Bundeshaushalt:Scholz will beweisen, dass er investieren kann

Bundeshaushalt: Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung gelten als oberste Priorität. Aber auch für Infrastruktur, Bundeswehr Wohnungsbau soll viel Geld ausgeben werden.

Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung gelten als oberste Priorität. Aber auch für Infrastruktur, Bundeswehr Wohnungsbau soll viel Geld ausgeben werden.

(Foto: dpa (3), Johannes Simon)
  • Olaf Scholz hat seinen ersten eigenen Entwurf für den Bundeshaushalt vorgestellt.
  • Er investiert viel mehr als sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble - die Investitionsquote über die Jahre sinkt jedoch.
  • Zudem sollen die Verteidigungsausgaben weiterhin unter der von Trump geforderten Quote liegen - was noch für Ärger sorgen dürfte.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Wer sich verspätet, verärgert normalerweise die Wartenden. Ganz anders war das am Dienstagmittag im Bundesfinanzministerium in Berlin. Dort nahm Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer die Entschuldigung seiner Finanzkollegin Bettina Hagedorn: "Ich bin zu spät, Berlin ist verstopft" als Steilvorlage, um auf die solide Arbeit des Bundesfinanzministeriums hinzuweisen. "Tja, wir investieren. Es gibt Baustellen überall."

Das Finanzministerium informierte über den Bundeshaushalt 2019, den der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Freitag ins Bundeskabinett bringen wird. Anders als der Etat 2018, der in dieser Woche im Bundestag beraten wird, ist jener von 2019 der erste ganz unter Scholz' Regie. Der Politiker steht dabei unter besonderer Beobachtung. Denn im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble von der CDU, der sich mit dem Ruf des Sparmeisters zu schmücken verstanden hatte, will Scholz beweisen, dass er investieren kann.

"Zukunftsorientiert, gerecht und solide" hat er den Entwurf des Haushaltes 2019 nebst dazugehöriger Finanzplanung bis 2022 betitelt. Gemessen wird Scholz jedoch nicht an der Überschrift, sondern an den Zahlen im Papier. Und die sind nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Man könnte die Haushaltsplanungen in einer kurzen Version so zusammenfassen: Der Sozialdemokrat will die Ausgaben von rund 344 Milliarden Euro in diesem Jahr auf rund 376 Milliarden Euro im Jahr 2022 steigern, aber keine zusätzlichen Schulden machen, also an der schwarzen Null festhalten. Die Gesamtverschuldung des Staates fällt wegen stabilen Wirtschaftswachstums nächstes Jahr wieder unter die erlaubte Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Es kann also kräftig investiert werden. Für Straßen, Schienen, Wasserwege, Kitas, Schulen, Universitäten, digitale Netze, Sozialwohnungen und Wohneigentum sind ab 2019 jeweils 37,9 Milliarden Euro jährlich eingeplant. Im Bundesfinanzministerium verweist man auf "hohe stabile Investitionen, wie wir sie lange nicht mehr gehabt haben". Und auf viele neue Stellen. In den Jahren 2018 und 2019 werden insgesamt 15 700 neue Jobs geschaffen und um die zweitausend entfristet. Es profitieren die Bundespolizei, der Zoll und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Und, ganz wichtig, sollten die Konjunkturprognosen schlechter werden, womöglich wegen der Trump'schen Handelspolitik, besteht kein Grund zur Panik. Man habe den Haushalt "gut abgesichert nach unten", heißt es. Was bedeutet: Es ist Luft nach oben in den Planungen.

Es besteht die Gefahr, dass es weiter so geht wie bisher

Unter der soliden Oberfläche der Haushaltsplanungen finden sich freilich auch einige Überraschungen. Die erste betrifft ausgerechnet das Herzensanliegen der Sozialdemokraten, also die Investitionen. Es stimmt zwar, dass Scholz viel mehr Geld ausgeben will als sein Vorgänger Schäuble. Auffällig ist allerdings, dass die Ausgaben des Bundeshaushalts insgesamt deutlich ansteigen, während die Investitionen über die Jahre konstant bleiben. Es bedarf keiner großen Rechenkünste, um zu sehen, dass die Investitionsquote sinkt. Im Bundesfinanzministerium heißt es dazu, man plane eben auf Sicht, könne jederzeit die Ausgaben steigern. Zudem verweist man auf kleinere Nebenhaushalte wie den Digitalfonds, den Energie- und Klimafonds, oder den Flutfonds, die nicht in den Investitionsausgaben enthalten sind und sich auf einige Milliarden Euro summieren. Und darauf, dass noch sieben Milliarden Euro nicht abgerufene Mittel vorhanden seien.

Letzteres ist ein grundsätzliches Problem. Vor allem im Verkehrsressort sind in den vergangenen Jahren Milliarden Euro nicht abgerufen worden. Immer wieder wurde der Zeitplan zum digitalen Ausbau in die Zukunft verschoben, weil es die Kommunen nicht schaffen, Unternehmen zu finden, die planen und bauen. Zwar sind in den neu geschaffenen Stellen auch solche für Planer und Ingenieure vorhanden, sie werden jedoch allein den digitalen Ausbau kaum spürbar beschleunigen können. Es besteht also die Gefahr, dass es weiter so geht wie bisher: Die Investitionsmittel bleiben liegen, weil nicht gebaut werden kann.

Mit Sicherheit werden die Mittel dagegen bei den Sozialleistungen ausgegeben, insbesondere bei der Rente. Dass die Ausgaben des Bundeshaushaltes ab 2021 erkennbar steigen, liegt daran, dass der steuerfinanzierte Anteil der Altersversorgung deutlich wächst. Die Leistungen an die Rentenversicherung steigen von 98 Milliarden Euro im kommenden Jahr auf 110 Milliarden Euro in 2022. Im Bundesfinanzministerium spricht man von einem "Rentenpaket", das vorbereitet ist. Darin enthalten sind Zuschüsse zur Rentenversicherung, zur Erwerbsminderungsrente, zur Mütterrente und zur Absicherung der sogenannten doppelten Haltelinie, die verhindern soll, dass das Rentenniveau abfällt. "Durchaus erwähnenswert", sei zudem die demografische Vorsorge bei der Rente. Ab 2021 sollen jährlich zwei Milliarden Euro zurückgelegt werden, um abgesichert zu sein, wenn die Babyboomer in Rente gehen.

Klar unter den internationalen Vorgaben liegen die Planungen der Ressorts Verteidigung sowie Entwicklungshilfe und Äußeres. Der Entwurf für 2019 sieht zwar eine kräftige Steigerung des Rüstungshaushalts um rund vier Milliarden Euro auf 42,90 Milliarden Euro vor. Damit erreicht die Bundesregierung allerdings nicht die angestrebte und von US-Präsident Donald Trump vehement eingeforderte Nato-Quote von 1,5 Prozent für Rüstungsausgaben, verglichen zum Bruttosozialprodukt. Deutschland wird 2019 wohl 1,31 Prozent erreichen, danach sinkt die Quote bis 2022 wieder auf 1,23 Prozent. Das dürfte für Ärger auf dem Nato-Gipfel kommende Woche sorgen. Allerdings gilt auch: Sollte das Wirtschaftswachstum schwächer ausfallen, näherte sich die Quote automatisch wieder den 1,5 Prozent an. Ähnliches gilt auch für die sogenannte ODA-Quote bei der Entwicklungshilfe.

Die Haushaltsplanungen weisen die flüchtlingsbezogenen Kosten nicht mehr extra aus. In den Jahren 2015 und 2016 schlugen sie mit etwa 20 Milliarden Euro zu Buche, für 2019 sind knapp 15 Milliarden Euro eingeplant, zuzüglich der Spitzabrechnungen der Kommunen. Nach der Sommerpause beginnt das parlamentarische Verfahren, Ende November soll der Bundestag abstimmen.

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