Berliner Verkehrsbetriebe:"Ich bedauere diese Entscheidung zutiefst"

Berliner Verkehrsbetriebe: Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende der BVG, soll nach dem Willen des Kontrollgremiums den Nahverkehrsbetreiber verlassen.

Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende der BVG, soll nach dem Willen des Kontrollgremiums den Nahverkehrsbetreiber verlassen.

(Foto: Joerg Carstensen/picture alliance/dpa)

Der Aufsichtsrat der BVG will seine Chefin Eva Kreienkamp freistellen, und zwar sofort. Das Verhältnis zwischen der Managerin und den Kontrolleuren ist schon länger angespannt - und ein Nachfolger bereits gefunden.

Von Jan Heidtmann

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben empfohlen, ihrer Vorstandsvorsitzenden Eva Kreienkamp das Vertrauen zu entziehen. Am Mittwoch schlug der Aufsichtsrat des landeseigenen Unternehmens vor, die 60-Jährige abzuberufen und ab sofort von ihrem Amt freizustellen. Diesem Schritt muss noch die so genannte Gewährträgerversammlung zustimmen. Sie wird voraussichtlich am Donnerstag tagen, die Zustimmung gilt eher als Formalie. "Ich bedaure diese Entscheidung zutiefst", kommentierte Kreienkamp den Vorgang. Die Stimmung zwischen Kreienkamp und ihren Kontrolleuren gilt aber schon seit längerer Zeit als angespannt.

Die Managerin hatte zuvor bei den Mainzer Stadtwerken gearbeitet, den Posten in Berlin hatte sie im Oktober 2020 angetreten. Zwei Jahre später entschied ein neuer Aufsichtsrat ihren Vertrag nicht über diesen September hinaus zu verlängern. Auch ein Nachfolger wurde bereits gefunden: Henrik Falk ist derzeit Chef der Hamburger Hochbahn und soll die BVG am 1. Januar 2024 übernehmen. Die BVG sind mit fast 16 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro Umsatz Deutschlands größtes Nahverkehrsunternehmen. Sie unterhalten über 160 Buslinien, 22 Straßenbahnlinien und neun U-Bahnstrecken.

Die Zahlen sind gut, gestritten wird um etwas ganz anderes

Die Sitzung an diesem Mittwoch war die letzte Gelegenheit für den noch amtierenden Aufsichtsrat, eine unverzügliche Ablösung Kreienkamps zu empfehlen, da am Donnerstag in Berlin ein neuer Senat gewählt wird. Damit ändert sich auch die Zusammensetzung des Kontrollgremiums. Der Aufsichtsrat gab öffentlich bislang keine Gründe für seine Entscheidung bekannt. Schon in den Monaten zuvor waren jedoch immer wieder Zweifel an den Führungsfähigkeiten Kreienkamps gestreut worden, die aber bislang nicht erhärtet werden konnten.

"Die Bilanzzahlen 2022 sprechen für sich", schreibt hingegen Kreienkamp in einer Erklärung auf dem Portal Linkedin. "Trotz aller Widrigkeiten hat die BVG ein positives Jahresergebnis erzielt. Prognostiziert war als Folge der Pandemie ein notwendiger Ausgleich von 96 Millionen Euro. Tatsächlich als Pandemieausgleich gebraucht haben wir keinen einzigen Cent!"

Nach Informationen innerhalb der BVG und nach Einschätzung mehrerer Medien soll Kreienkamp wegen ihres Eintretens für queere Menschen im Streit mit dem Aufsichtsrat gewesen sein. Kreienkamp lebt selbst offen homosexuell. Konkret soll ein Beitrag in dieser Zeitung vom vergangenen März für zusätzlichen Ärger in dem Kontrollgremium gesorgt haben. Darin wurde Kreienkamp mit der Aussage zitiert, sie sei bei ihrem Amtsantritt überrascht gewesen. "dass ein Unternehmen im vielfältigen Berlin beim Thema Diversity noch einen langen Weg vor sich hat." Die BVG sei mitten in der Transformation, "aber das dauert länger als gedacht".

Nach außen wirbt die BVG regelmäßig mit der Toleranz des Unternehmens; der Chef des Aufsichtsrats, Stephan Schwarz, kommentierte die Vorhalte damals so: Das Gremium verurteile "jegliche Form von Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie". Die Recherchen zu dem Beitrag ergaben jedoch, dass sichtbar homosexuell lebende Mitarbeiter unter anderem im Unternehmens-Chat öffentlich bloßgestellt wurden. Mehrere ehemalige Mitarbeiter gaben an, wegen dieser Stimmung das Unternehmen verlassen zu haben.

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