei Deutschlands zweitgrößtem privaten Geldinstitut an. Dazu will der New Yorker Beteiligungskonzern wohl einen eigenen Vertreter im Aufsichtsrat platzieren. Wenige Tage nach Bekanntwerden des Cerberus-Einstiegs verdichteten sich die Zeichen für einen solchen Schritt, heißt es aus dem Kontrollgremium. Ein Cerberus-Vertreter könnte demnach schon im November in die Runde einziehen. Welcher Aufsichtsrat im Gegenzug für ihn weichen müsste, ist noch offen. Schon jetzt aber stellen sich die Arbeitnehmervertreter auf harte Kämpfe mit dem als aggressiv bekannten Investor ein.

Am Mittwoch war per Börsen-Pflichtmitteilung bekannt geworden, dass Cerberus mehr als fünf Prozent der Commerzbank-Anteile hält und damit zum zweitgrößten Einzelaktionär des Instituts aufgestiegen ist. Rund 690 Millionen Euro war das 5,01-Prozent-Paket an der Börse zu diesem Zeitpunkt wert. Nummer eins unter den Aktionären ist die Bundesregierung, der noch immer gut 15 Prozent an der Commerzbank gehören. Das Bundesfinanzministerium hatte sich erfreut über den Einstieg der Amerikaner gezeigt: Steigendes Investoreninteresse treibt den Aktienkurs und damit den Wert des Bundesanteils.

Mitarbeiter sind beunruhigt. Sie fürchten harte Einsparungen

Dass Cerberus nun schnell in den Aufsichtsrat streben könnte, wollten weder die Commerzbank noch das Bundesfinanzministerium kommentieren. In der Frankfurter Zentrale der Bank weiß man, wie umstritten das Thema unter den Mitarbeitern ist. Aus New York hieß es, Cerberus kommentiere Gerüchte oder Spekulationen grundsätzlich nicht.

Es würde allerdings passen, wenn Cerberus nach spürbarem Einfluss strebt. Der vom Amerikaner Steve Feinberg gegründete Finanzinvestor gilt als erfahren mit problematischen Banken. Bereits 2007 sanierte Cerberus die österreichische Gewerkschafts-Bank Bawag PSK, die zu dieser Zeit in einer tiefen Krise steckte. Der Investor verkaufte in der Folge Auslandstöchter und strich Hunderte Stellen.

Entsprechend beunruhigt sind die Commerzbank-Mitarbeiter. "Wie schlimm muss es uns gehen, dass uns jetzt schon Amerikaner helfen müssen?", fragt einer, der sein Ohr nah an der Belegschaft hat. Zwar sei ein weiterer Ankeraktionär gut für die Bank. Bisher hatten die Frankfurter nur den US-Vermögensverwalter Blackrock mit ebenfalls etwas mehr als fünf Prozent und eben die Bundesregierung als große Einzelaktionäre. Berlin würde gern aussteigen, sobald der Preis stimmt. Nun befürchten die Commerzbanker, dass Cerberus weitere harte Einsparungen fordern könnte, spätestens sobald die Firma im Aufsichtsrat vertreten ist. "Wir stellen uns da schon mal auf richtig harte Auseinandersetzungen ein", sagt ein Gewerkschafter, der dem Cerberus-Vertreter dann im Kontrollgremium gegenübersäße.

Bankchef Martin Zielke hatte bereits im vergangenen Herbst ein groß angelegtes Sparprogramm angeschoben. Bis 2020 sollen insgesamt 9600 Vollzeitstellen gestrichen werden. Davon seien bereits etwa 1650 Jobs weggefallen, hieß es Mitte Juli. Das Netz aus derzeit mehr als 1000 Filialen will die Bank im Zuge der Einsparungen dagegen nicht ausdünnen. Die Anleger hat das bisher überzeugt: Innerhalb eines Jahres hat sich der Kurs der Commerzbank annähernd verdoppelt.

Das aber dürfte den Amerikanern nicht reichen, zumal der Umbau der Bank offenbar intern nicht so gut läuft, wie es nach außen scheint. Bereits jetzt gibt es große Probleme und Zweifel in der Belegschaft, so berichten es Arbeitnehmervertreter. In wirtschaftlich boomenden Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet finde die Commerzbank nicht mehr ausreichend Berater für die Filialen, offene Stellen blieben unbesetzt. Zudem seien viele Mitarbeiter draußen in der Fläche verunsichert und frustriert, weil Hunderte Standorte zu sogenannten City-Filialen umgebaut werden, in denen nur noch eine kleine Mannschaft Standardprodukte verkauft. Für komplexere Wünsche sollen die Kunden künftig in die neuen Flagship-Filialen kommen, von denen es viel weniger gibt.

Weniger Personal, weniger Filialen mit vollem Angebot, aber trotzdem Kunden- und vor allem Gewinnwachstum - so wie sich der Vorstand das vorstellte, funktioniere es schlicht nicht, heißt es aus dem Umfeld der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Wie genau Geschäft und Umbau laufen, dazu wird es am Mittwoch neue Details geben. Dann legt die Commerzbank in Frankfurt ihre Bilanz für das erste Halbjahr vor.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2017
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