Bundestagswahlkampf:Die Union, eine Steuersenkungspartei a. D.

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Es wäre so einfach, mit Steuerpolitik bei den Wählern zu punkten. Stattdessen lavieren CDU und CSU um ihr Wahlkampf-Konzept herum - und verbauen sich so große Chancen.

Kommentar von Cerstin Gammelin

CDU und CSU versuchen, ihre Reihen in der Steuerpolitik zu schließen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat gerade ein zweites Mal seinen Finanzminister Markus Söder zurückgepfiffen. Söder will die Glaubwürdigkeit der Union erhöhen und deshalb noch vor der Wahl die unumkehrbare Zusage machen, dass die Bürger finanziell entlastet werden. Die Spitzen der CDU wollen das nicht. Weil der Union und ihrer Kanzlerkandidatin aber im Wahlkampf nichts mehr schaden dürfte als weitere Streiterei, darf es keinen Streit geben, jedenfalls nicht öffentlich. Deshalb präsentiert sich die Union jetzt als Steuersenkungspartei außer Dienst.

Es ist ein hoher Preis, den CDU und CSU zahlen müssen, halten sie an dieser angeblichen Einigkeit fest. Sie verzichten darauf, in einer ihrer Kernkompetenzen beim Wähler zu punkten, nämlich in der Steuerpolitik.

Bizarr ist die Begründung, warum sich die Union vor der Bundestagswahl nicht an eine Steuerreform wagt: Seehofer argumentiert tatsächlich damit, dass die Reform nicht durch den Bundesrat käme, in dem jetzt noch Rot-Grün die Mehrheit hat.Der Wähler der Union kann daraus wahlweise schließen, dass er so lange auf eine Steuerreform warten muss, bis sich die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern wieder ändern. Oder, dass die Union gar nicht so fest entschlossen ist, die Steuern zu senken. Weil sie womöglich kein ausgegorenes Konzept dafür hat. Beides dürfte weder CDU noch CSU Wählerstimmen bescheren.

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:Streit um Steuerpolitik: Seehofer kanzelt Söder ab

Der bayerische Ministerpräsident widerspricht seinem Finanzminister, der sich im Wahlkampf mit Steuersenkungen gegen die SPD positionieren will.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Lisa Schnell

Der Wählerwille ist offensichtlich - eigentlich auch für die Union

Aus Sicht der Union spricht einiges dafür, Söders vorsichtigen Vorschlag mindestens zu prüfen. Die Umstände haben sich geändert. Die SPD hat den Kanzlerkandidaten Martin Schulz gekürt, der mehr Gerechtigkeit verspricht und der die Sozialdemokraten in Umfragen vor die Union katapultiert hat. Das war vor sechs Wochen überhaupt nicht abzusehen. Neueste Zahlen zeigen, dass der deutsche Staat noch mehr Steuergeld übrig hat als angenommen. Immer mehr Bürger erwarten, dass die Parteien nicht nur neue Ausgaben für Verteidigung und Flüchtlinge planen, sondern den Steuerzahlern mehr Geld zur privaten Verfügung lassen. Und zwar am besten ab sofort.

Wer an dem dringlichen Wunsch noch irgendwelche Zweifel gehabt haben sollte, mag sich den Wahlkampfauftritt der gemeinsamen Kanzlerkandidatin Angela Merkel am Wochenende in Stralsund anschauen. Als es darum ging, wie das viele Geld ausgegeben werden sollte, gab es an der Stelle Applaus, als Merkel in Aussicht stellte, damit auch mittlere Einkommen zu entlasten. Es war ein Applaus, der keinen Zweifel am Wählerwillen lässt.

Der Weg, eine Steuersenkungspartei zu werden, ist verbaut

Umso mehr dürfte die Union jetzt schmerzen, dass der Weg, sich dem Wähler glaubwürdig als Steuersenkungspartei zu präsentieren, erst einmal verbaut ist. Die Spitzen von CDU und CSU, angefangen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über Unionsfraktionschef Volker Kauder bis zu Horst Seehofer, haben kategorisch ausgeschlossen, noch im Wahljahr eine Steuerreform anzubieten. Erst im kommenden Jahr soll die neue Koalition das große Werk vollbringen, das schon etliche Regierungen versprochen und doch nicht hinbekommen haben.

Dieses freundlich ausgedrückte Unvermögen in der Steuerpolitik wird vielen Wählern in schlechter Erinnerung geblieben sein. Schäuble etwa machte den Koalitionsvertrag für sein steuerpolitisches Nichtstun verantwortlich, weil in diesem die Koalitionspartner jegliche Steuererhöhungen, auch gegenfinanzierte, ausgeschlossen hatten. SPD-Vorgänger Peer Steinbrück argumentierte mit widrigen Umständen, Hans Eichel ebenfalls. Und so weiter und so weiter. Man muss kein Wahlkampfstratege sein, um zu erkennen, dass die Wähler womöglich der Partei trauen werden, die vor dem Wahltermin wenigstens grob festzurrt, was sie für danach verspricht.

Die Nervosität in der Union ist nicht nur der Streiterei um die Steuerreform geschuldet, sondern dem bislang schleppenden Wahlkampf. Es klingt bizarr, wenn Seehofer ankündigt, er werde mit der Kandidatin unter vier Augen über einen effizienten Wahlkampf reden. Parallel ringt das CDU-Präsidium um eine Strategie, wie man gegen den SPD-Konkurrenten Schulz punkten kann. Einige plädieren für mehr Angriff, einige dafür, den künftigen SPD-Chef in die Koalitionsarbeit einzubinden und damit in die Verantwortung zu nehmen. Noch ist nichts entschieden. Aber es sind ja sieben Monate bis zur Wahl. Genug Zeit, um mit einer klaren Steuerreform die Versprechen der SPD wie Sozialromantik aussehen zu lassen.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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