BundesgerichtshofMehr Rechte für unverheiratete Paare

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Partner mit Kindern müssen ihre eigenen Eltern nur dann unterstützen, wenn genug Einkommen übrig ist.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat unverheiratete Paare mit Kindern von möglichen Zahlungsansprüchen für die Pflege ihrer eigenen Eltern deutlich entlastet. Nach dem Urteil muss ein Elternteil vorrangig den Unterhalt an seine Partnerin oder seinen Partner bestreiten, der für die Betreuung gemeinsamer Kinder zuständig ist. Dieser sogenannte "Betreuungsunterhalt" wird angerechnet, so dass eine Zahlungspflicht gegenüber den eigenen Eltern nur dann besteht, wenn überhaupt noch weiteres Einkommen verfügbar ist. Das ist nur bei einigermaßen guten Einkommensverhältnissen der Fall, weil vor der Zahlung von Unterhalt für die eigenen Eltern ein Selbstbehalt von derzeit 1800 Euro sowie weitere Kosten etwa für die Altersvorsorge abzugsfähig sind (Az: XII ZB 693/14).

Neu an dem Urteil ist, dass der BGH den Eltern die Entscheidung weitgehend freistellt, ob Mutter oder Vater auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet und sich stattdessen um die Kinder kümmert. Normalerweise gilt in diesen Fällen, dass der Unterhalt für die Betreuung gemeinsamer Kinder nur für drei Jahre garantiert ist. Danach kommt es darauf an, ob beispielsweise ein Kita-Platz verfügbar ist oder es dem betreuenden Elternteil aus anderen Gründen möglich ist, wenigstens Teilzeit zu arbeiten. Nach den Worten des BGH-Senatsvorsitzenden Hans-Joachim Dose gilt diese Pflicht, trotz Kinderbetreuung möglichst bald wieder einen Job anzunehmen, aber nur für den Fall, dass die Eltern sich getrennt haben und deshalb um Unterhalt streiten. Leben sie dagegen zusammen, könnten sie die Betreuung so gestalten, wie sie das für richtig hielten: "Wenn die Eltern das einvernehmlich so entscheiden, dann haben wir das zu akzeptieren."

Praktisch drehen sich all diese Streitigkeiten nicht um Unterhaltsklagen der pflegebedürftigen Eltern selbst, sondern um Regressansprüche der Sozialhilfeträger, die Heim- und Pflegekosten vorgestreckt haben. Im konkreten Fall ging es um einen 1941 geborenen Mann, der vom Pflegedienst in der eigenen Wohnung betreut wurde. Seine Rente von 850 Euro und der Pflegesatz von 1500 Euro reichten nicht aus, fast 1000 Euro blieben ungedeckt. Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte den Sohn des pflegebedürftigen Mannes zu Unterhalt von rund 270 Euro pro Monat verurteilt. Der Mann, sein Nettoeinkommen liegt bei gut 3300 Euro, lebt mit seiner Lebensgefährtin, einer gemeinsamen Tochter sowie ihren beiden Kindern zusammen. In dem Prozess hatte sich sein Anwalt auf einen sogenannten "Familienselbstbehalt" berufen, den Familien nach einem BGH-Urteil von 2010 in Abzug bringen dürfen, bevor das Sozialamt Regress nehmen darf. Allerdings gilt dieser Selbstbehalt nur für verheiratete Eltern. Der BGH-Familiensenat hat es nun zwar abgelehnt, dieses Urteil auch auf Unverheiratete zu übertragen - hat nun aber über die ziemlich großzügige Abzugsfähigkeit von Unterhaltskosten für eine Entlastung von Paare ohne Trauschein gesorgt.

In der Praxis, darauf weist Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz hin, werde die Belastung von Familien durch den sogenannten Elternunterhalt meist überschätzt. Die Kinder pflegebedürftiger Eltern trügen mit etwa 68 Millionen Euro jährlich zur "Hilfe zur Pflege" bei - ein kleiner Anteil an den Gesamtkosten von 3,83 Milliarden Euro. Tatsächlich hat der BGH seit Jahren mit Freibeträgen und Abzugsmöglichkeiten dafür gesorgt, dass die sogenannte Sandwich-Generation - die sich Ansprüchen von beiden Seiten ausgesetzt sieht und zudem die Hauptsteuerlast trägt - nicht über Gebühr belastet wird.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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