Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen 20 frühere Top-Manager des ehemaligen Arcandor-Konzerns. Sie stehen unter dem Verdacht der Untreue. Unter den Beschuldigten ist auch Ex-Vorstandschef Thomas Middelhoff. Bei einer groß angelegten Razzia an neun Orten vorwiegend in Nordrhein-Westfalen durchsuchten Ermittler am Donnerstag auch Middelhoffs Bielefelder Privathaus sowie sein Büro in Köln. Bei den Beschuldigten handelt es sich nach Aussage des Bochumer Oberstaatsanwalts Gerrit Gabriel um "frühere Verantwortungsträger und leitende Mitarbeiter" von Arcandor. Der Handels- und Touristikkonzern, zu dem die Warenhauskette Karstadt, das Versandhaus Quelle und der Touristikveranstalter Thomas Cook gehörten, hatte im Juni 2009 Insolvenz angemeldet.
Einige der Beschuldigten sind auch in das Visier der Staatsanwaltschaft in Köln geraten. Diese ließ ebenfalls am Donnerstag 17 Objekte in Köln, Bonn und Troisdorf, sowie anderen Städten durchsuchen. Zum Teil gebe es "personelle und örtliche Überschneidungen in beiden Verfahren", sagte Oberstaatsanwalt Gabriel. Die Ermittler gehen dem Verdacht von "Vermögens-Korruptions- und Steuerdelikten" nach, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld. Insgesamt waren mehr als 260 Ermittler im Einsatz.
Bei der Razzia wurden auch Räume des Kölner Baulöwen Josef Esch durchsucht. Ex-Arcandor-Chef Middelhoff war an Immobilienfonds von Esch beteiligt. Diese Fonds sollen Gebäude zu überhöhten Mieten an die Arcandor-Tochter Karstadt vergeben haben. Die Strafverfolger prüfen, ob Middelhoff, 57, aus den außergewöhnlich hohen Mieten resultierende Millionenansprüche von Arcandor gegen Esch mit Rücksicht auf seinen Geschäftspartner nicht eingeklagt hat. Der Manager bestreitet dies vehement. Der 57-jährige Middelhoff war von Mai 2005 bis März 2009 Vorstandschef von Arcandor. Danach gründete er den Finanzdienstleister ML Partners mit Sitz in London und einer Niederlassung in Köln.
Middelhoffs Anwalt Sven Thomas warf der Staatsanwaltschaft am Abend "eine Aktion für die Galerie" vor. "Wir haben der Staatsanwaltschaft schon vor einem Jahr angeboten, alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Darauf haben wir keine Reaktion erhalten. Jetzt ist das Material medienwirksam abgeholt worden", sagte der Strafverteidiger.
Mietvertrag gekippt
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa sind auch frühere Verantwortliche der Sparkasse Köln-Bonn sowie des Oppenheim-Esch-Immobilienfonds ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Auch dort seien Räumlichkeiten durchsucht worden. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt bereits seit längerem gegen frühere Verantwortliche des Bankhauses Sal. Oppenheim wegen des Verdachts der Untreue. Dabei geht es unter anderem um Darlehen, die Sal. Oppenheim der einstigen Arcandor-Großaktionärin und Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz gegeben haben sollen.
Der Oppenheim-Esch-Immobilienfonds liegt derzeit auch im Clinch mit der Stadt Köln. Ein Mietvertrag für die Kölner Messehallen, die der Fonds errichtet hatte, war vom Europäischen Gerichtshof vor etwa einem halben Jahr als wettbewerbswidrig gekippt worden. Die Luxemburger Richter monierten, dass die Arbeiten an dem öffentlichen Großprojekt nicht vorschriftsgemäß europaweit ausgeschrieben worden seien. Nachdem Verhandlungen über neue Mietkonditionen ergebnislos geblieben waren, stellte die Kölner Messegesellschaft alle Mietzahlungen an Oppenheim-Esch vor zwei Monaten ein. Seither zahle man nur noch deutlich niedrigere Ausgleichszahlungen, sagte ein Sprecher der Stadt Köln der dpa.