Süddeutsche Zeitung

Bundesumweltministerium widerspricht RWE-Chef:Von wegen Blackout

Droht in Deutschland ein Energie-Engpass, wenn konventionelle Kraftwerke nicht weiter subventioniert werden? RWE-Chef Peter Terium sagt: Ja. Das Bundesumweltministerium sagt: Alles Quatsch, deutsche Kraftwerke sorgten noch lange für genug Strom in der Bundesrepublik.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das berühmte B-Wort, zuletzt hat RWE-Chef Peter Terium damit gespielt. Würden konventionelle Kraftwerke nicht gezielt am Leben gehalten, "dann geht in Deutschland das Licht aus": Blackout. Doch ein internes Papier aus dem Bundesumweltministerium kommt zu ganz anderen Schlüssen. Demnach sei für den kommenden Winter "bei nationaler Sichtweise ein Leistungsüberschuss von mehr als zwölf Gigawatt zu erwarten" - die Leistung von 15 großen Kraftwerken. Einen solchen Überschuss gebe es hierzulande selbst im Jahr 2024 noch, wenn das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet ist. "Ein Abbau von Überkapazitäten kann in einem relevanten Umfang stattfinden, ohne die Versorgung mit Strom in den nächsten Jahren zu gefährden", heißt es in dem Konsultationspapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Es besteht derzeit kein akuter Handlungsbedarf."

Die Thesen treffen ins Herz der schwarz-roten Energiedebatte. Nicht nur RWE klagt über fallende Börsenpreise für Strom, die zunehmend Kraftwerke unrentabel machten. Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, drücken die Ökoenergien den Preis. Union und SPD wollen daher einen Mechanismus finden, der den Weiterbetrieb fossiler Kraftwerke sichert. Denn werden zu viele Kraftwerke stillgelegt, fehlen sie irgendwann als Reserve für wolkenverhangene Flautentage. Was aber, wenn so ein Mangel gar nicht droht?

Das Ministeriumspapier verweist dazu auch auf europäische Nachbarstaaten. Dort seien "nach vorherrschender Meinung" in den nächsten Jahren genügend Kraftwerke vorhanden. "Eine rein nationale Sichtweise für Versorgungssicherheit ist nicht zielführend, da der deutsche Kraftwerkspark nicht als Insel vom europäischen Kraftwerkspark getrennt werden kann." Mit anderen Worten: Reserven gibt es notfalls auch woanders.

Umweltschützern kommen solche Töne gerade recht. Sie wittern hinter dem geplanten Mechanismus den Versuch, klimaschädlichen Kraftwerken Geld zuzuschanzen. "Es braucht keine überstürzten Subventionen und erst recht nicht für Kohlekraftwerke", sagt Tina Löffelsend, Energieexpertin beim Umweltverband BUND.

Fachleute warnen allerdings davor, sich in Sicherheit zu wiegen. So treffe das Umweltministerium eine Reihe von sehr optimistischen Annahmen, was den künftigen Strombedarf und den Zubau von Gaskraftwerken angehe, sagt Patrick Graichen vom Berliner Thinktank Agora Energiewende. "Viele der Prognosen treten nur dann ein, wenn die Politik vorher entsprechend steuert." Was wiederum der These widerspräche, dass kein Handlungsbedarf besteht. Zuletzt hatte vor allem die Branche selbst Interventionen am, Strommarkt verlangt. Sie hat eigene Vorschläge vorgelegt, wie das laufen könnte. Die Experten von Union und SPD wollen sich diesen Montag mit der Zukunft konventioneller Kraftwerke beschäftigen.

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SZ vom 02.11.2013/jst
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