Bundesrechnungshof:Schludriger Umgang mit Steuergeld - Kritik an Jobcentern

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"Schludriger Umgang mit Fördermitteln" in den Jobcentern. (Foto: Martin Schutt/dpa)
  • Der Bundesrechnungshof kritisiert Jobcenter, Fördermittel für die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen nicht richtig einzusetzen.
  • Indirekt wird den Jobcentern sogar die Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen. Manche Unternehmen kassierten demnach doppelt Fördergelder.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Um Arbeitslosen einen Job zu vermitteln, verfügt die Bundesagentur für Arbeit über ein Sammelsurium von Rezepten. Dazu gehören zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse. Diese können Arbeitgeber erhalten, wenn sie einen Langzeitarbeitslosen einstellen, der bislang von Hartz IV leben musste. Bis zu 75 Prozent vom Gehalt können die Unternehmen dabei bekommen, für maximal 24 Monate. 2014 gab die Bundesagentur für Arbeit dafür nach eigenen Angaben etwa 95 Millionen Euro aus, mehr als 9000 frühere Langzeit-Jobsucher schafften so zumindest vorübergehend den Sprung auf den Arbeitsmarkt. Doch nun hat der Bundesrechnungshof (BRH) die Förderung ungewöhnlich scharf kritisiert. Dies geht aus einer 35 Seiten starken Abschlussmitteilung des BRH an das Bundesarbeitsministerium hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Nur wenige Hartz-IV-Empfänger bekommen nach der Förderung einen regulären Job

Danach gelang es den Jobcentern "in den meisten Fällen nicht, mit der Förderung von Arbeitsverhältnissen Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen dauerhaft in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern". Knapp drei Viertel der früheren Hartz-IV-Empfänger hätten nur einen Job bei gemeinnützig tätigen Arbeitgebern oder Einrichtungen bekommen, die Förderprogramme der Bundesagentur für Arbeit umsetzten, kritisieren die Rechnungsprüfer. Bei mehr als 90 Prozent der geprüften Fälle habe es sich um befristete Arbeitsverträge gehandelt, "die in der Regel mit der Förderung endeten, sodass die Arbeitnehmer wieder arbeitslos wurden". Und nur in vier Prozent der Fälle sei es überhaupt gelungen, die Arbeitnehmer nach der Förderzeit "in eine unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einzugliedern".

Indirekt wirft der Bundesrechnungshof den Arbeitsvermittlern sogar die Verschwendung von Steuermitteln vor. So gab es in einigen Jobcentern die Möglichkeit, für die Einstellung von Langzeitarbeitslosen ebenfalls Landes- oder kommunale Mittel anzuzapfen. In knapp zwei Drittel dieser Fälle nutzten die Arbeitgeber diese zusätzliche staatliche Geldquelle. Doch nur ein Jobcenter rechnete dies, so wie es eigentlich sein müsste, auf die eigene Förderung an - die Unternehmen kassierten also doppelt. Dazu heißt es in dem Bericht: "Zwei Jobcenter erstatteten den Arbeitgebern aus Bundes- und Landesmitteln im Ergebnis sogar mehr als das Arbeitsentgelt für die Beschäftigten."

Andere schwere Versäumnisse werden vom BRH ebenfalls beanstandet: So fehlte bei fast jedem vierten geprüften Fall die Voraussetzung, um überhaupt Geld zuschießen zu können, zum Beispiel, weil die Person gar nicht mindestens ein Jahr am Stück arbeitslos war und nicht mindestens zwei weitere Vermittlungshemmnisse wie ein höheres Lebensalter, gesundheitliche Probleme oder fehlende Schul- oder berufliche Qualifikationen nachzuweisen waren. Auch mit der Betreuung der geförderten Arbeitnehmer sind die Rechnungsprüfer nicht zufrieden: Die Jobcenter hätten in mehr als zwei Drittel der Fälle während der sechsmonatigen Aktivierungsphase keine oder maximal zwei qualifizierte Beratungsgespräche mit den Leistungsberechtigten geführt. Auch danach habe es meist keine Beratungsgespräche gegeben.

Für fragwürdig hält der BRH zudem, dass die Jobcenter in 85 Prozent der untersuchten 370 Fälle stets den vollen Zuschuss von 75 Prozent gewährten, obwohl die Geförderten "zuvor mit einem anderen Förderinstrument zum Teil beim selben Arbeitgeber oder für dieselbe Tätigkeit beschäftigt waren und entsprechende Vorkenntnisse hatten". Bei einem Jobcenter hieß es dazu, die Arbeitgeber würden die Langzeitarbeitslosen nur einstellen, wenn sie die Höchstförderung bekämen.

Für die Prüfung der 370 Förderfälle hatte der Bundesrechnungshof im Jahr 2014 fünf Jobcenter untersucht, die von der Arbeitsagentur und einer Kommune gemeinsam geführt wurden. Hinzu kamen drei kommunale Jobcenter, 13 weitere wurden schriftlich befragt. Bundesweit gibt es insgesamt mehr als 400 Jobcenter. Die Bundesagentur für Arbeit will nun aufgrund der Kritik prüfen, "wie sie die Förderpraxis durch intensivere Schulungen der Beschäftigten und eine intensivere Fachaufsicht verbessern kann".

Ekin Deligöz, Haushaltsexpertin der Grünen im Bundestag, spricht von einem "schludrigen Umgang mit Fördermitteln". Diesen abzustellen, setze das Eingeständnis voraus, "dass die Jobcenter unterfinanziert und mehr Mittel für Maßnahmen und Personal erforderlich sind". Denn zu wenig Personal und eine hohe Arbeitsbelastung dürften zu den Hauptursachen für die bescheinigten Mängel gehören. "Dem sieht die Regierung aber weiterhin tatenlos zu", kritisiert Deligöz.

Die Arbeitsagenturen sollen zwar im nächsten Jahr 800 zusätzliche Stellen bekommen, um Flüchtlingen besser helfen zu können. Sie sind für Asylbewerber zuständig, solange deren Antragsverfahren läuft. Gleichzeitig erhalten die Jobcenter wegen der Flüchtlingskrise 2800 zusätzliche Jobs. Das ändere aber nichts an den vom Rechnungshof festgestellten Mängeln bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen, sagt die Grünen-Politikerin.

© SZ vom 22.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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