Mittelstand:Ins Netz gegangen

Serverschrank mit Netzwerkkabeln

Serverschrank mit Netzwerkkabeln: In der Ökonomie gelten Netzwerkeffekte als Ursache, warum Plattformen so mächtig werden können.

(Foto: Julian Stratenschulte/PA/dpa)

Ohne digitale Plattformen könnten viele Betriebe nicht mehr überleben - doch das bereitet auch Sorgen. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundesnetzagentur. Der Staat sollte Internetportale daher von vornherein stärker regulieren, fordert die Behörde.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Der "Marketplace" von Amazon, die Suchmaschine für Hotels oder die Bestell-Plattform für Pizza: Ohne Internetportale könnten viele kleine und mittelständische Unternehmen nicht mehr reüssieren - doch genau diese Abhängigkeit bereitet Gewerbetreibenden auch Sorgen. Zu diesem Ergebnis kommt die Bundesnetzagentur. Zuvor haben gut 200 Firmen in Deutschland der Behörde berichtet, welche Erfahrungen sie mit digitalen Plattformen machen.

Demnach befürchten drei Viertel der befragten Betriebe "erhebliche Schwierigkeiten", wenn sie im Markt bestehen müssten, ohne ihre Produkte auf Internetportalen zu bewerben oder zu verkaufen. "Gleichzeitig berichten die Unternehmen von vielfältigen Schwierigkeiten mit digitalen Plattformen", teilt die Netzagentur mit. Sie kritisieren etwa, wie Portal-Betreiber mit Beschwerden oder Kundenbewertungen umgehen. Betriebe monieren demnach auch die Doppelrolle von Internet-Konzernen, die sowohl eine Plattform betreiben als auch selbst darauf Waren anbieten.

In der Befragung geht es vor allem um Handelsplattformen und Vergleichsportale, aber auch um App-Stores oder Suchmaschinen. Viele teilnehmende Firmen berichten, dass digitale Portale den Wettbewerb beeinträchtigen, resümiert Jochen Homann, Präsident der Netzagentur. "Wir regen daher an, die Position von Gewerbekunden durch einen neuen regulatorischen Ansatz für digitale Plattformen zu stärken."

Die Netzagentur ist nicht die einzige Behörde, die sich kritisch mit der Macht der Portale auseinandersetzt: Auf EU-Ebene macht sich die Kommission ähnliche Gedanken, und auch das Bundeskartellamt will nach eigenem Bekunden Märkte im Netz offen halten - und vermeiden, dass Digitalkonzerne ihre Stellung ausnutzen. Die Wettbewerbshüter sind hierzulande beispielsweise gegen Amazon oder Facebook vorgegangen. Allerdings greift das Kartellamt klassischerweise erst ein, wenn es feststellt, dass Firmen marktbeherrschend sind.

Künftig sollte der Staat Wettbewerbshemmnisse unterbinden, bevor der Schaden eintritt, schlägt die Netzagentur vor. Etwa mit der Regel, dass Plattform-Betreiber einzelne Unternehmen nicht diskriminieren dürfen. Oder, dass Portale Zugang zu bestimmten Daten gewähren müssen, freilich unter Einhaltung der Datenschutz-Regeln. Der Staat müsste diese Regeln dann auch durchsetzen und überwachen. "Missbrauch von Marktmacht sollte vorbeugend verhindert werden", fordert Homann. "Ist der Schaden erst einmal eingetreten, ist es zu spät."

"Sobald die Nutzer abhängig sind, können Plattformen weitgehend autonom die Spielregeln setzen."

Seine Behörde beschäftigt sich vor allem deshalb mit Plattformen, weil ihr einige Phänomene aus anderen Bereichen bekannt vorkommen, für die sie ursprünglich zuständig ist. Beispielsweise setzt die Netzagentur in einem ihrer "Kerngeschäfte" durch, dass die Deutsche Telekom als früherer Monopolist Konkurrenten Zugang zum Festnetz gewähren muss - zu einem bestimmten Preis, versteht sich. Die Netzagentur regelt auch, dass Eisenbahn-Wettbewerber die Schienen der Deutschen Bahn mitnutzen dürfen - und nicht nur der Staatskonzern mit seinen eigenen Zügen.

In der Ökonomie gelten Netzwerkeffekte als Ursache, warum Plattformen so mächtig werden können: Wenn beispielsweise sehr viele Kunden denken, dass ihnen ein bestimmtes Portal den besten Überblick über einen Markt gibt, dann haben auch Anbieter einen hohen Anreiz, auf dieser Plattform vertreten zu sein. Das birgt die Gefahr, dass Gewerbetreibende nicht um einzelne Portale herum kommen. "Sobald die Nutzer abhängig sind, können Plattformen weitgehend autonom die Spielregeln setzen", warnt die Netzagentur, "und ihre Verhandlungsmacht nutzen, um die Bedingungen zu bestimmen."

Die Umfrage der Behörde läuft seit März; die meisten Teilnehmer seien kleine oder mittlere Firmen. Die Netzagentur will nach eigenem Bekunden weitere Erkenntnisse zu dem Thema sammeln.

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