Bundesverfassungsgericht zur Erbschaftsteuer:Schluss mit gutes Erbe/schlechtes Erbe

Dr. Oetker

Bei der Erbschaftssteuer potenziell bevorzugt: Die Dr. August Oetker KG ist mit mehr als zehn Milliarden Euro eines der größten deutschen Familienunternehmen.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Firmeneigentümer können sich freuen: Sie werden im Erbfall bei der Steuer geschont. Aber ist das gerecht? Nein. Der Staat müsste eigentlich alle gleich behandeln.

Ein Kommentar von Marc Beise

Am kommenden Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die deutsche Erbschaftsteuer - endlich, muss man sagen, denn das Schlimmste im Leben, erst recht im Wirtschaftsleben, ist eine andauernde Unsicherheit. Bei der Erbschaftsteuer dauert die Ungewissheit schon lange, und namentlich Familienunternehmer sind hochgradig nervös, fürchten teilweise um die Existenz dessen, was sie zusammen mit ihren Mitarbeitern in Jahrzehnten aufgebaut haben.

Überhaupt ist die Erbschaftsteuer seit Jahren umstritten. Zuletzt hatte auch das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof in München, Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit - weshalb nun das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort hat.

In der Sache geht es um komplizierte Einzelheiten, im Kern aber um einige grundsätzliche Fragen. Um ganz vorne anzufangen: Die einen fordern die Abschaffung der Erbschaftsteuer, weil sie eine Zweitbesteuerung ist. Sie greift ja auf Vermögen zu, das tendenziell bei seiner Entstehung bereits versteuert worden ist. Die anderen fordern umgekehrt eine höhere Erbschaftsteuer, weil sie die eigene Leistung des Erben vermissen. Der deutsche Fiskus jedenfalls greift traditionell eher zurückhaltend zu, das Recht ist geprägt von großem Respekt vor den einmal geschaffenen Werten, die an die nächste Generation weitergereicht werden sollen.

Familienbetriebe könnten in ernsthafte Schwierigkeiten geraten

Das deutsche Recht ist darüber hinaus seit 2009 in einem weiteren Zusammenhang nachsichtig: Für Betriebe gelten Ausnahmeregeln, mit denen sie sich von der Erbschaftsteuer weitgehend oder teilweise sogar ganz befreien können. Der Grund dafür ist, für sich genommen, einsichtig: Familienunternehmen können im Falle des Übergangs in die nächste Generation in ernste Probleme geraten, wenn sie plötzlich massiv besteuert werden.

Bei der Erbschaftsteuer handelt es sich um eine Substanzsteuer, deren Bemessungsgrundlage also nicht das laufende Einkommen oder der laufende Ertrag ist, sondern bestehende, womöglich immobile Vermögenswerte. Es kann also sein, dass das Unternehmen zwar wertvoll, aber knapp bei Kasse ist - und der Erbfall dann die Erben überfordert.

Es sind Fälle dokumentiert, wonach Erben ihr Erbe nicht angetreten haben und das Unternehmen verkauft, zerschlagen oder ausgeweidet worden ist. Das kostet Wirtschaftskraft und Jobs. Mehr noch: Die Gefahr besteht, dass ausgerechnet das beschädigt wird, wofür Familienunternehmen in Deutschland bekannt sind: dass sie mehr als viele Konzerne an Nachhaltigkeit interessiert sind, mehr Verantwortungsgefühl an den Tag legen, in ihrer Region Gutes tun und auch einmal Durststrecken durchstehen - und nicht immer nur an den nächsten Vierteljahresabschluss denken.

Diskriminierung aller übrigen Erben

Jedes Argument für sich betrachtet ist nachzuvollziehen, im Ergebnis aber entsteht ein Konflikt, den die Richter des Bundesfinanzhofs nicht bereit waren hinzunehmen: Unternehmen werden besser behandelt als Einzelbürger, eine Diskriminierung aller übrigen Erben.

Mag sein, dass es frustrierte Söhne und Töchter gibt, die bei einem zu strengen Zugriff des Fiskus das Traditionsunternehmen verhökern und den Erlös verprassen, während das Unternehmen von Fremdeigentümern ausgepresst wird - aber wer will hier die finale Rechnung aufmachen? Wer sagt, dass nicht ein neuer Eigentümer besser wirtschaftet? Wer weiß, ob das Geld, das ein Erbe anderswo investiert, nicht besser angelegt ist? Am Ende muss das Steuerrecht wie Justitia sein, es darf auf keinem Auge blind sein: Es gibt keine guten und schlechten Erbschaften.

Bloß die üblichen Klagen?

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben also eine schwierige Aufgabe vor sich. Weshalb es ihnen im Moment vor allem darum geht, die Datenlage zu klären. Ist es wirklich so, dass Familienunternehmen unter der Drohung einer verschärften Erbschaftsteuer massiv leiden? Oder sind das die üblichen Klagen derer, auf die der Staat stärker zugreifen will? Den Richtern wird auffallen, wie viele Möglichkeiten das gespaltene System bietet, Steuern zu sparen. Die Möglichkeit, Geldvermögen in den Betrieb einzubringen, ist nur eine davon.

Man kann sicher gut begründen, warum Familienunternehmen beim Erbübergang schutzbedürftig sind. Man muss aber auch fragen, ob es nicht andere Wege gibt, diesen Schutz zu gewährleisten. Zwei Vorschläge an den Gesetzgeber zur Güte: Es gibt einheitliche Steuersätze für Firmen und Bürger, die aber niedriger liegen als heute. Und wenn ein Unternehmen und dessen Eigentümerfamilie bei der Nachfolge durch die Forderung des Fiskus in Not gerät, dann wird die Steuer für einige Jahre gestundet und gestreckt.

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