Bundesanleihen:Kommt der Zins zurück?

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Anleger spekulieren auf den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik. Zeichen dafür könnte die Rendite der Bundesanleihen sein.

Von Harald Freiberger und Benedikt Müller, München

Es ist ein kleines Signal, aber ein wichtiges: Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg am Montag in den positiven Bereich. Am Dienstag lag sie bei 0,05 Prozent. Ihren Tiefstand hatte sie im Juli bei minus 0,18 Prozent erreicht. Über Jahre war es vorher fast nur nach unten gegangen. Die Negativrendite zeigte, wie sehr die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Niedrigzinspolitik die Welt des Geldes auf den Kopf stellte: Der Bund kassierte sogar Geld fürs Schuldenmachen.

Woher kommt nun die Wende zum Positiven? "Der Hauptgrund dafür liegt in der letzten Sitzung der EZB im September, als sie sich nicht dazu äußerte, ob sie das Programm zum Kauf von Anleihen verlängert", sagt Elmar Völker, Anleihen-Experte der Landesbank Baden-Württemberg. Dadurch sei auf dem Finanzmarkt erstmals die Ahnung aufgekommen, dass die Politik des lockeren Geldes nicht ewig währen wird. "Eine Reihe von Investoren nahmen diese Aussicht vorweg und verkauften Anleihen", sagt Völker. Dadurch stieg schon im September die Bundesanleihen-Rendite, nun setzt sich der Prozess fort.

Die Situation erinnert an den Mai 2013, als die US-Notenbank Fed erstmals davon sprach, sie könnte die Käufe von Anleihen zurückfahren, genannt Tapering. Dies löste besonders in den Schwellenländern schwere Turbulenzen aus. Die Situation in Europa ist diesmal bei Weitem nicht so dramatisch, aber im Grunde geht es um dieselbe Frage: Wann leitet die Notenbank die Wende in ihrer Geldpolitik ein?

Besonders stark treibt die Frage derzeit Immobilien-Investoren um. Aufgrund der niedrigen Zinsen haben viele Anleger in Wohnungen und Büros investiert. Mieteinnahmen und Wertsteigerungen versprachen mehr Rendite als Staatsanleihen. Daher sind die Preise stark gestiegen, der Börsenwert von Immobilienfirmen ebenfalls. Doch seitdem über eine Zinswende spekuliert wird, sinken die Kurse deutlich. Aktien des Bürovermieters Alstria Office haben binnen einer Woche fünf Prozent verloren. Die Papiere der Wohnungskonzerne Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG notieren 13 Prozent tiefer als noch vor zwei Monaten. "Der Kapitalmarkt hält weitere Aufschwung-Fantasien für begrenzt, obwohl der Immobilienmarkt fundamental gesund ist", sagt Thomas Beyerle, Research-Chef des Immobiliendienstleisters Catella. Ein Grund der Verunsicherung: Der Boom hält nun schon sieben Jahre - ungewöhnlich lange für einen zyklischen Markt.

Besonders deutlich spürt der Immobilienkonzern IVG den Stimmungsumschwung. Die Firma, die unter anderem das Bürohaus The Squaire am Frankfurter Flughafen vermietet, hat knapp 100 Büroimmobilien in ganz Deutschland in ihre Tochtergesellschaft Officefirst ausgelagert. An diesem Freitag sollte sie an die Börse gehen. Mit bis zu 880 Millionen Euro hätte es der zweitgrößte Börsengang des Jahres werden sollen. Doch nun macht Officefirst einen Rückzieher. Für den Preis von 21 bis 23 Euro haben sich nicht genug Käufer gefunden. Das Marktumfeld für Immobilienaktien habe sich "stark eingetrübt", erklärt Officefirst. Das Unternehmen will den Markt aber weiter beobachten. Mit dem aktuellen Börsenprospekt hat Officefirst noch bis Mitte November Zeit für seine geplante Erstnotiz.

Vielleicht sind die Zinsängste bis dahin verflogen. Denn noch ist eine wirkliche Zinswende in Europa lange nicht in Sicht. "In den USA dauerte es zweieinhalb Jahre von der Tapering-Diskussion bis zur ersten Zinserhöhung", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Dabei sei die Situation jenseits des Atlantiks viel einfacher als in Europa, dessen Staaten immer noch unter der Schuldenkrise leiden. Vor dem Jahr 2019 rechnet kaum jemand mit einer Zinserhöhung durch die EZB.

Auch Anleihenexperte Völker warnt davor, die positive Rendite bei der zehnjährigen Bundesanleihe überzubewerten. "Es ist auf den Finanzmärkten noch lange nicht Konsens, dass die EZB die Anleihenkäufe zurückfährt", sagt er. Die Tatsache, dass sie sich im September nicht dazu äußerte, könne viel bedeuten, auch dass sie das Kaufprogramm später doch noch verlängert. Allerdings habe die Tatsache die Investoren überrascht: Sie wurden erstmals seit Jahren darauf gestoßen, dass es bei der Geldpolitik irgendwann auch wieder in die andere Richtung gehen kann und "die EZB nicht nur immer mehr und noch exotischere Maßnahmen verkündet", sagt Völker. Die Zinswende ist noch lange nicht in Sicht. Neu aber ist die Aussicht, dass sie irgendwann doch kommen dürfte.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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