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Bundesverfassungsgericht zu Staatsanleihen:Karlsruhe überlässt EZB-Entscheidung dem EuGH

Darf die Europäische Zentralbank Staatsanleihen kaufen? Das Bundesverfassungsgericht ist sich nicht sicher - und legt die Entscheidung dem Europäischen Gerichtshof vor. Es ist das erste Mal, dass sich die Karlsruher Richter an den EuGH wenden.

Karlsruhe gibt ab nach Luxemburg: Über die umstrittene Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Euro-Staatsschuldenkrise muss nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht legt den Beschluss der EZB über den Ankauf von Staatsanleihen dem EuGH zur Prüfung vor. Das hat das Gericht mitgeteilt. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, dass die Karlsruher Richter dem EuGH eine Rechtsfrage zur Prüfung vorlegen.

Laut EZB-Beschluss ist vorgesehen, dass die Notenbank Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten in theoretisch unbegrenzter Höhe ankaufen darf. Staaten nehmen über solche Anleihen Kredite auf.

Voraussetzung für das Eingreifen der EZB ist, dass das betroffene Land sich zu Einsparungen und Strukturreformen verpflichtet. Bislang ist es noch nie zu Anleihekäufen nach diesem Beschluss gekommen. Allein die Ankündigung der EZB hatte gereicht, die Panik auf den Märkten zu beruhigen. In der Folge hatte sich die Finanzlage der Krisenländer entspannt. So hat etwa Irland Ende 2013 den Rettungsschirm verlassen und wird nicht mehr mit neuen Notkrediten der europäischen Partner gestützt.

Zentralbanken sollen Staaten nicht direkt mit Krediten versorgen. Das Verbot soll die Währung schützen und stabil halten. Deswegen verbietet Artikel 123 des EU-Vertrags der EZB und den nationalen Notenbanken, den Staaten unmittelbar Geld zuzuschießen (PDF).

Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts sprechen "gewichtige Gründe" dafür, dass das EZB-Programm "gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt". Die deutschen Verfassungsrichter neigen deshalb zur Annahme, dass die EZB ihre Befugnisse überschritten habe, überlassen die Entscheidung aber dem EuGH. Allerdings hält die Mehrheit der Richter es durchaus für möglich, dass das Programm aufrecht erhalten werden kann, wenn es mit Einschränkungen versehen wird.

Die EZB geht weiterhin davon aus, dass das Anleihenkaufprogramm - in der Fachsprache OMT genannt - vom Recht gedeckt ist. "Die EZB unterstreicht erneut, dass das OMT-Programm im Rahmen ihres Mandats ist", teilte die Notenbank nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit.

Peter Gauweiler hatte den Fall vor das Bundesverfassungsgericht gebracht. Der CSU-Bundestagsabgeordnete begrüßte die Äußerungen der Richter. Laut Gauweiler subventioniere die EZB die überschuldeten Staaten, zulasten der anderen Euro-Länder.

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