Luftfahrt:Wie ein Start-up das Fliegen nachhaltig machen will

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Bald soll die Produktion des neuen Treibstoffs bei Caphenia losgehen. Ein Kran hebt den Kessel in ein Stahlkonstrukt. (Foto: oh/Caphenia)

Die Frankfurter Firma Caphenia will nachhaltige Treibstoffe entwickeln. Doch immer wieder stand die Finanzierung auf der Kippe, auch wegen der Lufthansa.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Mark Misselhorn schaut andächtig zu, wie der große Kran den Kessel in die Stahlkonstruktion hebt. Kurz bevor das schwere Bauteil in seine Verankerung manövriert ist, muss noch einmal ein Teil des Gerüsts herausgeschraubt werden, denn es ist ganz schön eng und jetzt soll wirklich nichts mehr schiefgehen. „Was man hier nicht sieht, ist die Menge an Herzblut, die in den letzten 13 Jahren in dieses Projekt geflossen ist“, sagt Misselhorn.

Der Kessel, ein sogenannter Zonenreaktor, ist das Kernstück einer neuen Anlage, die Misselhorns Start-up Caphenia am Rande des riesigen Chemieparks in Frankfurt-Höchst baut. Die kleine Raffinerie soll von 2025 an zeigen, wie es möglich ist, nachhaltigen Treibstoff für die Luftfahrt herzustellen und die Wende zum nachhaltigen Fliegen zu schaffen. Misselhorn ist überzeugt davon, dass die Technologie funktioniert. Doch die Geschichte von Caphenia zeigt, welche Hürden sich bei der Transformation des Luftverkehrs weiterhin auftun – auch selbstgebaute.

Die Luftfahrt ist derzeit für rund drei Prozent des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich. Der Sektor hat sich vorgenommen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Den größten Effekt, nämlich etwa zwei Drittel, erhoffen sich Fluggesellschaften und Hersteller von den sogenannten nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Aus einer Vielzahl von Quellen – Biomasse, Haushaltsabfällen und synthetisch hergestellt – soll Treibstoff produziert werden, der das fossile Kerosin ersetzt. Der Vorteil: SAF kann von den heute gebauten Flugzeugen verwendet werden, während für Wasserstoff- und Elektroantriebe ganz neue Modelle entwickelt werden müssten. Mit relativ geringen Veränderungen könnten die aktuellen Motoren sogar ausschließlich mit SAF fliegen, wenn es nur genug davon geben würde.

Doch der äußerst mühsame Aufbau einer Industrie, die SAF in den nötigen Mengen produzieren kann, lässt schon jetzt viele in der Luftfahrt zweifeln, dass die Ziele erreicht werden können. Die International Air Transport Association (IATA) geht zwar davon aus, dass 2024 dreimal so viel nachhaltiger Treibstoff zur Verfügung steht wie im Vorjahr. Doch das reicht immer noch nur für rund 0,5 Prozent des gesamten Verbrauches. Das Weltwirtschaftsforum rechnete in einer Studie jüngst vor, dass derzeit geplante Projekte nur rund 30 bis 40 Prozent des Volumens abdecken, das die Branche bis 2030 erreichen will. Das liege an technologischen Risiken und verunsicherten Investoren. In der Folge fehlt das nötige Geld.

Die Wahrheit ist auch: Die großen Ölkonzerne haben kaum Interesse daran, sich am schnellen Wachstum der SAF-Industrie zu beteiligen, schließlich ist das Ölgeschäft viel profitabler. Und die Fluggesellschaften investieren viel Zeit und Energie, politische Vorgaben zu bekämpfen. Sie verweisen auf ihre eigenen geringen Gewinnmargen, die sie daran hinderten, selbst Geld in die Hand zu nehmen und den schwierigen Start einer neuen Branche zu finanzieren.

Caphenia versucht es trotzdem. In dem Reaktor, der in Höchst installiert wird, soll in drei chemischen Reaktionen ein Synthesegas hergestellt werden, das anschließend im sogenannten Fischer-Tropsch-Verfahren in Treibstoff umgewandelt wird. Die Anlage wird anfangs nur etwa 500 Tonnen pro Jahr produzieren, das reicht vielleicht für drei Hin- und Rückflüge vom nahen Frankurter Flughafen nach New York. Aber zunächst geht es Caphenia nur darum zu beweisen, dass die Technologie funktioniert. Später sollen Anlagen folgen, die bis zu 50 000 Tonnen pro Jahr schaffen. Drei weitere sind für deutsche Standorte vorgesehen, und es gibt Vorverträge für zehn solcher Anlagen in Asien.

Erst hatte die Lufthansa Interesse, dann sprang sie ab

Misselhorn hatte einen Vorläufer von Caphenia 2011 gegründet, die Jahre seither waren ein ständiges Auf und Ab, obwohl der Bedarf an SAF unbestritten ist. 2012 etwa startete die mächtige Lufthansa unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz eine Kooperation mit Caphenia, um die Technologie weiterzuentwickeln. Lufthansa hätte also eine Vorreiterrolle in der Transformation der Luftfahrt einnehmen können. Doch 2017 beendete die deutsche Fluggesellschaft unter Franz-Nachfolger Carsten Spohr die Kooperation. Air Berlin war gerade pleitegegangen und der Fokus lag darauf, den deutschen Markt gegenüber Konkurrenten wie Ryanair und Easyjet abzusichern.

Caphenia stand vor dem Aus. Doch eine Reihe von Lufthanseaten, denen der neue Kurs nicht passte, investierte ihr eigenes Geld. Mit dabei waren Franz selbst, die ehemalige Finanzchefin Simone Menne und Kay Kratky, der im Airline-Vorstand für den Flugbetrieb zuständig war. Auch Peter Gerber, damals für die Lufthansa tätig und heute Chef des Ferienfliegers Condor, beteiligte sich an dem Unternehmen. 2023 kamen Amadeus Ventures und die eFuel GmbH, ein Zusammenschluss von mittelständischen Tankstellenbetreibern, hinzu. Und ausgerechnet Condor, der kleine Lufthansa-Konkurrent aus Frankfurt, unterschrieb zuletzt eine langjährige Abnahmeverpflichtung für den Caphenia-Treibstoff. Es kann also erst einmal weitergehen.

Und es muss, denn weltweit schreiben immer mehr Länder Mindestmengen vor, die die Airlines abnehmen müssen. Singapur etwa verpflichtet die Airlines, bei jedem Abflug vom Changi-Airport von 2026 an ein Prozent SAF beizumischen. 2030 sollen es fünf Prozent sein. Die Europäische Union gibt dann schon sechs Prozent vor, Großbritannien, Japan und Australien zehn Prozent. Vieles ist noch unklar: Wer zahlt die Strafen, wenn die Quoten nicht erreicht werden? Kann das Geld für neue SAF-Projekte verwendet werden, um die Luftfahrt doch noch schneller nachhaltig zu machen? Auch solche Fragen machen es Investoren schwer, die Risiken und Chancen des Sektors richtig einzuschätzen. „Die Finanzierung ist immer noch die größte Hürde“, sagt Caphenia-Beiratschef Kratky.

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