Cannabis:Blüten und Razzien

Cannabis: Das Hanfhaus in Berlin verkauft wie viele solcher Läden nicht nur Tees, sondern auch Textilien, Kosmetik und Nahrungsmittel. Darüber, was legal verkauft werden darf, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Das Hanfhaus in Berlin verkauft wie viele solcher Läden nicht nur Tees, sondern auch Textilien, Kosmetik und Nahrungsmittel. Darüber, was legal verkauft werden darf, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

(Foto: Eden Breitz/mauritius images)

Hanfläden geraten immer wieder in Verdacht, illegale Produkte zu verkaufen, zum Beispiel angeblich berauschende Tees. Die Drogeriemarktkette dm hat bereits Konsequenzen gezogen und Ware bis auf Weiteres aus dem Verkehr gezogen.

Von Kathrin Konyen

Lukas Schwarz verkauft in seinen Läden Tees, Öle, Extrakte und Kosmetikartikel. Allerdings keine ganz gewöhnlichen: Es sind Produkte aus Hanf, die der Gesundheit dienen sollen. Joints oder berauschendes Gras sucht man im "Cannameleon" in Würzburg vergeblich. Dementsprechend überrascht war Schwarz, erzählt er, als Anfang November die Polizei vor seiner Tür stand und die Räumlichkeiten durchsuchte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Würzburg gegen ihn lautet unter anderem: strafbarer Handel mit Betäubungsmitteln. Schwarz beziffert den Schaden, der durch die Razzia entstanden ist, auf eine fünfstellige Summe. "Die haben 80 Prozent unserer Ware mitgenommen und lassen uns finanziell ausbluten", klagt er.

Die Razzia bei Lukas Schwarz ist kein Einzelfall. Betreiber von Hanfläden, wovon es in Deutschland einige hundert gibt, geraten immer wieder in den Verdacht, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Im vergangenen Jahr gab es vergleichbare Einsätze in ganz Deutschland. Ob diese Razzien gerechtfertigt sind oder nicht, ist Auslegungssache, darüber, welche Hanfprodukte in Deutschland legal vertrieben und konsumiert werden dürfen, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Dabei spielen das Betäubungsmittelgesetz und eine EU-Verordnung eine Rolle. Um die jeweilige Argumentation nachzuvollziehen, ist ein Blick auf die Beschaffenheit der Produkte wichtig. Die Cannabis-Pflanze liefert mehr als hundert Cannabinoide. Die beiden relevanten sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Dabei ist THC der berauschende Wirkstoff, der Cannabis als Droge und als Arzneimittel interessant macht. Nicht psychoaktiv und vor allem zur Beruhigung und Entspannung angewandt, ist der Wirkstoff CBD.

Innerhalb der EU gelten unterschiedliche Grenzwerte für psychoaktive Substanz THC

Cannabis-Produkte, die einen nennenswerten Anteil an THC haben, sind in Deutschland nur als Medizin und unter strengen Auflagen auf Rezept verfügbar. Der Markt in diesem Bereich wird in diesem Jahr voraussichtlich die Umsatzgrenze von 100 Millionen Euro knacken. In frei verkäuflichen Hanfprodukten darf der THC-Gehalt laut Betäubungsmittelgesetz nicht mehr als 0,2 Prozent betragen. Hier liegt auch der Grund für die Razzia in den Cannameleon-Geschäften: In einem der Tees wurde ein THC-Wert von 0,3 Prozent festgestellt.

Schwarz sagt: "Wir verkaufen nur legale Nutzhanfprodukte." Jede Charge, die Schwarz geliefert bekommt, enthalte ein Zertifikat, das die genauen Inhaltsstoffe auflistet. "Eigentlich kann es nicht sein, dass der Grenzwert überschritten ist: Wir haben einen EU-zertifizierten Nutzhanf", sagt Schwarz und schränkt ein: "Es ist natürlich ein Naturprodukt." Je nachdem, ob in einer Probe mehr Stängel oder Blüten sind, schwankt der THC-Wert. Auch wenn die deutsche Regelung jenen der meisten europäischen Länder entspricht, verweist Schwarz auf die Nachbarländer: In Österreich, Tschechien und Luxemburg liegt der THC-Grenzwert bei 0,3 Prozent, in Italien bei 0,6 und in der Schweiz sogar bei einem Prozent.

In einem anderen Fall, dem der "Hanfbar" in Braunschweig, ist die Berufung auf das Betäubungsmittelgesetz nicht mit der Überschreitung des THC-Grenzwerts begründet. Dem Betreiber wird vielmehr vorgeworfen, dass bei den von ihm verkauften Hanftees ein "Missbrauch zu Rauschzwecken" nicht auszuschließen sei. Zwei Gutachten haben im Prozess am Landgericht Braunschweig ergeben, dass durchaus ein Rausch herbeigeführt werden könne, wenn nur genug davon geraucht oder verzehrt werde. "Völliger Humbug", kommentiert Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband. Das CBD als biochemischer Antagonist des THC wirke einem Rausch entgegen. Es müsste also unrealistisch viel von den Tees getrunken oder von dem Stoff geraucht werden, um davon high zu werden.

Die rechtlichen Leitplanken für den Wirkstoff CBD, der vor allem in Form von Ölen und als Nahrungsergänzungsmittel verkauft wird, bietet die EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel. In der sogenannten Novel-Food-Verordnung ist geregelt, dass Lebensmittel, "die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden", eigens zugelassen werden müssen. Eine solche gesonderte Zulassung liegt für keines der Cannabinoide vor. Für die Überwachung der Verordnung sind die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unterstellten Landesbehörden zuständig: "Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach CBD in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre", heißt es auf dessen Internetseite mit Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz und die EU-Verordnung.

Das Bundesamt bringt noch eine weitere Regelung ins Spiel, die gegen die Rechtmäßigkeit des Verkaufs von CBD-Produkten spricht: Seit 2016 ist CBD der Verschreibungspflicht unterstellt, wenn es als Arznei verkauft wird - sprich: mit entsprechenden Heilsversprechen versehen ist. Als "Irreführung" bezeichnet Angela Clausen von der Verbraucherzentrale in NRW, dass Kunden bei der Vermarktung von Cannabis-Produkten oft eine gesundheitliche Wirkung weis gemacht wird, die nachweislich nicht vorhanden sei. Teilweise sei gar kein CBD enthalten, obwohl die beschriebenen Wirkungen das suggerieren.

Die EU-Verordnung dürfte beim Drogerieunternehmen dm ausschlaggebend dafür gewesen sein, im vergangenen Jahr CBD-Produkte aus dem Sortiment zu nehmen. "Die rechtliche Einstufung der Artikel ist Stand heute noch nicht abschließend geklärt", sagt Sebastian Bayer, als Geschäftsführer verantwortlich für Marketing und Beschaffung. Anlass, "die CBD-Produkte auf unbestimmte Zeit aus dem Verkauf zu nehmen", war bei dm keine Razzia, sondern die "Abstimmung mit den zuständigen Behörden" gewesen.

Konsumenten sollten wissen, worauf sie sich einlassen

Eine Ungleichbehandlung, findet Hanfverbandschef Wurth. Von einer CBD-Razzia in einem großen Drogeriemarkt habe er noch nichts gehört, "obwohl es oft um ähnliche Produkte geht". Für die betroffenen Firmen und den an sich boomenden CBD-Markt seien die Razzien mit Beschlagnahmung der Ware und anschließendem Strafverfahren ein "harter Schlag". "Es wäre besser, den Markt vernünftig zu regulieren, als ihn im Graubereich mit zum Teil auch fragwürdigen Produkten zu belassen", fordert Wurth.

Auch der Verbraucherschutz sieht die verwirrende Rechtslage bei Hanf und dessen Wirkstoffen kritisch. Verbraucherschützerin Clausen ist die Sicherheit der CBD-Produkte nicht ausreichend belegt, sie sieht hier eine Gefahr für Verbraucher. Die Expertin für Lebensmittel im Gesundheitsmarkt vermisst neben klaren Regeln auch eine verlässliche Kontrolle. Die Lebensmittelüberwachung sei vor allem im Bereich des Internethandels überfordert. Clausen sieht zwar vor allem die Unternehmer in der Verantwortung, die Gesetze einzuhalten, weist aber darauf hin, dass auch Konsumenten von Hanfprodukten wissen sollten, worauf sie sich einlassen. Bei vielen Produkten sei der THC-Gehalt so hoch, dass es zu positiven Drogentests bei Verkehrskontrollen kommen könne.

Trotz einer Reihe von Regelungen ist der Status vieler Hanfprodukte also nicht eindeutig geklärt. Clausen fordert: "Wir brauchen Gesetze, deren Nichteinhaltung sanktioniert wird, stattdessen warten wir immer nur auf richterliche Entscheidungen, die oft Einzelfälle betreffen."

Eine solche Entscheidung ist nun in Braunschweig gefallen. Weil die Staatsanwaltschaft hohe Strafen gefordert hat, blickte die Cannabisbranche gespannt auf die Urteilsverkündigung am dortigen Landgericht in der vergangenen Woche. Den Betreibern des Ladens und seiner Geschäftspartner drohten drei und zweieinhalb Jahre Haft. Eine Bewährung wäre dann nicht möglich gewesen. Das Gericht verurteilte die beiden Männer schließlich zu neun und sieben Monaten Haft auf Bewährung. Ob dieses Urteil wegweisend sein wird, muss sich noch zeigen: Die Angeklagten im Hanfbar-Prozess haben angekündigt, den Weg durch die Instanzen zu gehen. Im Zweifel bis zum Verfassungsgericht. Auch Lukas Schwarz plant, gegen die Behörden in Würzburg und deren Vorgehensweise zu klagen.

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