Nahaufnahme:Von wegen Kiffer

Nahaufnahme: Cannabis als Medizin? "Die Berührungsängste sind deutlich geringer geworden", sagt Gründer Finn Hänsel. "Auch bei der Union."

Cannabis als Medizin? "Die Berührungsängste sind deutlich geringer geworden", sagt Gründer Finn Hänsel. "Auch bei der Union."

(Foto: Normann Posselt/Sanity Group)

Der Unternehmensgründer Finn Hänsel zieht für sein Cannabis-Start-up Sanity Group 35 Millionen Euro an Land - und hat noch große Pläne.

Von Kathrin Konyen, München

Vom Bild des trägen Kiffers ist Finn Hänsel weit entfernt. Im Gegenteil: Mit großer Agilität führt er seit zweieinhalb Jahren gemeinsam mit Fabian Friede das Cannabis-Start-up Sanity Group. Immer wieder zieht der 39-Jährige dabei die Aufmerksamkeit der jungen Branche und darüber hinaus auf sich, etwa mit prominenten Investoren wie dem Fußballer Mario Götze, TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf, dem Model Stefanie Giesinger oder dem amerikanischen Rapper und Musikproduzenten Will.i.am.

Und nun hat er 35 Millionen Euro ergattert, um das Unternehmen weiter nach vorne zu bringen. Damit hat die Sanity Group einen eigenen Rekord überboten. Schon im Februar vergangenen Jahres haben die Berliner in einer Finanzierungsrunde mit 20 Millionen Euro so viel Venture-Kapital eingeholt wie nach eigenen Angaben nie zuvor ein europäisches Cannabis-Unternehmen. Für die neue Finanzierungsrunde konnte Sanity neben Bestandsinvestoren auch neue Geldgeber gewinnen, in erster Linie das schweizerische Venture-Capital-Unternehmen Redalpine.

Doch warum ist ausgerechnet die Sanity Group so interessant für Investoren? Es tummeln sich doch noch eine Menge anderer Firmen auf diesem neuen Markt. "Wir unterscheiden uns von anderen Cannabis-Unternehmen dadurch, dass wir zum einen sehr wissenschaftsorientiert arbeiten und zum anderen unsere Produkte wie ein Tec-Unternehmen denken", sagt Finn Hänsel.

Das Geschäftsmodell der Sanity Group ist dabei recht breit aufgestellt: Im Bereich des medizinischen Cannabis, wie es seit 2017 in Deutschland erlaubt ist, importiert das Start-up Blüten aus dem Ausland und verkauft sie an Apotheken weiter; außerdem engagieren sich die Berliner mit zum Beispiel Therapie-Apps im Bereich der digitalen Gesundheit. Auch im weniger regulierten Verbraucher-Markt ist die Sanity Group unterwegs und profitiert mit Lifestyle-Produkten wie Ölen und Kosmetika vom Cannabis-Hype. Mittlerweile beschäftigt die Sanity Group mehr als 90 Mitarbeiter.

Mit dem neuen Geld will Hänsel nun die Internationalisierung des Geschäfts vorantreiben, vor allem aber auch in Produktion, Forschung und Entwicklung investieren. Auf einem ehemaligen Weingut nahe Frankfurt will die Sanity Group künftig Extrakte aus Cannabisblüten herstellen. "Die Zukunft im medizinischen Bereich sehen wir aber bei Fertigarzneimitteln, also zum Beispiel bei Tabletten mit den Wirkstoffen der Cannabispflanze", sagt Hänsel. Deshalb möchte der Gründer auch einen großen Teil des Geldes in teure klinische Studien stecken.

Dass Sanity erneut eine Finanzierungsrunde so erfolgreich abschließen konnte, liegt sicherlich auch am Erfahrungsschatz von Hänsel: Er hat schon die Geschäfte von Rocket Internet in Australien geführt, das Umzugsunternehmen Movinga gerettet und sich in der Berliner Start-up-Szene einen Namen gemacht. Anfang Mai wurde er vom Bundesverband Deutsche Startups als "Gründer des Jahres" ausgezeichnet.

Im laufenden Jahr plant Hänsel mit einem Umsatz von bis zu 30 Millionen Euro, jeweils zur Hälfte im medizinischen und im Wellbeing-Bereich. Statt nun erst mal die Beine hochzulegen, macht er sich aber auch schon Gedanken über künftige Finanzierungen. "Der Börsengang ist sicher eine der attraktivsten Möglichkeiten", sagt er. Noch brauche die Sanity Group zwar Zeit, um in einen Börsengang reinzuwachsen, in ein bis zwei Jahren könnte es aber so weit sein. Bis dahin haben sich eventuell auch die äußeren Umstände in Deutschland geändert. Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst rechnet CDU-Mitglied Hänsel fest mit Erleichterungen, vor allem im medizinischen Bereich: "Die Berührungsängste sind deutlich geringer geworden. Auch bei der Union."

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