Süddeutsche Zeitung

Cannabis-Konsum:Die Frau, die Kiffen salonfähig machen will

  • Im US-Bundesstaat boomt das Geschäft mit Cannabis, seit die Droge zum 1. Januar 2014 legalisiert wurde.
  • Die Unternehmerin Jane West will das Schmuddel-Image vom Kiffer wandeln. Cannabis-Konsum soll salonfähig werden.
  • Mit einem Frauen-Netzwerk will sie zudem die Macht der Männer im Geschäft brechen. Ableger gibt es bereits in 21 US-Städten.

Von Matthias Kolb, Denver

Jane West weiß genau, dass gerade die halbe Welt nach Colorado blickt. Cannabis-Freunde in Nordamerika feiern in diesen Tagen ihre Lieblingsdroge und fordern deren Legalisierung. Die größte Party mit etwa 40 000 Teilnehmern stieg am Wochenende in Denver, der Metropole im Zentrum jenes US-Bundesstaats, der zum 1. Januar vergangenen Jahres allen über 21-Jährigen den Marihuana-Konsum auch zu Vergnügungszwecken erlaubt. Damit begann eins der größten Experimente in der US-Gesellschaft.

Seither herrscht in Colorado Goldgräberstimmung, denn Cannabis gilt als "die nächste Milliarden-Industrie". Auch Jane West lebt in Denver, und die 38-Jährige will nicht nur am neuen Boom mitverdienen, sondern auch ihrer Branche ein positiveres Image verpassen. "Die Leute, die zum 20. April in den Straßen Party machen, sind nur ein geringer Teil der Leute, die Cannabis mögen", sagt West. Viele Medien würden ihre Berichte noch immer mit Bildern von Studenten mit Kapuzenpullis und Rastazöpfen illustrieren, klagt West. Dabei konsumieren auch Lehrer, Anwälte, Designer oder Geschäftsleute Cannabis, wenn die Arbeit vorbei ist und die Kinder im Bett sind.

Ein Frauen-Netzwerk soll die Macht der Männer im Business brechen

West gehört genau in diese Gruppe: Sie hat acht Jahre lang für eine großen Agentur Veranstaltungen für Konzerne und die US-Regierung organisiert. 2013 startete sie mit "Edible Events" ihr eigenes Unternehmen, das auf Events rund um Cannabis spezialisiert ist. Und natürlich kennt sie den Hintergrund des Feiertags der Szene, der " 4/20" genannt wird: Anfang der Siebzigerjahre trafen sich einige Kiffer stets um 16 Uhr 20 an einer kalifornischen High School - und da in den USA bei der Datumsangabe der Monat vor dem Tag genannt, wurde der 20. April zum jährlichen Kiffer-Festtag erklärt.

Im August 2014 gründete Jane West mit einer Partnerin das Unternehmerinnen-Netzwerk Women Grow. "Amerikas Cannabis-Industrie wird von weißen Männern dominiert. Sie haben 90 Prozent der Lizenzen bekommen", sagt West. Frauen stünden vor dem gleichen Problem wie Latinos und Afroamerikaner: Ihnen fehlt oft der Zugang zu Kapital. Women Grow will deswegen möglichst viele Frauen vernetzen, damit sie Erfahrungen austauschen und kooperieren können. Zudem halten auch oft Experten Vorträge zu diversen Themen. Mittlerweile treffen sich Gruppen in 21 US-Städten am jeweils ersten Donnerstag im Monat; bis Ende 2015 soll die Zahl auf 50 steigen.

Während ihre beiden Söhne im Garten toben, redet West im Wohnzimmer immer schneller: "Frauen werden als Kundinnen in der Branche unterschätzt. Sie wollen ein anderes Design als Männer, und die Produkte müssen sich anders anfühlen." Wer nicht rauchen wolle, könne etwa einen speziellen Zerstäuber einsetzen, der Cannabis-Dampf im Raum verbreitet - oder einen speziellen Zusatz in die Badewanne geben. Auch Seifen oder Hasch-Trüffel richten sich eher an Frauen als an Männer.

Zur Person

Jane West, 38, gründete 2013 die Firma Edible Events, die auf Veranstaltungen rund um Cannabis spezialisiert ist. Voriges Jahr errichtete sie das Unternehmerinnen-Netzwerk Women Grow.

Die Chancen für Unternehmerinnen, so Wests Überzeugung, sind groß. Und dies liegt nicht nur daran, dass bald weitere US-Bundesstaaten Cannabis-Konsum legalisieren werden. "Mitunter werden nur wenige Lizenzen pro Staat vergeben. Wer hier nicht professionell auftritt und genügend Geld mitbringt, hat kaum Chancen", erklärt West. Sie will zur Professionalisierung beitragen und hofft, dass sich auch Frauen aus verschiedenen Regionen zusammentun. Da sich die Auflagen der Behörden noch ständig ändern, bietet das Netzwerk entsprechende Seminare an.

Bald sollen Women-Grow-Ableger in Berlin und Paris starten

Rein ehrenamtlich agiert "Women Grow" jedoch keineswegs. Die Firma mit fünf Mitarbeiterinnen finanziert sich durch Sponsoren und Ticket-Verkauf. Wer zu einem der monatlichen Treffen kommt, muss zwischen 20 und 30 Dollar bezahlen. "Wir haben bewusst auf ein Modell mit Mitgliedschaft verzichtet und einen niedrigen Betrag gewählt, um niemand abzuschrecken", sagt West. Dies mache es schwer, genaue Zahlen zu nennen, wie viele Frauen Women Grow zählt, doch auf der Mailing-Liste befänden sich 6000 Adressen.

Wenn alles nach Plan läuft, dann wollen Jane West und ihre Mitstreiterinnen auch außerhalb der Vereinigten Staaten wachsen. Bald sollen Women-Grow-Ableger in Berlin und Paris starten. Als sich Angela Brown Burke, die Bürgermeisterin von Jamaicas Hauptstadt Kingston, im März in Denver über die Cannabis-Industrie informierte, stellte West das Konzept des Frauen-Netzwerks persönlich vor. Womöglich ist "Women Grow" bald also an einem Ort aktiv, wo Cannabis ein ganz eigenes Image hat.

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Quelle:
SZ vom 21.04.2015/cmy
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