Süddeutsche Zeitung

Steuerhinterziehung:Maschmeyer habe "was richtig Geiles" gewollt

  • Der Unternehmer Carsten Maschmeyer beschuldigt einen Schweizer Bankier, ihn betrogen zu haben.
  • Maschmeyer und seine Partner hatten mehrere Millionen Euro mit einem Fonds verloren, den der Schweizer empfohlen haben soll.
  • Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen diesen Bankier und weitere Personen wegen Betrugs und Steuerhinterziehung.

Analyse von Klaus Ott

Moskau, Rom, Madrid, London, München, Lissabon, und an diesem Samstag Berlin. Carsten Maschmeyers "Champions-League-Clique", so nennt sich dieser Kreis, kommt viel herum. Der Multimillionär aus Hannover schaut sich Jahr für Jahr gemeinsam mit (Geschäfts-)Freunden das Finale der europäischen Königsklasse an. Während Messi, Ronaldo, Robben oder Ribéry unten mit dem Fußball auf dem Rasen zaubern, plaudert der Finanzstratege oben auf den besseren Plätzen mit seinen Kumpels angeregt über Geld und was sonst noch wichtig ist im Leben. Wer drin ist in dieser Männer-Runde, darf auch bei dem einen oder anderen Deal mitmachen. Mirko Slomka zum Beispiel, ehemaliger Bundesliga-Trainer. Einige Male war auch Maschmeyers Frau mit im Stadion, die Schauspielerin Veronica Ferres ("Schtonk!", "Rossini").

Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann aus Basel

Einer, der drin war, ist wieder draußen. Eric Sarasin, 57, ehedem Privatbankier, ebenso redegewandt und einnehmend wie Maschmeyer, 56. Sarasin stammt aus der Schweiz und war der letzte Vertreter seiner Basler Patrizierfamilie in dem gleichnamigen Geldinstitut, dessen Anfänge bis 1841 zurückreichen. Der Bankier aus Basel betreute vermögende Kunden, auch Maschmeyer, und kam viel herum. Frankfurt, London, Brüssel, Amsterdam, Paris, Athen, Wien, Florenz, wo er mit reichen Klienten parlierte und neue Geschäfte einfädelte. Doch seit gut einem halben Jahr ist das Vergangenheit. Eric Sarasin trat nach einer Razzia als Vizechef von J. Safra Sarasin zurück, wie das Institut inzwischen heißt. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mann aus Basel und viele weitere Beschuldigte; wegen Betrugs und Steuerhinterziehung bei Aktiendeals.

Das hat Eric Sarasin unter anderem einer Strafanzeige von Carsten Maschmeyer zu verdanken. Früher waren die beiden beinahe Kumpels gewesen, wie der niedersächsische Millionär kürzlich Ermittlern des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) erzählte. Diese Zeiten sind vorbei, seitdem der Unternehmer aus Hannover bei einigen von der Bank aus Basel vermittelten Fonds ziemlich draufzahlte. Von 45 bis 55 Millionen Euro, die Maschmeyer zusammen mit Partnern investierte, gingen 11,5 Millionen Euro verloren. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war. Es ist eine sehr spezielle Geschichte zweier früherer Partner, die sich heute erbittert bekämpfen; nach sehr speziellen Geschäften, bei denen der deutsche Fiskus übel ausgenommen worden sein soll.

"Carsten, wir sind Freunde"

Begonnen haben soll die Geschichte mit mehreren Telefonaten im zweiten Halbjahr 2010. Der Schweizer Bankier soll seinem deutschen Großkunden eine sehr attraktive und sichere Geldanlage empfohlen haben. Dividendenfonds. Das sei lupenrein, da könne nichts passieren. "Carsten, wir sind Freunde", habe Sarasin gesagt. So steht es in Maschmeyers Strafanzeige. Und so hat es der Geldstratege aus Hannover als Zeuge auch den Ermittlern des LKA in Düsseldorf berichtet. Die Kriminaler wollten wissen, wer welche Deals zulasten des Fiskus gemacht habe, und wie. Maschmeyer sagte stundenlang aus. Auch über seine frühere Firma, den Finanzvertrieb Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD), mit dem er zum vielfachen Millionär geworden war.

Manche der bis zu zwei Millionen Kunden hingegen hatten viel Geld verloren. Verbraucherschützer warfen Maschmeyer vor, wie ein Drücker und Finanzhai agiert zu haben. Der AWD habe mit falschen Versprechungen riskante Anlagen verkauft. Das stimme nicht, entgegnete der Unternehmer stets. Der AWD hatte auch Kunden in der Schweiz und nutze für seine Geschäfte dort auch das Institut Sarasin. Nach zehn Jahren Partnerschaft erhielt Maschmeyer von der Basler Bank eine goldene Tischuhr. Später vergoldete der Tausendsassa, der immer die Nähe zu führenden Politikern wie Gerhard Schröder oder Christian Wulff und zum Fußball suchte, seine AWD-Anteile. Wieder etwas später griff Maschmeyer zu, als Eric Sarasin und seine Schweizer Bank eine besondere Geldanlage mit hoher Rendite offerierten.

Worum es dabei ging, davon hatte der deutsche Investor nach eigener Darstellung keine Ahnung. Er sei ja kein Finanzprofi gewesen, erzählte der Mann aus Hannover den Düsseldorfer Ermittlern. Sondern nur ein sehr guter Verkäufer von Versicherungen, Bausparverträgen und anderen Anlagen. Er habe nie mit Aktien spekuliert, und bei Firmen-Beteiligungen lese er noch nicht mal die Verträge. Seine Mitarbeiter markierten die Seiten, auf denen er unterschreiben solle, gab Maschmeyer zum Besten. Menschen, Kommunikation, Motivation, das sei seine Stärke. Eric Sarasin kennt ihn ganz anders. Maschmeyer sei einer der erfahrensten Investoren in Deutschland, hat Sarasins Kölner Anwalt Björn Gercke der dortigen Staatsanwaltschaft geschrieben. Es sei "völlig lebensfern", dass der Geldexperte aufgrund einer guten Bekanntschaft zu einem Bankier so viele Millionen Euro in Fonds stecke, ohne sich genau zu informieren und dieses Finanzprodukt "auf Herz und Nieren" zu testen. Maschmeyer habe gewusst, dass er sich auf Risiken einlasse. Er habe die Schweizer Banken als langweilig bezeichnet und Eric Sarasin gefragt, ob der nicht mal "was richtig Geiles" hätte. So steht es in einem Schriftsatz, mit dem Anwalt Gercke seinen Mandanten Sarasin bei der Staatsanwaltschaft verteidigt.

Auch Veronica Ferres machte sich Sorgen

Geil war das schon, was die Bank aus Basel offerierte. Bis zu zwölf Prozent Profit in einer Zeit, in der normale Anlagen nicht viel mehr als einen Inflationsausgleich abwarfen. Maschmeyer investierte eigenes Geld sowie Vermögen anderer und wunderte sich hinterher, als dritte und letzte Fonds keine Gewinne brachten, sondern im Minus verharrten. Auch Veronica Ferres, die Frau an Maschmeyers Seite, fing an, sich Sorgen zu machen. Die Schauspielerin soll Eric Sarasin bei den Endspielen der Champions League 2011 in Rom und 2012 in München auf die Fonds angesprochen haben.

Während sich unten in der Münchner Arena ein Drama abspielte, als der FC Bayern im eigenen Stadion den Titel verpasste, hat oben auf den teuren Rängen der Schweizer Privatbankier seiner prominenten Klientin aus Deutschland angeblich versichert, sie müsse sich keine Sorgen machen. Es sei nicht so schlimm, wenn das Geld später komme, dafür würden es ein paar Prozent mehr werden. So hat es Maschmeyer dem LKA geschildert. Er will nach und nach herausgefunden haben, welche Art von Aktiendeals die von Sarasin vermittelten Fonds betrieben hätten. Es soll darum gegangen sein, sich beim Handel von Papieren mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten zu lassen. Doch irgendwann durchschaute der Fiskus dieses Spiel und zahlte nichts mehr aus. Der staatliche Geldfluss versiegte, die Fonds saßen plötzlich auf dem Trockenen. Und mit ihnen Anleger wie Maschmeyer. Der fühlte sich betrogen, erstattete Strafanzeige und versicherte dem LKA, er habe von dem üblen Spiel auf Kosten des Fiskus keine Ahnung gehabt.

Die Ermittler fragten Maschmeyer, ob der sich als steuerlicher Laie bezeichnen würde. Der Unternehmer antwortete, sein Steuerberater würde zustimmend schmunzeln. Danach wurde der Investor wieder ernst und beteuerte, er wäre niemals bei den Fonds eingestiegen, wenn er gewusst hätte, dass es sich um eine "heiße Kiste" handele. Er wolle sein Image nicht durch umstrittene Steuertricks beschädigen, sagte Maschmeyer. Er hatte sogar elektronisch gespeicherte Unterlagen mitgebracht, um alles genau zu dokumentieren. Die Dateien wurden von einem Laptop auf einen USB-Stick des LKA übertragen.

Das größte Verfahren rund um Cum-Ex-Deals

Die Kriminaler verdächtigen mehr als 30 Banker, Fondsbetreiber und Steueranwälte, eine "Bande" gebildet und den Fiskus und Kapitalanleger wie Maschmeyer betrogen zu haben. Es ist das größte Verfahren rund um Cum-Ex-Deals, bei denen der deutsche Staat und seine Bürger um insgesamt weit mehr als zehn Milliarden Euro erleichtert worden sein sollen. Auch von Eric Sarasin? Der weist das zurück. Über seinen Anwalt erklärte er, die Vorwürfe gegen ihn seien falsch, die Aktiengeschäfte seien nach Ansicht führender Juristen legal gewesen, und Maschmeyer sei von der Bank sehr wohl über die Risiken aufgeklärt worden. Der Investor aus Hannover habe Mitte 2012 von dem Basler Institut sogar eine Bestätigung haben wollen, dass er die Anteile aus den erwarteten Steuererstattungen bekomme, sobald das Geld da sei. Das steht alles im Schriftsatz von Sarasins Anwalt Gercke. Seine Eingabe bei der Kölner Staatsanwaltschaft gipfelt in der Bemerkung, Maschmeyer sei weit davon entfernt, einen einwandfreien Leumund zu haben.

Herzlichste Grüße von Maschmeyer: Als Freund hoffe er, "dass die Sache nicht eskaliert"

Noch Anfang 2013 hatte der Schweizer Privatbankier dem "lieben Carsten" beste Grüße geschickt und ihm, seiner Veronica und der ganzen Familie "alles Gute, Gesundheit und Erfolg im neuen Jahr" gewünscht. Zuvor hatte Carsten dem "lieben Eric" geschrieben, "hoffentlich hattest Du mit Deinen Lieben schöne Weihnachtstage und einen guten Rutsch". Doch dann kam Maschmeyer gleich zur Sache. "Für das neue Jahr wünsche ich uns, dass die 13 Glück bringt." Das Problem mit den nicht eingehaltenen Fonds-Versprechen möge geheilt werden. "Nach wie vor hoffe ich, als Dein Freund, dass die Sache nicht eskaliert . . . Herzlichst Dein Carsten."

Nichts wurde damals geheilt, nun wird abgerechnet, auf beiden Seiten. Bei seiner Zeugenvernehmung äußerte Maschmeyer die Vermutung, Banker und Fondsbetreiber hätten sich auf Kosten der Kapitalanleger die Taschen vollgestopft, mit Provisionen in zweistelliger Millionenhöhe. Jetzt versteht, anders als früher, keiner mehr Spaß. Vor wenigen Jahren versicherte Sarasin in einer SMS an Maschmeyer, es gebe immer noch zwölf Prozent Rendite, und versprach, dafür zu sorgen, "dass diese Summen . . . zurückkommen." Carsten solle für sich und Veronica schon mal zwei Termine notieren, bei denen es Anlass zum Feiern gebe. "Wie immer bei mir und dann zum Italiener per Schiff!!! Herzlich, Eric". Maschmeyer sagte zu. Und fügte hinzu, ein Mitarbeiter Sarasins rede von 25 Prozent Rendite. "In Verbundenheit - dein Carsten." Sarasin reagierte prompt. "Klar, sorry, wollte die Hälfte für mich einsacken."

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Quelle:
SZ vom 05.06.2015/pwe
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