Süddeutsche Zeitung

Geldpolitik:Joachim Nagel soll Chef der Bundesbank werden

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Die Bundesregierung nominiert den Volkswirt als Nachfolger des scheidenden Präsidenten Weidmann - offiziell auf Wunsch der SPD. Der Vorschlag kam aber wohl aus einer anderen Partei.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Noch kurz vor Weihnachten soll es einen (fast) fliegenden Wechsel an der Spitze der Bundesbank geben. An diesem Dienstag wird der bisherige Präsident Jens Weidmann von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Entlassungsurkunde überreicht bekommen. Einen Tag zuvor bestätigen Regierungskreise, dass sein Nachfolger an der Spitze der deutschen Notenbank ein national wie international erfahrener Banker werden soll: Joachim Nagel, 55.

Die Personalentscheidung geht auf eine innerkoalitionäre Verabredung zurück, die vor allem zwischen SPD und FDP getroffen worden ist. Die SPD hatte sich in den Verhandlungen mit Grünen und FDP das Vorschlagsrecht für die Weidmann-Nachfolge gesichert - informell allerdings, also ohne Notiz im Koalitionsvertrag. Die FDP hatte zugestimmt unter der Bedingung, dass sie der Personalie zustimmen müsse - ebenfalls informell.

Am Montag hieß es in Berlin, die FDP habe Nagel in die Nachfolgedebatte eingespeist, offiziell aber sei es ein SPD-Vorschlag. Würden Personalentscheidungen nicht grundsätzlich vertraulich getroffen, könnte man fast den Eindruck bekommen, dass FDP und SPD gerade die erste klassische Hinterzimmer-Entscheidung getroffen hätten. Umso mehr, als ja das Vorschlagsrecht der Grünen in einer anderen Personalentscheidung, des nächsten deutschen EU-Kommissars, ordentlich im Koalitionsvertrag vermerkt ist.

Nagel dürfte aus Sicht von SPD und FDP als idealer Kandidat gelten, weil er SPD-Mitglied und zugleich stabilitätsorientiert ist. Damit wird sowohl die sozialdemokratische Seite befriedet als auch die FDP, die sich als finanzpolitischer Stabilitätsanker der Ampelkoalition inszenieren will. Über die Berufung entscheidet die Bundesregierung, das letzte Wort hat der Bundespräsident.

Der Volkswirt Nagel war bereits von 2010 bis 2016 Mitglied des Vorstands der Bundesbank gewesen, er war damals nachgerückt für den zurückgetretenen Thilo Sarrazin. Bis 2020 saß er dann im Vorstand der staatlichen KfW-Bankengruppe und war seither Mitglied des Managements der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

EZB-Direktorin Schnabel galt als aussichtsreiche Kandidatin

Neben Nagel hatte es weitere Kandidaten und Kandidatinnen für die Nachfolge gegeben. Als besonders aussichtsreich hatte lange EZB-Direktorin Isabell Schnabel gegolten. Schnabel gilt als überparteilich und sehr erfahren. Ihre Berufung wäre auch ein Signal aus Berlin gewesen, dass die Bundesregierung mittelfristig nach dem Präsidentenamt der Europäischen Zentralbank (EZB) greift. Wäre Schnabel in die Bundesbank gewechselt, hätte sie ausgezeichnete Chancen gehabt, die Nachfolge von Christine Lagarde in sechs Jahren antreten zu können.

Weidmann war unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Bundesbankpräsidenten berufen worden. Mit dem Abschied von Merkel nahm auch ihr Vertrauter vorzeitig seinen Hut. Weidmann scheidet auf eigenen Wunsch aus - auch, weil er bis zuletzt ein Gegner der lockeren Geldpolitik der EZB gewesen war und immer wieder allein gegen deren Beschlüsse gestimmt hatte. Nagel dürfte nun dasselbe passieren.

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