Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:So viel FDP steckt in den CDU-Steuerplänen

Jetzt werden auch aus der CDU erste Ideen für den Bundestagswahlkampf öffentlich. Der Entwurf zeigt: Mancher Wunsch kann teuer werden. Und eine Forderung fehlt ganz.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wollte man die Bundesparteien dazu bringen, ihre Wahlprogramme als ernst gemeinte Politikpläne aufzuschreiben, sollte man ihnen eine Aufgabe stellen: Wie würden sie die Budgets des Bundes ausgeben, rund 360 Milliarden Euro jährlich? Der Vorteil läge auf der Hand: Statt verheißungsvoller Versprechen zöge mit der Ausgabengrenze mehr Realität ein. Der Wähler könnte nachrechnen, welche Vorhaben die Parteien prioritär finanzieren würden und was über Nettokredite dazukommen könnte. Es wäre ein Realitätstest.

Einen solchen Test würde der bereits durchgesickerte Entwurf des Wahlprogramms der Union wohl bislang nicht bestehen, zumindest was das Kapitel 2 betrifft: Steuern und Finanzen. Das wissen auch die Finanz- und Haushaltspolitiker in der Union, weshalb sie hinter den einzelnen Vorhaben in eckigen Klammern vermerkt haben, wie teuer sie werden könnten - zumindest ganz grob. "Finanzwirksam" steht wohl für: Achtung, das kostet Geld. "Finanzintensiv" für: Achtung, das kostet sehr viel Geld. Es handele sich bei dem Entwurf ja nur um einen Zwischenstand, heißt es am Dienstag, man rechne noch, wie die Versprechen gegenfinanziert werden könnten. Womöglich müsse man sich wieder von dem einen oder anderen Vorhaben verabschieden.

Das Kapitel trägt die bekannte Position der Union in der Überschrift: "Aus Verantwortung für unsere Kinder und Enkel" werde die Union für solide Finanzen sorgen sowie für niedrigere und gerechte Steuern. Der letzte Halbsatz erinnert eher an die FDP, "damit sich Leistung wieder lohnt". Überhaupt liest sich der Entwurf wie ein Best-of aus bekannten Positionen von Union, FDP sowie bei den Maßnahmen für Familien und hart arbeitende Menschen auch ein bisschen von der SPD. Den Begriff Klima sucht man vergebens, obwohl Klimapolitik ja auch Steuerpolitik ist - den Geist der Grünen findet man jedenfalls nicht in den zwei Seiten.

Dafür umso mehr FDP. Menschen, die jeden Tag Leistungen erbringen, sollen "mehr Netto vom Brutto" bekommen, verspricht die Union. "Dabei haben wir alle hart arbeitenden Menschen im Blick", egal ob Verkäuferin, Ärztin, IT-Spezialist oder Handwerker. Entlastet werden sollen vor allem jene mit niedrigem und mittlerem Einkommen: Die Union verspricht, den Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1250 Euro zu erhöhen. Der Grenzsteuersatz von 42 Prozent soll erst ab einem noch zu bestimmenden spürbar höheren Einkommen greifen - um zu verhindern, "dass Facharbeiter mit leicht überdurchschnittlichem Verdienst durch einen hohen Steuersatz belastet" werden. Achtung, "finanzintensiv", ist am Ende des Absatzes vermerkt.

Eine kleine Reform soll es auch geben. Dem Ehegattensplitting soll ein Familiensplitting zur Seite gestellt, der Kinderfreibetrag soll auf das Niveau der Erwachsenen angehoben werden. Alleinerziehende sollen weiterhin steuerlich höher entlastet werden. Alle diese Maßnahmen werden als "finanzwirksam" eingestuft. Ebenso wie das Versprechen, haushaltsnahe Dienstleistungen bis 5000 Euro von der Steuer absetzen zu können. Diese Grenze liegt bislang bei 4000 Euro.

Auch Friedrich Merz schimmert durch - wenn auch nicht in Form des berühmten Bierdeckels

Wenig überraschend lehnt die Union eine Steuer auf bestehende Vermögen ab - will aber gleichwohl die Entstehung selbiger fördern. Dazu soll die Mitarbeiterkapitalbeteiligung am eigenen Unternehmen erhöht werden über einen einkommensteuerrechtlichen Freibetrag von 3500 Euro jährlich plus 500 Euro für jedes Familienmitglied. Arbeitgeber sollen bis zu 100 Euro vermögenswirksame Leistungen zahlen dürfen, Veräußerungsgewinne aus Aktien sollen nach einer Haltedauer von mindestens zehn Jahren steuerfrei bleiben. Alles sehr teuer, "finanzintensiv".

Die Union will ein "Entfesselungspaket" für die Wirtschaft auflegen, das die Steuer auf Gewinne, die in Unternehmen verbleiben, auf 25 Prozent begrenzt. Ansonsten bleibt die Steuerpolitik recht vage. Steuerschlupflöcher sollen auf internationaler Ebene bekämpft werden, digitale Unternehmen gehörten fair besteuert. Tech-Konzerne sollten dort Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erzielen - was im Grunde darauf hinausläuft, dass in Deutschland und Europa weiter keine Steuern gezahlt werden, weil sich die Tech-Riesen hier ihre Gewinne kleinrechnen.

Auch Friedrich Merz schimmert durch, seine Steuererklärung auf dem Bierdeckel, die er einst vorgeschlagen hat. Die soll jetzt zwar nicht mehr auf dem Pappuntersetzer, aber "mit einer einfachen App" erledigt werden können.

Interessant ist, dass in dem Entwurf das traditionelle Versprechen der Union fehlt, keinesfalls irgendeine Steuer zu erhöhen - auf das immer wieder die CSU drängt. In der CDU würde man wohl gerne darauf verzichten; als Wolfgang Schäuble noch Finanzminister war, grummelte er gelegentlich, wer sich selbst verbiete, an Steuerschrauben zu drehen, beraube sich eines wichtigen Politik-Instruments.

Viermal taucht die Warnung "finanzintensiv" auf, es gibt also viel zu rechnen für die Unionsexperten. Sie stehen vor der Wahl, auf kostspielige Maßnahmen zu verzichten oder aber anderswo zu kürzen. Denn es soll ja auch die "grundgesetzliche Schuldenbremse" eingehalten werden, samt Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten - also der schwarzen Null.

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