Bundesverfassungsgericht:Lebensversicherer sollen fairer auszahlen

Millionen Bürger, die eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen haben, dürfen auf eine höhere Überschussbeteiligung hoffen - und vor allem auf mehr Transparenz.

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe müssen Kunden künftig "angemessen" am Vermögen und den stillen Reserven ihres Versicherungsunternehmens beteiligt werden.

Bis 31. Dezember 2007 muss der Gesetzgeber entsprechend Neuregelungen schaffen, bis dahin sind die alten Regeln aber in Kraft. Verbraucherschützer werteten das Urteil als Durchbruch.

Betroffen sind rund 45 Millionen Verbraucher mit Lebensversicherungen. Ob sie aber höhere Überschussbeteiligungen erhalten, hängt von der Höhe der stillen Reserven und Vermögenswerte ab.

Mit dem Urteil hatten die Verfassungsbeschwerden dreier Musterkläger im Kern Erfolg. Das BVG schrieb dem Gesetzgeber zwar nicht vor, wie die Regeln geändert werden sollen, verwies aber auf die Transparenz der Versicherungsverträge bei der Riester-Rente.

Beschränkter Einfluss der Versicherten

In der mündlichen Urteilsbegründung sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, für den Einzelnen seien die Verträge der Lebensversicherer praktisch nicht verhandelbar. Nach Vertragsabschluss seien die Einflussmöglichkeiten des Versicherten noch beschränkter.

Da Kündigungen zu hohen wirtschaftlichen Verlusten führten, seien sie wirtschaftlich nicht sinnvoll. Außerdem sei es für den Versicherten schwierig, Informationen über die Berechnungsgrundlagen seiner Ansprüche zu erhalten.

Angesichts dieser geringen Einflussmöglichkeiten des Verbrauchers habe der Staat Schutzpflichten gegenüber den Lebensversicherten.

Aufsichtsrecht teils verfassungswidrig

Die habe der Staat bislang nicht ausreichend erfüllt, erläuterte der Gerichtspräsident. Das geltende Aufsichtsrecht verletze die Eigentumsrechte und die Handlungsautonomie der Versicherten und sei deshalb in Teilen verfassungswidrig.

In Zukunft habe sich die Aufsicht nicht nur auf eine Missbrauchskontrolle zu beschränken, sondern müsse auch die angemessene Beteiligung der Versicherten an den durch ihre Prämien geschaffenen Vermögenswerten und den stillen Reserven zu gewährleisten.

Ob die Versicherten zukünftig eine höhere Überschussbeteiligung erhalten, ist von der Höhe der stillen Reserven abhängig. Nach den Einbrüchen am Aktienmarkt 2001 haben Versicherungen Teile ihrer stillen Reserven allerdings verkauft.

Auf die Versicherungen kommen Millionenbeträge zu

In der mündlichen Verhandlung im Oktober 2004 bezifferten die Kläger ihre zusätzlichen Ansprüche auf rund 200 Euro. Für die Versicherten könnte es folglich nur zu geringen Steigerungen kommen. Da es etwa 45 Millionen Kapitallebensversicherungsverträge geben soll, kommen für die Versicherungsgesellschaften aber schnell Millionenbeträge zusammen.

Der Bund der Versicherten, der die Musterverfahren unterstützt hatte, begrüßte das Urteil. "Deutschlands Lebensversicherer müssen endlich die Karten auf den Tisch legen."

Aber auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nannte das Urteil fair. Man könne sich der Bewertung nicht verschließen, dass die Überschussberechnung bislang nicht hinreichend transparent sei, sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Freiherr von Fürstenwerth nach der Urteilsverkündung.

Aktenzeichen: Bundesverfassungsgericht 1 BvR 80/95;1 BvR 782/94 und 1 BvR 957/96

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