EZB-Dokumente:Anlegen wie der Bundesbank-Boss

Lesezeit: 3 Min.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann setzt privat auf sogenannte ETFs. (Foto: REUTERS)
  • Dokumente der Europäischen Zentralbank zeigen, wie Bundesbank-Chef Jens Weidmann sein Geld anlegt.
  • Experten sind nicht von allen Ideen begeistert. Trotzdem können sich Privatanleger etwas abgucken.

Von Victor Gojdka, München

Eigentlich ist Bundesbank-Chef Jens Weidmann ein eher kategorischer Typ. Anlagetipps vom obersten deutschen Währungshüter? Würde er nie geben. "Dafür sind Banken und Finanzberater da", so schmetterte Weidmann einmal eine entsprechende Frage ab. Nun allerdings musste Weidmann sein gut gehütetes Geheimnis lüften: Wie legt er ganz persönlich sein Geld an? Die Einsichten des mächtigen Mannes dürften viele Privatanleger interessieren.

Weidmanns Rezept findet sich versteckt auf Seite 78 eines Dokumenten-Konvoluts der Europäischen Zentralbank. Hohe Tiere, die in den verschlungenen Zwillingstürmen der Zentralbank etwas zu sagen haben, müssen nun nämlich angeben, ob sie Anteile an Firmen oder Finanzprodukten an der Börse halten. Die EZB hat diese Dokumente nun erstmals veröffentlicht - und gewährt damit einfachen Privatanlegern Einblick in die Aktienstrategie des mächtigen Mannes.

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Und die ist auf den ersten Blick überraschend: Der Bundesbanker setzt auf den deutschen Aktienmarkt - und ansonsten auf die ganze Welt. Was nach einer komplizierten und aufwendigen Sache klingt, ist in Wirklichkeit aber ganz simpel. Weidmann braucht für diesen Spagat sogar nur zwei spezielle Finanzinstrumente.

Wie das geht? Weidmann setzt auf das, was manche Finanzberater inzwischen das "achte Weltwunder" nennen: Er investiert an der Börse in sogenannte ETFs, die oft auch Indexfonds heißen. Sie zeichnen einen Aktienindex wie den Dax eins zu eins nach. Steigt der Dax um ein Prozent, zieht auch der ETF um ein Prozent an. Muss der deutsche Leitindex Punkte lassen, fällt auch der ETF entsprechend. Meistens kosten diese speziellen Indexfonds nicht einmal viel Gebühren - und sind auch für Laien an der Börse zugänglich. Nicht nur für Geld-Profis wie den Bundesbanker.

Weidmann hält zwei solcher Indexfonds in seinem Portfolio. Einen, der dem Lauf des deutschen Leitindex Dax folgt. Und einen zweiten, der auf den kryptischen Namen MSCI All Country World Index hört. Oder kurz: MSCI ACWI.

Anleger sollten sich von diesem Buchstaben-Monstrum nicht abschrecken lassen, denn hinter der verklausulierten Zeichenfolge steht nicht weniger als ein Welt-Aktienindex. Er beinhaltet Aktienwerte aus 23 Industrieländern und 24 Schwellenländern. "So können Anleger im Prinzip die ganze Welt kaufen", sagt Berater Adrian Roestel vom Vermögensverwalter Huber, Reuss und Kollegen.

Doch ist Weidmanns Aktienstrategie nicht nur einfach und günstig, sondern auch sinnvoll? Vermögensberater melden da Zweifel an, Weidmann tappt mit einem Teil seines Investments nämlich in die Falle. Dass er dem Lauf des Dax folgt und damit seinen Patriotismus zur Schau stellt, kostet ihn bares Geld.

Denn auch wenn der Dax jeden Abend kurz vor der Tagesschau über Millionen Fernsehbildschirme im ganzen Land flimmert, müssen Experten Erstaunliches konstatieren: Der Aktienindex ist seit einigen Jahren zum Krisenfall geworden. Vor vier Jahren nämlich - Mitte April 2015 - stand der Dax an genau derselben Stelle wie jetzt auch: in etwa bei 12 000 Punkten. Dass diese vier Jahre für den Dax und seine Anleger verlorene Jahre sind, deutet auf eine grundlegende Krise in der deutschen Wirtschaft. Manche Autobauer haben den Wandel zur E-Mobilität verschlafen, die Deutsche Bank sorgt immer wieder mit Skandalen für Schlagzeilen. Und das Börsengewicht des Chemieriesen Bayer ist inzwischen geringer als die Summe, die der Konzern für den Kauf des umstrittenen US-Konzern Monsanto gezahlt hat. Andreas Görler vom Vermögensverwalter Pruschke und Kalm spricht deswegen ein vernichtendes Urteil für den Leib- und Magenindex vieler Deutscher: "Der Dax ist ehrlich gesagt kein Brüller."

Lange Mängelliste beim Dax

Das lässt sich auch in Zahlen messen: Während sich der deutsche Dax seit 2009 nur verdreifacht hat, konnte sich der amerikanische S&P500 vervierfachen. Sprechen Aktienexperten über den Dax, haben sie gleich eine ganze Mängelliste: Der Index ist viel zu abhängig von den Branchen Industrie, Auto und Chemie. Außerdem fehlten ihm Hoffnungsträger aus der Tech-Branche, die in den USA für satte Kursgewinne sorgen. "Und wenn der Welthandel wankt, wird es schwierig für den Dax", sagt Aktienkenner Roestel. Denn viele deutsche Unternehmen hängen am Export.

Mehr Anerkennung bekommt Bundesbank-Chef Weidmann für seinen zweiten Indexfonds, den Welt-Aktienindex mit dem kryptischen Kürzel MSCI ACWI. Mit ihm investiert der Notenbanker indirekt in Tausende Unternehmen. Der Clou dabei: Diese Unternehmen kommen aus Industrie- und Schwellenländern gleichzeitig. Das unterscheidet ihn auch vom bekannteren Schwesterindex MSCI World, der nur auf Industrieländer setzt - auch wenn er ebenfalls die "Welt" im Namen trägt.

Angst, mit dem Ganze-Welt-Index wegen der Schwellenländer einen zu riskanten Fang gemacht zu haben, müssen Anleger nicht haben. Die Aktien aus Schwellenländern machen nur elf Prozent des gesamten Indexgewichts aus. Und auch die großen Unternehmens-Giganten aus den USA wie Apple, Microsoft oder Amazon erdrücken den Index nicht. Sie machen jeweils kaum zwei Prozent des gesamten Index aus.

Weidmann hat hier guten Geschmack bewiesen, zu diesem Ganze-Welt-Index raten Anlageexperten selbst Privatanlegern. Auch mit einem anderen Geld-Tipp kann der Bundesbankchef punkten. "Geld ist schon wichtig, aber es gibt eben auch Bedeutenderes im Leben", sagte Weidmann einmal. Das unterschreiben selbst Vermögensberater ohne Zögern.

© SZ vom 17.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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