Bundesverfassungsgericht zu Ceta:Ceta-Klägerin: "Das ist mindestens ein 70-Prozent-Sieg"

Bundesverfassungsgericht zu Ceta: Marianne Grimmenstein: "Die Auflagen sind unglaublich hart."

Marianne Grimmenstein: "Die Auflagen sind unglaublich hart."

(Foto: AFP)

Das Verfassungsgericht hat die Klagen gegen die vorläufige Anwendbarkeit von Ceta abgewiesen. Warum Klägerin Marianne Grimmenstein trotzdem überglücklich ist.

Interview von Hans von der Hagen

Marianne Grimmenstein, 70, unterrichtet Flöte in Lüdenscheid und hat mit ihrer Klage gegen Ceta, die von knapp 70 000 Menschen unterstützt wird, eine der größten Bürgerklagen Deutschlands initiiert. Sie hat das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht natürlich direkt in Karlsruhe verfolgt.

SZ: Das Verfassungsgericht hat die vorläufige Anwendbarkeit von Ceta unter Auflage gebilligt. Reicht Ihnen das?

Marianne Grimmenstein: Das ist mindestens ein 70-Prozent-Sieg, denn die Auflagen sind unglaublich hart. Die Bundesregierung muss ja dafür sorgen, dass Deutschland jederzeit aus der vorläufigen Gültigkeit ausscheiden kann. Außerdem muss der gemischte Ceta-Ausschuss eine demokratische Rückbindung bekommen. Bislang sieht der Vertragstext vor, dass der Ausschuss an den Parlamenten vorbei das Abkommen nach Belieben verändern kann.

Wie sieht die "demokratische Rückbindung" dann aus?

Ich habe keine Ahnung, wie die Bundesregierung das lösen will. Das ist ihr Problem. Aber bislang ist dieser Ausschuss komplett demokratisch unlegitimiert. Der kann machen, was er will. Künftig wird er wahrscheinlich bei größeren Entscheidungen die Parlamente abstimmen lassen müssen.

Was sind die restlichen 30 Prozent, die aus Ihrer Sicht zum vollen Sieg fehlen?

Wenn die vorläufige Anwendung gar nicht gekommen wäre. Aber das ist sowieso alles noch unsicher und die Auflagen sind toll.

Neben Ihrer Initiative klagten noch vier weitere Parteien gegen Ceta. Wie bewerten sie den Ausgang?

Alle Anwälte sehen das positiv.

Katja Kipping, die Parteivorsitzende der Linken, sprach via Twitter von einer Klassenjustiz und rügte, dass sich das Bundesverfassungsgericht zum Handlanger der Großkonzerne mache.

Aber die Frau Wagenknecht war sehr zufrieden. Ich habe gerade persönlich mit ihr gesprochen und sie sagte mir, dass wir das Maximum rausgeholt hätten. Die Richter haben einen kühlen Kopf behalten. Die stellten bohrende Fragen, es war eine harte mündliche Verhandlung. Das Gericht war wirklich gut vorbereitet.

Wie geht es nun weiter?

Zunächst kommt das Hauptverfahren, vielleicht in einem Jahr, das wissen wir nicht so genau. Da wird dann geprüft, ob Ceta womöglich gegen Grundgesetz und Völkerrecht verstößt. Außerdem wollen wir von der kommenden Woche an gemeinsam mit der Organisation Abgeordnetenwatch klären, wie jeder einzelne EU-Parlamentatier zu Ceta steht. Das wird veröffentlicht, dann kann sich jeder Bürger überlegen, wen er wählen will.

Frau Grimmenstein, Sie wirken zumindest hier am Telefon überaus glücklich.

Ich bin wirklich hochzufrieden.

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