Digitalkonzerne:Tiktok muss sich den Regeln der EU beugen

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Bytedance, der chinesische Mutterkonzern von Tiktok, gehört weiterhin zum Club der „Torwächter“. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Das Gericht der Europäischen Union hat eine Klage des Tiktok-Mutterkonzerns Bytedance abgewiesen. Das chinesische Unternehmen hatte sich dagegen gewehrt, in der EU besondere Auflagen erfüllen zu müssen.

Von Simon Groß

Es ist ein Urteil, das dem chinesischen Unternehmen Bytedance nicht gefallen dürfte. An diesem Mittwochmorgen bestätigte das Gericht der Europäischen Union die Entscheidung der Kommission, dass der Mutterkonzern der Unterhaltungsapp Tiktok besondere Auflagen erfüllen muss. Die Entscheidung geht auf den sogenannten Digital Markets Act (DMA) zurück, der vor zwei Jahren vom EU-Parlament verabschiedet wurde. Mit dem Gesetz über digitale Märkte versucht die EU, die Marktmacht großer Digitalkonzerne in Europa zu beschneiden. Unternehmen, die unter die Regelung fallen, bezeichnet die EU als sogenannte Gatekeeper beziehungsweise Torwächter. Im September 2023 hatte die Kommission Bytedance zu einem solchen Torwächter erklärt. Der chinesische Konzern hatte dagegen geklagt.

Bislang hat die Kommission sechs Konzerne als Torwächter eingestuft: Neben Bytedance gehören Alphabet (Google), Amazon, Apple, Meta (Facebook und Instagram) und Microsoft diesem Klub an. Zusammen unterhalten diese Firmen 22 Dienste, auf die es die EU mit ihrem Gesetz abgesehen hat. Es geht um die Chat-App Whatsapp, um die App-Stores von Google und Apple und eben um soziale Netzwerke wie Instagram und Tiktok. Gemein ist den Diensten, dass sie mit Millionen Nutzern in den jeweiligen Märkten monopolartige Stellungen erreicht haben, durch die sie sich Konkurrenz vom Leib halten können. Sie wachen sozusagen über den Marktzugang. Für die Nutzer bedeutet das – wie in anderen Bereichen der Wirtschaft auch – weniger Wahlfreiheit und höhere Preise. Um dem etwas entgegenzusetzen, zwingt die EU die Torwächter nun etwa dazu, sich gegenüber kleineren Diensten zu öffnen und es Nutzern zu ermöglichen, über Plattformen hinweg miteinander zu kommunizieren.

150 Millionen Tiktok-Nutzer in der EU

Gegen die Einstufung von Bytedance als Torwächter hatte das Unternehmen vorgebracht, dass Tiktoks globaler Marktwert hauptsächlich auf Tätigkeiten in China zurückzuführen sei und die App keinen großen Einfluss auf den EU-Binnenmarkt habe. Außerdem verfüge Tiktok, anders als zum Beispiel Meta mit Facebook, Instagram und Whatsapp, nicht über ein plattformübergreifendes Ökosystem und könne dadurch nicht von sogenannten Netzwerkeffekten profitieren. Gemeint ist damit, dass es für Nutzer immer attraktiver wird, bei einem Anbieter zu sein, je mehr Nutzer dieser Anbieter hat. Zudem hätten Konkurrenten wie Meta und Alphabet Tiktoks Marktposition geschwächt, indem sie Funktionen wie „Reels“ und „Shorts“, also die endlose Abfolge kurzer Videoclips, erfolgreich kopiert hätten.

Das Gericht wies diese Argumente zurück und berief sich in seiner Begründung vor allem auf die große Verbreitung der App innerhalb der EU. Tiktok sei es seit seiner Einführung in der EU 2018 gelungen, „die Zahl seiner Nutzer sehr schnell und exponentiell zu steigern, um in kurzer Zeit eine halb so große Verbreitung wie Facebook und Instagram zu erzielen“. Vor allem junge Nutzer verbrächten auf Tiktok mehr Zeit als in anderen sozialen Netzwerken und zeigten eine besonders große Bindung zu der App. Anfang 2023 hatte Tiktok selbst die Anzahl seiner monatlichen Nutzer in Europa auf 150 Millionen beziffert.

Tiktok hat zahlreiche Vorgaben der EU-Kommission schon umgesetzt

Was bedeutet das Urteil für die Nutzer? Tiktok hatte bereits auf die Einstufung der Kommission reagiert und zum Inkrafttreten des DMA Anfang März nach eigenen Angaben dementsprechende Änderungen vorgenommen. So sollen Nutzer seitdem Kopien ihrer Beiträge herunterladen können, um sie auch auf anderen Plattformen teilen zu können. Außerdem sollen sie über die Funktion „Deine Daten herunterladen“ eine Kopie ihrer Profildaten und Posts herunterladen können, und das schneller als bisher. Zudem soll es möglich sein, einzelne Datenkategorien auswählen zu können, die exportiert werden. Geschäftskunden sollen über ein eigenes Webformular Feedback zu DMA-bezogenen Funktionen geben können.

Ob Tiktok damit und auch in Zukunft den Auflagen des DMA nachkommt, wird die Kommission überprüfen. Bei Verstößen kann es jedenfalls teuer werden: Die Kommission kann in einem ersten Schritt Geldbußen in Höhe von bis zu zehn Prozent des weltweit erzielten Umsatzes des Unternehmens verhängen, wiederholen sich Verstöße, können bis zu 20 Prozent des Gesamtumsatzes fällig werden. Bei einem angeblichen Umsatz von mehr als 80 Milliarden US-Dollar von Bytedance, wären das acht beziehungsweise 16 Milliarden US-Dollar. Widersetzen sich Torwächter systematisch den Vorgaben des DMA, kann die Kommission sogenannte Abhilfemaßnahmen auferlegen. Sie könnte dann den Konzern dazu verpflichten, ein Unternehmen oder Teile davon zu verkaufen oder ihm verbieten, andere Dienste zu kaufen, die mit der Regelung zusammenhängen.

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