Nach Corona:Ewig lockt der Kastenwagen

Camper demonstrieren für Öffnung der Campingplätze

Im April protestierten Camper noch für eine Öffnung der Stellplätze. Mittlerweile erlebt die Branche ein weiteres Rekordjahr.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Eine Frage, eine Antwort: Sind die Menschen in Deutschland schon Camping-müde?

Von Benedikt Müller-Arnold

Nach oben scheint es keine Grenze zu geben. Wer dieser Tage den Caravan-Salon in Düsseldorf besucht, kann zwar die kugeligen Mini-Anhänger oder ausgebauten Kastenwagen besichtigen, die als besonders hip und praktisch gelten. Man kann freilich auch über zwölf Meter lange "Motor-Homes" den Kopf schütteln, die auf dem Fahrgestell eines Lkw daherkommen, mit selbsternanntem "Jacht-Design" im Inneren.

Fest steht, dass sich Camping schrittweise vom spießigen Image emanzipiert, das eine Fernsehserie einst aufs Korn nahm. "Das Interesse an unserer Urlaubsform ist so groß wie nie", sagt Hermann Pfaff, Präsident des Caravaning-Industrieverbands (CIVD). Von Januar bis Juli 2021 wurden in Deutschland knapp 75 000 Freizeitfahrzeuge neu zugelassen. Das waren sechs Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, als viele Menschen krisenbedingt begannen, die Art des Reisens zu überdenken. "Es sind zudem bereits mehr als im gesamten Jahr 2018", sagt Pfaff, im Hauptberuf für den Marktführer Hymer tätig.

Die Branche hofft, dass sie in diesem Jahr insgesamt 120 000 Hütten auf Rädern verkaufen könnte, es wäre ein Rekord. Doch auch das Caravaning spürt allgemeine Probleme der Autoindustrie: Halbleiter sind weltweit knapp und teuer, Reisemobil-Hersteller warten zuweilen auf Fahrgestelle oder Fensterscheiben. Die Branche könne "die weiterhin sehr hohe Nachfrage teilweise nicht bedienen", gesteht CIVD-Geschäftsführer Daniel Onggowinarso.

Höhere Preise, längere Lieferzeiten

Die Ursachen sind vielfältig: Viele Industrien haben sich schneller von der Corona-Krise erholt, als Fachleute das erwartet hatten. In der weltweiten Logistik sind noch immer weniger Flugzeuge unterwegs, Häfen mussten zeitweise schließen. Und Unwetter bremsten exportorientierte Industrien aus, etwa in den USA.

Für Reisemobil-Interessierte bedeutet das: "Die Preise ziehen an", so Onggowinarso, "weil die Lieferketten uns höhere Preise vordiktieren". Auch Wartezeiten seien länger geworden. Hinzu kommt, dass die Zahl der Campingplätze in den vergangenen Jahren zwar gestiegen sei. Die Kapazitäten "können aber nicht mit dem Wachstum des Fahrzeugbestands mithalten", moniert Pfaff.

In Orderbüchern von Herstellern staut es sich derweil. Beispielsweise meldete Knaus Tabbert jüngst einen Auftragsbestand von 36 000 Fahrzeugen, fast doppelt so viel wie zu Jahresbeginn. Ohne die Einschränkungen entlang der Lieferketten hätte die niederbayerische Firma nach eigenem Bekunden noch mehr verdienen können. Daher will Knaus Tabbert die Produktionskapazitäten ausbauen.

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