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Ex-VW-Chef Carl Hahn ist heute 95 Jahre alt, und er sagt: "Das Thema frühkindliche Bildung ist meine Herzensangelegenheit." (Foto: Jochen Lübke/dpa)

Carl Hahn war mal VW-Chef, aber das ist sehr lange her. Heute setzt sich der 95-Jährige dafür ein, dass schon Kleinkinder Fremdsprachen lernen.

Von Thomas Fromm, München

Mit der Erinnerung an frühere Granden des VW-Konzerns ist das so eine Sache. An Ferdinand Piëch erinnert man sich heute noch als den Konzernpatriarchen par excellence. Als er vor zwei Jahren starb, war das irgendwie das Ende einer Epoche. Gut, da war noch Martin Winterkorn, VW-Chef von 2007 bis 2015, aber der musste im Zuge der Dieselaffäre abtreten. Für die Besetzung einer späteren Patriarchenrolle war er zuletzt also nur bedingt tauglich. Der große Prozess um den Abgasbetrug musste jetzt ohne ihn starten, der 74-Jährige hat Probleme mit der Hüfte. Möglich, dass man sich an Winterkorn als an den VW-Chef erinnern wird, der im entscheidenden Moment krankgeschrieben war.

Aus jüngerer Zeit wären noch die Ex-VW-Chefs Bernd Pischetsrieder und Matthias Müller zu nennen, an beide wird man sich möglicherweise irgendwann aber gar nicht mehr erinnern.

Und dann ist da noch einer, der schon vor Piëch da war und immer noch da ist. Carl Hahn, VW-Chef von 1982 bis 1993, ist heute 95 Jahre alt. In Wolfsburg erinnert man sich an ihn als denjenigen, unter dem VW zu einem internationalen Konzern wurde. Klar, Studium in Frankreich, Italien, Großbritannien und der Schweiz, frühe Europareisen mit seinem Motorrad, einer DKW RT 125 - so etwas prägt. Seit 2009 ist er Namensgeber der "Saxony International School Carl Hahn" im sächsischen Glauchau, einer Schule, die sich Weltoffenheit und Fremdsprachenkenntnisse ins Programm geschrieben hat. Womit man wieder beim früheren VW-Chef wäre, der möglicherweise immer noch mehr zu einer aktuellen Diskussion beiträgt als andere frühere Top-Manager.

Das Thema: Warum jedes Kind schon in der Kita zweisprachig aufwachsen sollte

Am Montag sitzt Hahn zusammen mit Bildungsexperten auf einem Podium, und es geht nicht um E-Autos, nicht um den chinesischen Markt und schon gar nicht um Dieselmotoren. Aber irgendwie geht es dann doch um alles. Denn das Thema heute lautet: Warum jedes Kind schon in der Kita zweisprachig aufwachsen sollte.

"Das Thema frühkindliche Bildung ist meine Herzensangelegenheit, weil es aus meiner Sicht ein wichtiges Thema für die Zukunft Deutschlands ist", sagt Hahn. Langsam und besonnen liest er seinen Eröffnungstext für das folgende Podium vor, er trägt dunkles Jackett, blaues Hemd und Krawatte. Alte Schule.

"Ich bin mir sicher, Sie werden ihren Zeitaufwand nicht bereuen", sagt er. Sein Anliegen: Kinder könnten Fremdsprachen am leichtesten zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr lernen, spielerisch, quasi automatisch und mit einer "unvorstellbaren Geschwindigkeit". Dies habe die Natur so vorgesehen. Warum dann also warten, bis sie einige Jahre älter sind? Möglich sei vieles, gerne auch muttersprachliche Lehrerinnen und Lehrer, die kein Deutsch sprechen müssen. "Mit relativ geringen Investitionen können wir unseren heutigen und zukünftigen Bürgern ein glücklicheres, ja sogar längeres und gesünderes, intelligenteres Leben ermöglichen", sagt Hahn. Und natürlich geht es ihm nicht nur um die Sprachkenntnisse an sich.

Denn da ist er dann wieder, der Manager, Stratege und frühere Autokonzern-Internationalisierer: "Als langjährigem Volkswagen-Chef ist mir klar: Wir können in der Welt nur erfolgreich mit den besten Mitarbeitern sein, denn die Konkurrenz schläft nicht und wird täglich größer." Mit mehr Fremdsprachen für mehr wirtschaftliche Dynamik und ein höheres Bruttoinlandsprodukt. Und: "Mündigere Bürger, die auch komplexe Themen verstehen und sich nicht nur durch Fake News beeinflussen lassen." Dann ist die Vorrede vorbei, jetzt sind die Experten dran. Nach einer knappen Stunde bedankt sich die Moderatorin, und Hahn trommelt mit der Hand auf den Tisch. Applaus.

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