Bundesregierung:Hegen und pflegen

Altmaier stellt 'Nationale Industriestrategie 2030' vor

Bundeswirtschaftsminister Altmaier stellte am Dienstag seine Industriestrategie vor.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gibt sich als Schutzpatron der deutschen Industrie. Er will Firmen notfalls finanziell fördern und vor Übernahmen schützen. Seine Industriestrategie klingt wie ein Plädoyer für "Germany first".

Von Cerstin Gammelin und Kristiana Ludwig, Berlin

Der Grund, weshalb Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag einen Saal voll Journalisten in sein Ministerium geladen hat, heißt Industriepolitik. Doch als er, mit zehn Minuten Verspätung, seine Stimme erhebt, spricht Altmaier erst einmal nicht über Firmen oder Fusionen. Nein, er will heute die ganz großen Linien zeichnen. "Es geht um die Frage, ob wir den enormen Wohlstand, den wir uns in 70 Jahren erarbeitet haben, in Zukunft behaupten und ausbauen können." Diese Frage sei "auch für den Zusammenhalt des Landes und für die Legitimation des demokratischen Systems von erheblicher Bedeutung". Drunter geht's nicht. Peter Altmaier wendet sich heute an das deutsche Volk. Es klingt fast wie ein Plädoyer für "Germany first", und man denkt ein paar Stunden weiter, was wohl US-Präsident Donald Trump sagen wird, wenn er sich dann an sein Volk wenden wird.

In Berlin vergehen jedenfalls viele Minuten, in denen der Wirtschaftsminister über die Welt berichtet, die sich immer schneller ändert, und über Deutschlands Konkurrenz zu Asien und zu den USA. Bis er schließlich verkündet, er wolle deutschen Unternehmen in Zukunft stärker mit staatlichem Geld unter die Arme greifen. Damit aus mittelständischen Firmen deutsche Konzerne wachsen können und damit ausländische Investoren nicht das deutsche Geschäft übernehmen, müsse sich notfalls der Staat an den Unternehmen beteiligen. Allerdings nur "für einen befristeten Zeitraum". Wieder wandern die Gedanken ab. Meint Altmaier die Deutsche Bank, die noch immer ein Geschäftsmodell sucht und ihre Altlasten zu bewältigen hat?

Altmaier redet immer weiter. Für solche staatlichen Eingriffe, sagt er, sei die Schaffung eines Beteiligungsfonds denkbar. Genauere Summen nennt der Minister nicht.

"Nationale Industriestrategie 2030" heißt das 20-seitige Konzept, das Altmaier erarbeitet hat. Dabei habe ihn die Entwicklung bei dem Robotikhersteller Kuka sehr geprägt, bei dem ein chinesisches Unternehmen nun das Sagen hat. Um die Zukunft von deutschen Unternehmen wie Siemens, Thyssenkrupp, den Autoherstellern oder der Deutschen Bank zu sichern, sollen Fusionen und Übernahmen leichter möglich sein. Dazu passt nicht so richtig, dass ein solches Großprojekt vor dem Aus steht. Nach SZ-Informationen will die EU-Kommission die geplante Zugfusion von Siemens und Alstom an diesem Mittwoch untersagen. Am Dienstag jedenfalls betont Altmaier noch, gerade in die Zuginfrastruktur in Europa müsse massiv investiert werden. Er will die Strategie mit Politik, Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften beraten. Die Opposition kritisierte das Papier. Es gehe "letztendlich um Planwirtschaft", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Reinhard Houben. Besser sei es, die Wirtschaft von Steuern und Abgaben zu entlasten sowie "von bürokratischen Hemmnissen".

Linken-Chef Bernd Riexinger warf Altmaier vor, er handele "nicht im gesellschaftlichen Interesse", sondern überlasse "willfährig weiter Konzernen die Macht". Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, "statt Großunternehmen zu Megakonzernen aufzublasen, muss sich die Bundesregierung zu klaren ökologischen und sozialen Zielen bekennen". Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sagte, für ein industriepolitisches Gesamtkonzept sei es "höchste Zeit". Es enthalte "eine Reihe diskussionswürdiger Vorschläge".

Altmaier gibt als Ziel aus, dass der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung in Deutschland bis 2030 auf 25 Prozent und in der EU auf 20 Prozent steigen soll. Es gebe eine gewaltige Dynamik in den neuen Industriezweigen, etwa bei der Elektromobilität, der Digitalisierung und bei der künstlichen Intelligenz, der größten Innovation seit Erfindung der Dampfmaschine. Wer die Entwicklung verschlafe, werde "die verlängerte Werkbank der anderen sein". Ohne China beim Namen zu nennen, kritisierte Altmaier das aggressive Auftreten einiger Staaten. Die Bundesregierung hat als Antwort auf einen versuchten Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns beim großen Stromnetzbetreiber 50 Hertz bereits die Hürden für Einstiege in sensiblen Branchen erhöht. Ob Huawei, einer der größten Anbieter der 5G-Mobilfunktechnik, in Deutschland zum Zuge kommt, ließ Altmaier offen.

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