Bundestagswahl:So behalten Sie den Durchblick im Informationskrieg

Lesezeit: 7 Min.

Mit kritischem Blick surft es sich besser. (Foto: Dado Ruvic/Reuters; Bearbeitung SZ)

Propaganda gab es immer, doch nie war es so schwer, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Diese Tipps helfen Fake News, Social Bots und manipulierte Bilder zu erkennen.

Von Christian Simon und Marvin Strathmann

Ein paar Teenager in Mazedonien erfinden Lügen über Hillary Clinton und verdienen damit Hunderttausende Dollar, weil Trump-Anhänger die vermeintlichen Nachrichten in Scharen teilen und lesen. Ein deutscher Rechtsradikaler legt Politikern ausgedachte Zitate in den Mund und bekommt mit seiner Facebook-Seite in Einzelfällen mehr Aufmerksamkeit als große Medien. Und auch Linke fallen bereitwillig auf Falschnachrichten über Donald Trump herein, wenn die nur ins Weltbild passen.

Propaganda und Desinformationskampagnen gab es schon immer. Dazu brauchte es weder Internet noch soziale Netzwerke. Und Journalisten haben schon immer Fehler gemacht. Doch je mehr Menschen sich jenseits der klassischen Medien informieren, desto öfter können sie mit gefälschten Nachrichten, neudeutsch "Fake News", konfrontiert werden und auf diese hereinfallen.

Auf Facebook und Twitter achten viele Menschen kaum noch auf die Quelle einer Meldung - die Netzwerke machen es ihnen auch nicht besonders einfach, Quellen zu erkennen - und teilen sie mit ihren Freunden, die sie wiederum weiterverbreiten. Dieser Schneeballeffekt macht es von Ideologie oder der Aussicht auf Werbeeinnahmen motivierten Fälschern besonders einfach, virale Enten zu produzieren. Dagegen helfen gesunde Skepsis und Medienkompetenz, und die kann man lernen. Zum Beispiel mit den folgenden Tipps.

So erkennen Sie "Fake News"

Nach Trumps Wahlsieg sind "Fake News" zum Modewort geworden. Der Präsident selbst verwendet den Begriff gerne für Berichterstattung von Medien, die ihm zu kritisch sind. Auch deutsche Politiker sprechen oft von "Fake News", wenn sie missliebige Meinungen oder journalistische Fehler meinen. Auch Meldungen von Satire-Seiten wie dem Postillon wurden schon so genannt.

Wenn hier von Fake News die Rede ist, sind absichtliche Falschmeldungen gemeint, die wie echte Nachrichten aussehen.

Prüfen Sie, wer hinter dem Angebot steckt

Der wichtigste Anhaltspunkt ist die Quelle der Nachricht. Von wem kommen diese Informationen, ist die Seite seriös? Das ist oft nicht einfach herauszufinden, denn viele Betreiber von Fake-News-Webseiten versuchen, die Optik bekannter Nachrichtenportale zu kopieren. Sie geben sich Namen, die seriös klingen sollen. In den USA heißen sie etwa National Report oder The Boston Tribune.

Achten Sie zuerst auf die URL in der Adresszeile Ihres Browsers: So hat etwa die Webseite www.abc.com.co falsche Nachrichten über Michael Jordan und Donald Trump verbreitet und damit auch professionelle Journalisten verwirrt. Ziel der Fälscher: Leser sollten denken, sie wären auf der Webseite des US-Senders ABC gelandet, erreichbar über www.abc.com. Ein Punkt und zwei Buchstaben (" .co") waren der einzige Hinweis, dass es sich um eine Fälschung handelte. Und selbst buchstabengetreue Webadressen bekannter Seiten können Fälschungen sein ( mehr dazu hier).

Auch ein Blick ins Impressum kann helfen, um zu erfahren, wer hinter dem Angebot steckt. Jede kommerzielle Seite in Deutschland muss ein Impressum angeben. Fehlt es und mangelt es auch sonst an Möglichkeiten, den Betreiber zu kontaktieren, sollten Sie misstrauisch werden. Manchmal reicht es, den Namen der Webseite zu googeln und auf die Erfahrungen von anderen Nutzern zu setzen, um sie als Fake zu entlarven. Auch aufklärende Kommentare unter Facebook-Posts können auf falsche Nachrichten hinweisen.

Wenn keine Quellen genannt werden, ist das ein Alarmsignal

Lügen und Fälschungen lassen sich nicht nur anhand des Absenders erkennen. Auch die Nachricht selbst kann Hinweise auf falsche News geben. Das beginnt bei der Überschrift: je reißerischer, desto mehr Skepsis ist angebracht. Darauf alleine sollten Sie sich allerdings nicht verlassen, denn hinter drastisch formulierten Zeilen können sich auch seriöse Nachrichten befinden, insbesondere in sozialen Netzwerken.

Überprüfen Sie außerdem die Quellen, die in der Nachricht genannt werden. Gibt es überhaupt welche, oder behauptet der Autor einfach Tatsachen, ohne dafür Belege zu sammeln? Zusätzlich sollten Sie prüfen, ob andere Seiten den Fall ebenfalls aufgreifen, und wie sie das tun. Wenn nur eine einzelne dubiose Seite über einen angeblich riesigen Skandal berichtet, ohne dass in kurzer Zeit andere Portale weitere Recherchen veröffentlichen, handelt es sich womöglich einfach um eine Ente oder Irrelevantes, und eher nicht um eine Verschwörung der "Systempresse".

Google und Facebook gegen Falschmeldungen

Nachdem sie von Politikern und Nutzern dazu gedrängt worden sind, versuchen auch Tech-Firmen dabei zu helfen, Fake News zu erkennen. Facebook arbeitet mit externen Organisationen zusammen, die den Wahrheitsgehalt von Nachrichten prüfen sollen, und hat bereits begonnen, ausgewählte Meldungen zu kennzeichnen, wenn diese wenig glaubwürdig sind. In Deutschland ist das Recherchebüro Correctiv Partner des US-Konzerns. Außerdem gibt Facebook Nutzern mit einem großen Hinweis über dem Newsfeed Tipps, wie diese Fake News identifizieren können.

Mittlerweile versucht auch Google, mit Hilfe von insgesamt 115 Organisationen Nachrichten zu überprüfen. Spezielle Labels in den Suchergebnissen und in Google News sollen Aufschluss über den mutmaßlichen Wahrheitsgehalt einer Meldung geben und Informationen verifizieren.

Die Mitarbeiter des Vereins Mimikama aus Wien sammeln schon länger deutschsprachige Falschmeldungen im Netz und stellen sie richtig. Sie geben Tipps, wie Internetnutzer die Glaubwürdigkeit von Beiträgen einschätzen können. Außerdem hat die Tagesschau seit Anfang April eine eigene Abteilung gegen falsche Nachrichten: Auf dem Portal Faktenfinder analysieren ihre Journalisten aktuelle Gerüchte und prüfen ihren Wahrheitsgehalt. Ein Blick auf diese beiden Seiten kann in manchen Fällen helfen, wenn Sie unsicher sind, ob Sie eine Meldung teilen sollten.

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Nach Breaking News schlägt häufig die Stunde der Fälscher und geschmacklosen Spaßvögel. Immer wieder wurden in den ersten Stunden nach einem Anschlag oder einem anderen Großereignis Bilder verbreitet, die manipuliert waren oder eine völlig andere Situation zeigten als von ihren Verbreitern behauptet. Es gibt Möglichkeiten, diese Bilder zu entlarven.

Google kann das Web nicht nur nach Text, sondern auch rückwärts nach Bildern durchsuchen: Sie zeigen Google ein Foto - und Google zeigt Ihnen, an welchen anderen Stellen es im Netz auftaucht. Das hilft, Fälschungen auf die Schliche zu kommen. Denn wenn es schon in anderen Zusammenhängen veröffentlicht wurde, wurde es wohl kaum während oder nach einem aktuellen Ereignis aufgenommen.

Dazu rufen Sie zunächst die normale Google-Bildersuche auf. Mit einem Klick auf das Kamerasymbol kommen sie dann zur Rückwärtssuche. Fügen Sie einfach die URL eines Bildes ein oder laden Sie es von Ihrem PC hoch. Wenn Sie keinen Dienst von Google nutzen möchten, können Sie alternativ die Suchmaschine Tineye verwenden. Auf dem Smartphone lassen sich Rückwärtssuchen zum Beispiel auf der Webseite ctrlq.org durchführen.

In Google können Sie nach einem Klick auf "Tools" weitere Details zur Suche festlegen, zum Beispiel den Zeitraum. So können Sie feststellen, ob ein Bild, das angeblich eine aktuelle Situation zeigt, bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Netz zu finden war - und folglich nicht aktuell sein kann.

Der Exif-Viewer

Eine weitere Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit von Bildern zu überprüfen, ist das Exchangable Image File Format (Exif). Exif ist ein Standardformat für Informationen, die direkt in einer Bilddatei gespeichert werden. Dazu gehören etwa Datum und Uhrzeit der Aufnahme, das verwendete Gerät und unter Umständen sogar der Ort, an dem das Foto geschossen wurde. Nahezu alle modernen Digitalkameras und Smartphones speichern diese Informationen.

Die Daten verändern sich, wenn ein Foto in einem Bildbearbeitungsprogramm geöffnet und in einem neuen Format abgespeichert wird. Sie können anhand der Exif-Daten überprüfen, wann ein Bild aufgenommen und ob es schon einmal mit einem Bearbeitungsprogramm geöffnet wurde. Für die gängigen Browser gibt es verschiedene Exif-Viewer als kostenlose Erweiterungen, die diese Daten auf Wunsch direkt beim Surfen auslesen. Wenn Sie ein lokal gespeichertes Bild überprüfen wollen, können Sie die Daten von einem Bildbearbeitungsprogramm wie Photoshop, Gimp oder Irfanview auslesen lassen oder das Bild in einem Online-Exif-Viewer hochladen.

Auch durch die Exif-Daten erhalten Sie eher Indizien als Beweise für eine Fälschung - die Tatsache, dass ein Bild einmal neu abgespeichert oder in Photoshop geöffnet wurde, bedeutet nicht automatisch, dass es gefälscht wurde. Außerdem lassen sich auch Exif-Daten manipulieren - Social-Media-Fälscher vergessen das aber in ihrer Eile oft.

Amnesty International Youtube Dataviewer

Videos zu verifizieren, ist komplizierter als Bilder zu prüfen. Eine Rückwärtssuche gibt es nicht, und das Auslesen von Metadaten gestaltet sich ebenfalls schwieriger. Außerdem liegen Videos im Internet meistens nicht im Original vor, sondern werden bei einem Streamingdienst (meist Youtube) hochgeladen und dann eingebunden oder als Link verbreitet. Um einen ersten Anhaltspunkt für die Glaubwürdigkeit eines Videos zu erhalten, müssen Sie deshalb einen Umweg nehmen.

Amnesty International bietet einen praktischen Service an. Im Youtube Dataviewer können Sie einen Youtube-Link einfügen, dann durchsucht ihn das Programm. Der Dataviewer liefert Ihnen den genauen Zeitpunkt, an dem das Video hochgeladen wurde. Außerdem extrahiert er automatisch die Thumbnails (die Vorschaubilder, die vor Videostart zu sehen sind) aus dem Video und listet sie auf. Mit nur einem weiteren Klick kann direkt eine Bilder-Rückwärtssuche bei Google gestartet werden. So können Sie herausfinden, ob das Bild aktuell ist oder in anderen Zusammenhängen schon einmal aufgetaucht ist.

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Bots in sozialen Netzwerken können viele nützliche Funktionen übernehmen, aber auch Schaden anrichten. Auf Twitter verbreiten sie Spam, marktschreierisch politische Meinungen oder nehmen an Hasskampagnen teil, um das Opfer größtmöglichen Gegenwind spüren zu lassen.

Um einen Bot auf Twitter zu erkennen, können einige einfache Fragen helfen: Wie aktiv ist ein Account? Zu welchen Tageszeiten ist er aktiv? Postet er auch eigene Inhalte, oder reagiert und retweetet er nur? Diese Faktoren kann man selbst unter die Lupe nehmen - oder überlässt das Bot or Not, einem Projekt der Indiana University Bloomington.

Das Tool benötigt zuerst Zugriff auf Ihren eigenen Twitter-Account. Nur mit dieser Berechtigung kommt Bot or Not an die benötigten Daten. Danach können Sie einen beliebigen Account überprüfen lassen. Das Tool wertet öffentlich zugängliche Daten wie Frequenz und Zeitpunkt der Tweets oder die Zahl der Follower aus, nur eben sehr viel schneller und gründlicher als ein Mensch. Zum Schluss bekommen Sie die Daten einzeln aufgelistet. Relevant ist vor allem der zusammengerechnete Score, der angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit der geprüfte Account von einem Bot betrieben wird.

Hier gilt: Der Score kann lediglich einen Hinweis liefern, keine Gewissheit. Offensichtlich menschliche Accounts werden immer noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für Bots gehalten, und auch bei Bot-Accounts hält es das Tool immer für möglich, dass es sich um einen Menschen handeln könnte. Auch inaktive oder passive Accounts zählen schnell fälschlicherweise als Bot.

Bei Facebook-Bots hilft kein Erkennungs-Werkzeug

Falsche Accounts auf Facebook zu erkennen, ist schwieriger, denn Facebook begrenzt den Zugang zu seinen Schnittstellen stärker als Twitter. Eine automatische Auswertung oder ein Tool wie Bot or Not gibt es deshalb nicht. Zwar ist Facebooks eigene Bot-Erkennung recht gut und löscht viele Bots, bevor sie all zu viel Spam verbreiten können. Doch ein Rest überlebt. Um diese Bots zu enttarnen, helfen vor allem Skepsis und Aufmerksamkeit.

Martin Hoffmann ist Journalist und hat für die App " Resi" einen eigenen Nachrichten-Bot entwickelt. "Es gibt ein paar klassische Punkte, an denen man Bots auf Facebook erkennen kann", sagt er. "Hat die Person viele Freunde oder wenige? Wie häufig postet der Account - sind es verschiedene Posts, oder immer die gleichen? Wie alt ist der Account?" Bots hätten oft nicht viele Freunde, posteten identische Kommentare und lebten nicht besonders lange. Außerdem müssten sich Bots ihre Profilbilder irgendwoher klauen - mit einer Bilder-Rückwärtssuche könne man einigen auf die Schliche kommen.

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