Bundesgerichtshof: Urteil zur Selbstanzeige:Steuerbetrug - nur die totale Reue zählt

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Selbstanzeige - und alles ist gut? Mitnichten, sagt jetzt der Bundesgerichtshof. Steuerhinterzieher müssen "komplett reinen Tisch" machen, alles offenbaren und völlig zur "Steuerehrlichkeit zurückkehren". Die Reue muss total sein.

Wolfgang Janisch

Mit einer Grundsatzentscheidung erhöhen die Karlsruher Richter den Druck auf Steuerhinterzieher. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat festgelegt, dass Steuerhinterzieher künftig nur bei einer umfassenden und frühzeitigen Selbstanzeige straffrei ausgehen. Der Täter müsse "reinen Tisch" machen und dem Fiskus auf einen Schlag sämtliche verborgenen Einkünfte angeben.

Ein Steuerhinterzieher bekommt keine Strafbefreiung, wenn er nicht völlig zur "Steuerehrlichkeit zurückkehrt". (Foto: ag.ddp)

Die bisher erlaubte Strategie, nur Teile hinterzogener Einkünfte offenzulegen, ist damit nicht mehr möglich. "Eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist dann gegeben, wenn der Täter nunmehr vollständige und richtige Angaben, mithin reinen Tisch, macht", heißt es in dem Beschluss des 1. Strafsenats, der am Freitag veröffentlicht wurde. Eine teilweise Berichtigung einer unvollständigen Einkommenserklärung, die Zinseinkünfte eines Kontos angebe, aber weitere Konten verschweige, reiche nicht aus. Die Strafbefreiung "tritt erst dann ein, wenn die Angaben insgesamt richtig sind", heißt es im Beschluss. (Az: 1 StR 577/09)

Neues Ziel der Selbstanzeige

Von der strafbefreienden Selbstanzeige wurde vor allem seit dem Ankauf einer CD mit Kontoinformationen aus der Schweiz durch das Land Nordrhein- Westfalen massenhaft Gebrauch gemacht. Mit der deutlichen Beschränkung dieser Praxis kommt der BGH dem Gesetzgeber zuvor. Die schwarz-gelbe Koalition hatte eine entsprechende Pflicht zur vollständigen Selbstanzeige bereits geplant.

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass der Zweck der Selbstanzeige, zusätzliche Steuerquellen zu erschließen, wegen der verbesserten internationalen Zusammenarbeit an Bedeutung verloren habe. Das Ziel, die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu fördern, verlange deshalb größeres Gewicht.

Eine teilweise Selbstanzeige kann dem Beschluss zufolge auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Steuerhinterzieher seine Schulden nicht in angemessener Frist nachzahlen könne. Das war nach Angaben von Kirsten Bäumel, Steuerrechtsexpertin beim Deutschen Anwaltverein, bisher durchaus Praxis. "Da wird man sich umstellen müssen", sagte sie.

Notfalls schätzen

Markus Deutsch, Sprecher des Deutschen Steuerberaterverbandes, wies darauf hin, dass bisher eine Selbstanzeige für ein bestimmtes Steuerjahr strafbefreiend gewertet worden sei, auch wenn Einnahmen früherer Jahre nach wie vor verschwiegen worden seien. Laut BGH sei dies nun wohl nicht mehr möglich. Konsequenzen sieht Rechtsexpertin Bäumel zudem für jene Betroffenen, die nach dem Ankauf der Steuer-CD Selbstanzeige erstattet haben, aber noch auf die entsprechenden Unterlagen ihrer Schweizer Banken warten. Weil Steuerschuldner laut BGH "alle erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung" vorzulegen hätten, müssten die Steuerberater hier vorsichtshalber zu großzügigen Schätzungen raten.

Der BGH dringt zudem auf eine möglichst frühzeitige Selbstanzeige, weil sie nur dann zu Straffreiheit führt, wenn die Tat noch nicht "entdeckt" ist. "Entdeckt" könne die Hinterziehung aber schon vor einer Überprüfung der Steuererklärung sein, etwa durch die Angaben eines Zeugen. Nach Einschätzung von Bäumel reicht aber die bloße Möglichkeit, der eigene Name werde sich auf einer Steuer-CD finden, wohl noch nicht für eine Entdeckung, sodass eine Selbstanzeige noch für eine gewisse Zeit möglich sei.

© (SZ vom 29.05.2010) - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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