Bundesfinanzministerium :Warum nicht mal ein Politologe?

Bundesministerium der Finanzen Berlin Deutschland Federal Ministry Finance of Germany Berlin

Das Finanzministerium soll künftig nicht nur für Juristen und Volkswirte offen stehen.

(Foto: Liesa Johannssen/imago)

Jahrzehntelang stellte das Bundesfinanzministerium fast nur Juristen ein. Nun soll es mehr Vielfalt geben. Wirtschaftswissenschaftler, Politologen und auch Abgänger privater Hochschulen sollen bessere Chancen haben.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Monokulturen schaden ja bekanntlich den Äckern, auf denen sie angebaut werden. Ähnliches ist über die Jahre auch dem Bundesministerium der Finanzen widerfahren. Dort hat die zuletzt von dem früheren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gepflegte Praxis, nur seinesgleichen, also Juristen, die alles können, einzustellen, und höchstens mal einen Volkswirt, für so heftige Kritik gesorgt, dass Nachfolger Olaf Scholz (SPD) nun den Blick weiten und das Ministerium für weitere Berufsgruppen öffnen will. Und zwar ab sofort.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll das Bundesfinanzministerium ab Februar neben Juristen und Volkswirten auch Politologen, Verwaltungswissenschaftler und Absolventen privater Hochschulen offen stehen. Das klingt banal, ist aber gemessen an den Traditionen ein echter Umbruch.

Wie man im Ministerium betont, reagiert Scholz damit insbesondere auf Forderungen aus den eigenen Fachabteilungen, aber auch auf Hinweise von Dritten. Beanstandet wurde immer wieder, dass die Geschicke des wichtigen Finanzressorts zu sehr von ökonomischen Laien bestimmt werden. Auch im europäischen Ausland hatte man den Kopf geschüttelt über die dogmatischen Paragrafenreiter aus der Berliner Wilhelmstraße. Weil vor allem Juristen das Sagen hatten, diskutierte man etwa bei der europäischen Bankenunion mehr über Paragrafen als über fachliche Inhalte.

Die juristische Monokultur in der Wilhelmstraße ist historisch gewachsen und gewollt. Geradezu elitär ging man davon aus, dass Juristen alle Positionen im Finanzministerium besetzen könnten. Erst später kamen Volkswirte dazu. Den beiden Berufsgruppen wurde die "Hauseignung" zugestanden; sie galten als ausreichend qualifiziert, um alle Funktionen ausfüllen zu können. Alle anderen Studiengänge galten als unterqualifiziert.

Den eindimensionalen Höhepunkt hatte die Führungsspitze unter Schäuble erreicht. Der Minister: Jurist. Die drei wichtigsten Mitarbeiter, also die beamteten Staatssekretäre: Juristen. Von neun Abteilungsleitern: sieben Juristen. Die größte Gruppe bei den Unterabteilungsleitern: Juristen. Ökonomen waren stets in der Minderheit. Und, mal von der fachlichen Qualifikation abgesehen, war auch eine weitere Monokultur unübersehbar. Die Schalthebel des Ministeriums waren ausschließlich in männlicher Hand.

Mit dem Einzug von Scholz hat sich zumindest der Sachverstand ein wenig diversifiziert. Mit dem Vize-Chef der SPD sind einige Genossen mit anderen Studiengängen ins Haus gekommen. Zwar ist auch Scholz ein männlicher Rechtsgelehrter, aber immerhin sind zwei seiner vier verbeamteten männlichen Staatssekretäre Ökonomen. Künftig sollen auch die Fachabteilungen diverser besetzt und etwa Ökonomen mit Masterabschluss eingestellt werden, die aus der angelsächsischen Welt kommen und mit ihren Erfahrungen die oft eindimensional geführte deutsche Debatte über Sparen und Schulden beleben können. Das können auch Absolventen diverser privater Hochschulen sein, die bisher kaum eine Chance auf eine Karriere im Ministerium hatten. Gesucht werden zudem Experten für den digitalen Umbau großer Ministerien sowie Fachleute, die Finanz- und Haushaltspolitik politisch einordnen. Das Bundesfinanzministerium will nach eigenen Angaben auch bei der Bezahlung attraktiver werden. Erfahrene Mitarbeiter etwa aus Kanzleien sollen nicht mehr zur Bundesbank wechseln, nur weil sie dort deutlich besser verdienten als im Ministerium.

Die Einstellungspraxis in deutschen Ministerien unterliegt strengen Regeln. Grundsätzlich werden nur Leute eingestellt, die verbeamtet werden können. Dazu müssen sie bestimmte Noten, fachliche Leistungen sowie weitere Kenntnisse in einem speziellen Test nachweisen. Wie immer, wenn sich etwas ändert, gibt es natürlich auch Kritik an der neuen Einstellungspraxis. Sie kommt vor allem von jenen, die die elitäre Juristerei unterstützt hatten.

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