Luxusimmobilie:Großes Ego gesucht

Luxusimmobilie: Den Schlüssel zum Casino dell´Aurora besitzt die Fürstin Rita Jenrette aus Texas.

Den Schlüssel zum Casino dell´Aurora besitzt die Fürstin Rita Jenrette aus Texas.

(Foto: Gregorio Borgia/AP)

In Rom kommt bei der "Versteigerung des Jahrhunderts" eine Fürsten-Villa mit einem Caravaggio unter den Hammer. Der Haken: Anfangen lässt sich mit der Residenz nicht viel.

Von Ulrike Sauer, Rom

Der Stoff taugt als Romanvorlage. Da ist die blonde, langhaarige Amerikanerin, die früher als Cover-Girl für den Playboy Modell stand. Da ist ihr 2018 verstorbener Gatte, der italienische Fürst Nicolò Boncompagni Ludovisi, Nachfahre von zwei Päpsten und verschuldeter Spross einer römischen Adelsfamilie. Da sind seine drei Kinder aus erster Ehe - und ein Streit, der in dieser Dynastie um das Erbe entbrannt ist. Im Mittelpunkt steht eine Residenz aus dem Jahr 1570 im Herzen Roms. Genauer gesagt geht es um ein Deckengemälde dort, das einzige von Caravaggio, dem rüpelhaften, aber begehrten Superstar der Barockzeit. Den Schlüssel zur Villa besitzt sie: die Fürstin Rita Jenrette aus Texas.

Das ist der Plot, wenn am Dienstag das besagte Anwesen unter den Hammer kommt. Um 15 Uhr beginnt auf Anordnung eines römischen Gerichts die Online-Auktion, der man im Kreis der Reichsten der Welt als "Versteigerung des Jahrhunderts" entgegensieht. Auktionsbasis für das Casino dell´Aurora, das kleine Landhaus der Morgenröte: 471 Millionen Euro. Der Quadratmeterpreis beträgt 168 214 Euro - wohl ein Weltrekord.

Der Immobilienmarkt bringt ja überall bisweilen kuriose Geschichten hervor. Diese hier kann sich nur in Rom zutragen.

Das liegt nicht allein an den Protagonisten. Es hat mit dem Geist des Ortes auf der kleinen Anhöhe zwischen Via Veneto, dem Pincio-Hügel und dem Stadtpark Villa Borghese zu tun. Hier stand einmal ein Haus von Julius Caesar und nun dieses feudale Objekt. Unter den Gewölbedecken prangen neben dem Unikat von Caravaggio, der sonst ausschließlich auf Leinwand gemalt hat, insgesamt 600 Quadratmeter Fresken von Guercino und anderen Meistern des 17. Jahrhunderts. Die Prachtentfaltung diente der päpstlichen Nepotenfamilie im "Goldenen Zeitalter" Roms dazu, sich im Wettkampf mit der Konkurrenz zu profilieren. Auch hat man vom Turmzimmer und den beiden Dachterrassen aus einen Panoramablick über die Stadt. Schließlich umschließen 6000 Quadratmeter Garten mit altem Baumbestand und Statuen die Villa. Wie viel ist so etwas wert? Ist es überhaupt bezahlbar?

Kulturliebhaber machen gegen die Versteigerung mit einer Online-Petition mobil

Seit zwei Monaten erregen sich darüber die Gemüter, nicht nur am Kunstmarkt und unter Maklern von High-End-Immobilien. In Italien machen Kulturliebhaber gegen die Versteigerung der Villa mobil: "Verhindern wir, dass ein weiteres Stück Italien verkauft wird", lautet ihr Aufruf. Mit einer Online-Petition sammelten sie 35000 Unterschriften. Man verlangt, dass der Staat einspringt und das Casino dell`Aurora übernimmt. Das Geld dafür soll aus Brüssel kommen: "Verwenden wir europäische Mittel aus dem Wiederaufbaufonds, um ein Erbe zu schützen, das uns gehört!"

Es ist eine unsinnige Idee, denn der Regierungsplan für die Verwendung der Corona-Hilfsgelder in Höhe von 191 Milliarden Euro ist bereits im vergangenen Herbst abgeschickt und von der EU-Kommission genehmigt worden. Bleibt noch der italienische Staat. Doch würde der Wert der Villa, den der Kunsthistoriker Alessandro Zuccari im Auftrag des Gerichts auf 471 Millionen Euro geschätzt hat, bei weitem die Mittel des römischen Ministeriums für Kulturgüter übersteigen: Die Summe entspricht einem Viertel des Jahresbudgets von Kulturminister Dario Franceschini. Er hat sich darum an Premier Mario Draghi und an Finanzminister Daniele Franco gewandt. Denn der Staat besitzt ein Vorkaufsrecht.

Doch bis das überhaupt geltend gemacht werden kann, dauert es. In jedem Fall muss zunächst ein privater Käufer für das Domizil in bester Lage gefunden werden. Erst dann könnte Italien dem Krösus das Anwesen zum festgesetzten Kaufpreis wegschnappen. Das Gericht ließ 20000 finanzkräftige Investoren anschreiben. Wer aber gibt knapp eine halbe Milliarde Euro aus, um den eigenen Namen ins römische Grundbuch einzutragen?

Luxusimmobilie: Unter den Gewölbedecken der Fürstenvilla prangen neben dem Unikat von Caravaggio insgesamt 600 Quadratmeter Fresken von Guercino und anderen Meistern des 17. Jahrhunderts.

Unter den Gewölbedecken der Fürstenvilla prangen neben dem Unikat von Caravaggio insgesamt 600 Quadratmeter Fresken von Guercino und anderen Meistern des 17. Jahrhunderts.

(Foto: Ivan Vdovin/mauritius images)

Mit seinen 2800 Quadratmetern ist die Villa nicht nur verhältnismäßig klein. Man kann auch nicht viel mit ihr anfangen. Das Casino dell'Aurora steht natürlich unter Denkmalschutz und unterliegt damit strengen Auflagen der Aufsichtsbehörden: Das Gebäude darf in keiner Weise verändert werden. Dass ein chinesischer oder arabischer Großinvestor den Kunsttempel in eine Luxusherberge verwandelt, ist deshalb kaum anzunehmen. Dass französische Luxuskonzerne auftrumpfen, die sich auf ihren Beutezügen in Italien bereits reihenweise exklusive Modelabel gegriffen haben, ist auch unwahrscheinlich. Die Zwangsversteigerer müssen schon jemanden finden, der sich die Villa mit dem Caravaggio aus Prestigegründen leistet. Das wäre dann wiederum nichts Neues. Vor 400 Jahren handelten die aufstrebenden Papstverwandten aus dem Geschlecht der Ludovisi aus demselben Antrieb: Ihr Kunstsinn diente der Selbstdarstellung und der Aufwertung ihres Status.

Auf den Wirkungsdrang von Ludovico Ludovisi ging auch die Anlage einer 35 Hektar großen Parklandschaft mit Palästen, Tempeln und Statuen zurück - darunter das besagte Casino. "I've never seen anything so beautiful", staunte der Schriftsteller Henry James mehr als 200 Jahre später beim Anblick der Villa Ludovisi. 1885 begann die Zerstörung des Ensembles: Die Eigentümer zerstückelten den Besitz und verkauften die Grundstücke an Immobiliengesellschaften, die das elegante Viertel Ludovisi und die breite Flaniermeile Via Veneto bauten. Kritiker geißeln dies als die "Mutter aller Bauspekulationen" in der neuen Hauptstadt Italiens. Überlebt hat die Transformation nur das Casino dell´Aurora. Es wurde in eine ummauerte Enklave mit einer eleganten Auffahrt umgewandelt.

Der Niedergang der Familie nahm aber seinen Lauf. Als Nicolò Boncompagni Ludovisi am 8. März 2018 starb, hinterließ er seinen Nachfahren Schulden und das längst gepfändete Casino. Da es sich kein Mitglied der zerstrittenen Sippe leisten konnte, die Zwangsvollstreckungen abzuwenden, ordnete das Gericht die Versteigerung an.

Wer mitbieten will, muss vorab ein Zehntel seines Gebots auf ein Sperrkonto überweisen

Nur: Ist das alte Herrenhaus der Morgenröte mit 471 Millionen Euro korrekt bewertet? Über diese Frage wird in Italien seit Wochen debattiert. Mit 432 Millionen Euro entfällt der Großteil der astronomischen Summe auf die Fresken und Wandmalereien der Immobilie. Allein das Deckengemälde von Caravaggio wurde auf 310 Millionen Euro geschätzt. Für die Mailänder Fachanwältin Gloria Gatti stellt sich die Frage: Wird hier ein Caravaggio feilgeboten, der in einer restaurierungsbedürftigen Immobilie gefangen ist - oder eine Villa mit Caravaggio?

Der Barockkünstler war 26 Jahre alt, als ihn sein Mäzen 1597 mit der Dekoration des alchemistischen Kabinetts im Casino beauftragte. In Ölfarben malte er die drei Götter Jupiter, Pluto und Neptun mit der Erdkugel in der Mitte auf den Deckenputz. Alle drei tragen die Züge Caravaggios. Ins Auge sticht das entblößte Geschlecht des Meeresgottes. Einen Markt hat das Werk allerdings nicht. Es kann, wie auch die Fresken des Guercino, nicht aus dem Casino entfernt werden. Der Kunsthistoriker Tomaso Montanari spricht deshalb von einer "absurden Schätzung". Man täte ja so, als ob die Meisterwerke in London gehandelt werden können.

Ab Dienstag hat der Markt das Wort. In Rom geht die Suche nach einem Interessenten mit großem Ego in die erste Runde. Die Höhe der Mindestofferte beträgt 353 Millionen Euro. Wer mitbieten will, muss vorab ein Zehntel seines Gebots auf ein Sperrkonto überweisen. Immerhin 35 Millionen Euro.

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