Bundeshaushalt:Das Milliarden-Erbe der großen Koalition

Die künftige Bundesregierung erbt eine Rekord-Rücklage. Das liegt allerdings nicht an der Sparsamkeit von Union und SPD.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Die große Koalition ist nur einen Knopfdruck weit entfernt von einem Rekord, den es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. Sie wird der nächsten Bundesregierung, die nach der Bundestagswahl am 24. September die Geschäfte übernehmen wird, eine finanzielle Rücklage von 19 Milliarden Euro hinterlassen. Es ist Geld, das im Wahlkampf viele Begehrlichkeiten wecken wird.

In den nächsten Tagen will das Bundesfinanzministerium die "goldene Buchung" vornehmen. Dann fließen rund 6,2 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss aus dem Jahr 2016 zu den bereits in einer Rücklage geparkten 12,8 Milliarden Euro aus dem Haushalt des Jahres 2015. Das addiert sich auf jene 19 Milliarden Euro, die offiziell für unerwartete Flüchtlingskosten vorgesehen sind, über deren Verwendung die Wahlsieger des Jahres 2017 aber weitgehend frei entscheiden können. Sie können investieren, Flüchtlingen helfen oder Bürger entlasten - vieles ist möglich.

Bundestag - Generalaussprache

Falls Finanzminister Schäuble erneut in die eigenen Fußstapfen tritt, kann er sich am eigenen Milliarden-Erbe erfreuen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die SPD wollte den Überschuss investieren, die Union wollte dagegen Schulden tilgen

Dass die nächste Koalition ein so üppiges Taschengeld vorfinden wird, liegt auch daran, dass die scheidende große Koalition ihr Regierungshandeln beendet hat. Am Dienstagabend hatten die Koalitionsspitzen von Union und SPD einen letzten Versuch unternommen, sich auf die Verwendung des Haushaltsüberschusses aus dem vergangenen Jahr zu einigen - allerdings erneut vergebens. Es kam kein Kompromiss zustande, auch weil sich die Parteien mittlerweile im Wahlkampfmodus befinden. Die SPD plädierte für zusätzliche Investitionen, die Union dagegen dafür, Schulden zu tilgen. Um die Schuldentilgung durchzusetzen, hätte allerdings das Haushaltsgesetz geändert werden müssen. Einem entsprechenden Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium stimmte die SPD nicht zu, damit hatte Minister Wolfgang Schäuble keine Mehrheit. Weil es keine Einigung gab, fließen die 6,2 Milliarden automatisch in die bereits bestehende Rücklage zur Bewältigung der Flüchtlingskosten.

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Die Koalitionsspitzen waren am Mittwoch bemüht, ihren Misserfolg bei den Verhandlungen am Vortag kleinzureden. Das Bundesfinanzministerium könne sich jetzt "ein Schild an die Tür hängen: wegen Reichtums geschlossen", kritisierte ein SPD-Staatssekretär die Weigerung der Union, den Überschuss wenigstens teilweise in marode Schulen zu investieren. In der Union hieß es dagegen, Schäuble hinterlasse "jedenfalls keine verbrannte Erde".

Tatsächlich ist Schäuble der erste Bundesfinanzminister, der seinem Nachfolger - nicht ausgeschlossen, dass er selbst noch einmal in seine Fußstapfen tritt - nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt hinterlässt, sondern sogar 19 Milliarden Euro, mit denen dieser politische Versprechen aus dem Wahlkampf einlösen könnte. In früheren Jahren sah dies ganz anders aus. Erinnert sei nur an das Wahljahr 2002, als sich die damalige rot-grüne Bundesregierung von der Opposition den Vorwurf gefallen lassen musste, den Haushalt rosiger darzustellen, als er tatsächlich war. Nach dem neuerlichen Wahlsieg von Rot-Grün setzte die Opposition Anfang 2013 sogar den Untersuchungsausschuss "Wahlbetrug" durch. Er sollte klären, ob die Bundesregierung vor der Wahl im September 2002 die später festgestellte Leere in der Staatskasse verschwiegen hatte, um wiedergewählt zu werden. Das Gremium war allerdings weitgehend erfolglos. Auch nach der Einvernahme von 28 Zeugen und der Lektüre von etwa 40 000 Blatt Papier aus Ministerien und Bundeskanzleramt blieb der Untersuchungsausschuss den Beweis schuldig, dass der damalige Finanzminister Hans Eichel vor der Bundestagswahl die Unwahrheit gesagt haben könnte. Es gab auch keinen Beweis, dass sich Eichel mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder verschworen haben könnte, um der Öffentlichkeit aus wahltaktischen Erwägungen die Wahrheit zu ersparen.

Der Haushalt 2018, so viel steht jetzt schon fest, wird ohne neue Schulden geplant werden. Zwar fehlen nach offiziellen Angaben aus dem Bundesfinanzministerium derzeit noch knapp fünf Milliarden Euro, allerdings liegen eben auch 19 Milliarden Euro in der Rücklage. Es bleibt den Rechenkünsten der erfahrenen Haushälter überlassen, die Planung auf eine schwarze Null hinauslaufen zu lassen.

Derzeit finden dazu die letzten Abstimmungen statt. Die Eckwerte des Budgets 2018 werden Mitte März vorgestellt. Das Bundeskabinett wird den Haushaltsentwurf vor der Sommerpause beschließen. Danach wird sich erst wieder die neue Bundesregierung damit beschäftigen.

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