Süddeutsche Zeitung

Bundeshaushalt:Langer Bremsweg bis 2016

Der Bundesfinanzminister verspricht einen ausgeglichenen Haushalt: 2016 soll es so weit sein. Die Konjunktur könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Guido Bohsem, Berlin

Die Schuldenbremse ist ein einigermaßen kompliziertes Konstrukt. Wie und was genau zu berechnen ist, wissen letztlich nur die Experten. Die jüngste Erfolgsnachricht aus dem Haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mutet deshalb ziemlich skurril an: Im kommenden Jahr wird der Bund erstmals die Vorgaben der Schuldenbremse erfüllen - drei Jahre früher als ursprünglich geplant. Wer aber nun glaubt, dass der Haushalt 2013 damit ohne neue Schulden auskommt, der irrt. Die Bundesregierung will am Mittwoch der nächsten Woche eine Neuverschuldung von 18,8 Milliarden Euro beschließen. Erst 2016 soll es nach Schäubles Plänen einen tatsächlich ausgeglichenen Etat ganz ohne neue Schulden geben - den ersten seit mehr als 40 Jahren.

Wie kommt das? Das Ziel der Schuldenbremse ist nach Angaben des Ministeriums deshalb erreicht, weil das sogenannte strukturelle Defizit im nächsten Jahr auf die im Grundgesetz vorgeschriebene Marke von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen wird. Unter einem strukturellen Defizit versteht man das, was der Staat in Phasen eines normalen Wirtschaftswachstums an neuen Schulden aufnehmen muss, um die Ausgaben zu finanzieren. Schätzungen zufolge liegt dieser Wert für den Bund bei zehn Milliarden Euro. Dass die Neuverschuldung dennoch deutlich höher ausfällt, führen die Experten des Finanzministeriums auf den konjunkturellen Anteil der Neuverschuldung zurück. Dieser liege immer noch zu hoch und müsse weiter gesenkt werden.

Trotz des stärksten Booms der vergangenen 20 Jahre will Schäuble deshalb erst 2016 mit dem Abzahlen der Schuldenlast des Bundes zu beginnen. Mit einer Milliarde Euro will der Bund einen Teil des Krisenfonds tilgen, den er während der Wirtschaftskrise 2009 geschaffen hatte. Zum Vergleich: Die Gesamtverschuldung des Bundes liegt derzeit bei knapp 1300 Milliarden Euro.

Auch Schäubles Vorgänger Hans Eichel und Peer Steinbrück (beide SPD) hatten in ihrer Amtszeit Haushalte ohne neue Schulden in Aussicht gestellt. Beide konnten dieses Versprechen nicht einhalten - vor allem weil ihnen die Konjunktur einen Strich durch die Rechnung machte. Steinbrück musste seinem Nachfolger Schäuble sogar den Haushaltsplan mit der höchsten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik übergeben. Ein ähnliches Schicksal könnte auch Schäuble ereilen, zum Beispiel wenn die europäische Schuldenkrise auf Deutschland übergreifen sollte.

Sein Ministerium kündigte dennoch an, den Kurs zu einem ausgeglichenen Haushalt ohne weitere Sparmaßnahmen oder zusätzliche Einnahmen halten zu wollen. Es setzt dabei auf eine anhaltend gute Wirtschaftslage. Diese Prognose ist derzeit noch gedeckt. So rechnen beispielsweise die Steuerschätzer damit, dass die gute Konjunktur im laufenden Jahr einen weiteren Einnahmerekord beschert - zuletzt waren die Steuereinnahmen jedoch zurückgegangen. Auch auf der Ausgabenseite wird der Bundeshaushalt wegen der guten Wirtschaftslage entlastet. Die immer noch steigende Beschäftigung senkt zudem die Ausgaben für Langzeitarbeitslose, weil einige von ihnen durch die hohe Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt wieder einen Einstieg ins Berufsleben finden. Die Opposition hat der Koalition deshalb wiederholt vorgeworfen, sie bringe den Haushalt nur durch die gute Konjunktur in Ordnung.

Im Bundesfinanzministerium wies man die Kritik erneut als gegenstandslos zurück. "Wir setzen unseren Kurs der wachstumsfreundlichen Konsolidierung fort", hieß es aus der Ministeriumsspitze. So habe die Koalition der Versuchung widerstanden, eine sogenannte Wachstumsdividende auszuschütten. Übersetzt heißt das in etwa: Wir haben uns zurückgehalten, was zusätzliche Ausgaben angeht. Womit man wahrscheinlich noch einmal auf das in der Koalition heiß umstrittene Betreuungsgeld zu sprechen kommen muss. Denn die Gegenfinanzierung für die Kosten von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2014 ist offen und muss erst noch gefunden werden.

Durch die Krise spart Deutschland Milliarden

Die Ausgaben sollen 2013 mit 302,2 Milliarden Euro um etwa zehn Milliarden Euro unter denen des laufenden Jahres liegen. 2014 und 2015 sollen sie gering um 0,2 und 0,1 Prozent steigen.

Besondere Unterstützung erhält die Koalition auch 2013 ausgerechnet durch die Finanzkrise. Weil deutsche Staatsanleihen auch weiterhin an den Anleihemärkten sehr gefragt sind, sinken die Zinsausgaben des Bundes im Vergleich zu den Erwartungen im März noch einmal deutlich um 3,1 Milliarden Euro. Negativ ins Gewicht fällt die Tariferhöhung des Bundes. Sie kostet 1,2 Milliarden Euro.

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SZ vom 23.06.2012/bbr
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