Die Firma Birkenstock hat ein gutes Jahr hinter sich, auch für 2025 sind die Prognosen gut. Und die einst als hässlich geschmähten Bequem-Sandalen aus dem Hause des einstigen Familienunternehmens, das seit 2021 zum französischen Luxusgüterkonzern LVMH gehört, haben längst Kultstatus. Eigentlich läuft also alles gut, trotzdem möchte Birkenstock eine Frage geklärt wissen: Geht der grobe Riemenschuh mit dem Korkfußbett auch als Kunstwerk durch?
An diesem Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe über drei Klagen des Herstellers gegen mutmaßliche Nachahmer des bisher eher unter orthopädischen denn unter künstlerischen Aspekten gepriesenen Schuhwerks. Das Unternehmen will einige seiner Modelle urheberrechtlich schützen lassen – als Werke der angewandten Kunst. Die Sandale strahle eine moderne und ehrliche Ästhetik aus, ein „brutalistisches Schuhwerk“ mit skulpturaler Design-Handschrift, das auf funktionslose Ornamentik verzichte, so formulierte es eine von Birkenstock beauftragte Gutachterin. Kunst muss nicht schön sein, so darf man das zusammenfassen.
Das Urheberrecht ist der letzte juristische Trumpf, denn mit einer Wettbewerbsklage war Birkenstock beim Landgericht Köln gescheitert. Und der bei Waren dieser Art übliche Design-Schutz scheidet ebenfalls aus, weil die Sandalen-Klassiker gar nicht eingetragen waren; die Schutzfrist wäre zudem längst abgelaufen.
Aussichtslos ist die Klage des Unternehmens beim Bundesgerichtshof nicht
Der Schuh als Kunstwerk? Dass dies gar nicht so abwegig ist, zeigt ein Blick auf die Gerichte europäischer Nachbarn. In den Niederlanden erhielt eine Schuhsohle Urheberrechtsschutz, in Italien Moonboots, in Frankreich Sandalen. Beim Oberlandesgericht (OLG) Hamburg sieht es für Birkenstock ganz gut aus, das Verfahren läuft noch. Beim OLG Köln war Birkenstock mit der Klage zwar gescheitert, doch ein Fünkchen Hoffnung für die Revisionsinstanz beim BGH blitzte aus dem schönen Satz: „Sandalen sind allerdings potenziell urheberrechtsschutzfähig.“ Nur müsse der Schuh eben eine „persönliche geistige Schöpfung“ darstellen, ein Original mit ästhetischem Gehalt, in dem sich die „freie kreative Entscheidung“ des Urhebers widerspiegle.
Der Schuh muss also mehr sein als nur ein Schuh, dessen Form der Funktion folgt. „Kunst beginnt mit einer Idee, Design mit einer Aufgabe“, dozierte das OLG Köln. Und an dieser Idee fehle es nun mal bei den Birkenstock-Sandalen. Der Riemen halte sie am Fuß, die Sohlenplastik sei einer Trittspur im Sand nachgebildet. Das hielt das Gericht für zweckgerichtet, nicht für schöpferisch. Der inzwischen 88-jährige Karl Birkenstock, Schöpfer der Modelle, sei damit letztlich „im Bereich des handwerklichen Könnens eines Schuhmachers“ verblieben.
Das will Konstantin Wegner, Anwalt des Unternehmens, nicht so stehen lassen. Das Sandalen-Modell sei damals revolutionär gewesen, ein Design ganz ohne Schnörkel. „Wir betrachten die Birkenstock-Sandale als den Porsche unter den Sandalen“, sagte er der SZ. „Dass sie kopiert wird, zeigt doch, wie einzigartig sie ist.“ Sollte er damit beim BGH Erfolg haben, wäre die Sandalen-Kunst nach dem Tod des Erfinders noch 70 Jahre lang geschützt – also womöglich bis ins nächste Jahrhundert.