Bundesverband der Deutschen Industrie:BDI-Präsident sieht Wohlstand und Wachstum in Gefahr

Ulrich Grillo

Findet, dass die Große Koalition falsch oder zu wenig investiert hat: BDI-Chef Ulrich Grillo.

(Foto: dpa)
  • Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, hält das erste Regierungsjahr der Großen Koalition wirtschaftlich gesehen für ein verlorenes Jahr. Schwarz-Rot habe zu viel Geld für das Falsche ausgegeben.
  • Er zeigt sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung ihren Kurs in den kommenden Jahren anpassen werde.
  • Die Russland-Sanktionen des Westens begrüßt Grillo. An der Wirtschaftskrise in dem Land seien nicht die Sanktionen schuld.

Enttäuschung über Politik der Großen Koalition

Industrie-Präsident Ulrich Grillo sieht das erste Regierungsjahr der großen Koalition aus Union und SPD als verloren an. "Ich hätte mir mehr erhofft. Das erste Jahr war verschenkt, da wurde viel Geld wenig zukunftsgerichtet ausgegeben", sagte der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). "Wenn ich an Schwarz-Rot denke, bin ich durchaus angespannt." Einfach nur stoisch den Koalitionsvertrag abzuarbeiten, sei zu wenig, warf er den Regierungsparteien CDU, CSU und SPD vor. "Wenn sich die Zeiten ändern, muss ich reagieren und meine Pläne überarbeiten. Wir leben nicht mehr in der Planwirtschaft", kritisierte Grillo, der die politischen Interessen von mehr als 100 000 Unternehmen mit gut acht Millionen Beschäftigten vertritt.

Wenn Deutschland nicht aufpasse, "haben wir in 5 bis 10 Jahren unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder eingebüßt". Wohlstand und Wachstum seien keine Selbstläufer. Angesichts der Rekordbeschäftigung von 43 Millionen Menschen sei die Gefahr groß, dass sich alle in der Politik zurücklehnten. "Ich warne vor Selbstzufriedenheit."

Zuversichtlicher Blick in die Zukunft

Er sei aber zuversichtlich, dass die Koalition die jüngsten schwächeren Wachstumszahlen als Warnzeichen erkannt habe. So hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigt, dass die Regierung zwischen 2016 und 2018 insgesamt zehn Milliarden Euro zusätzlich für Investitionen ausgeben wolle. Grillo findet das gut: "Der Kurs für 2015 muss lauten: Mehr investieren, weniger umverteilen."

Unterstützung für Russlandkurs

Die umstrittenen westlichen Sanktionen gegenüber Russland, an denen sich auch Deutschland beteiligt, begrüßt der Unternehmer aber. Die schwere Wirtschafts- und Währungskrise Russlands geht nach Ansicht von Grillo vor allem auf Fehler Moskaus in der Vergangenheit zurück. "Die Hauptursache für die aktuelle Krise Russlands sind nicht die Sanktionen, sondern ist die einseitige Fixierung auf Öl und Rohstoffe. Das Land hat es über Jahrzehnte versäumt, seine Wirtschaft breiter aufzustellen", sagte Grillo. Er stehe unverändert hinter diesem Kurs. "Langfristige Rechtssicherheit in Europa ist wichtiger als kurzfristiger Geschäftserfolg."

Andere Topmanager und auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hatten zuletzt davor gewarnt, die Sanktionen weiter zu verschärfen. Grillo hofft, dass sich die Lage im Russland-Ukraine-Konflikt nicht weiter zuspitzt. "Es muss möglich sein, eine diplomatische Lösung für die Lösung der Ukraine-Krise zu finden." Für einzelne deutsche Unternehmen seien die Exportrückgänge nach Russland bereits bedrohlich. Gesamtwirtschaftlich spiele das für Deutschland bei einem Anteil der Ausfuhren nach Russland von drei Prozent aber eine nachrangige Rolle.

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