Arbeitsmarktpolitik:Das Bürgergeld ist richtig - trotz aller Kritik

Arbeitsmarktpolitik: Die Prüfer vom Bundesrechnungshof in Bonn halten nicht viel von manchen Regeln zum geplanten Bürgergeld.

Die Prüfer vom Bundesrechnungshof in Bonn halten nicht viel von manchen Regeln zum geplanten Bürgergeld.

(Foto: Christoph Hardt/imago images/Future Image)

Der Bundesrechnungshof lenkt den Blick auf kritische Punkte des Bürgergelds, zu Recht. Allerdings sollte man nicht aus dem Blick verlieren, wie viel es durch die Reform zu gewinnen gibt.

Kommentar von Roland Preuß

Die größte Arbeitsmarktreform seit fast 20 Jahren kommt gerade schwer unter Beschuss. Der Landkreistag moniert, das geplante Bürgergeld ziehe noch mehr Geflüchtete an, CDU-Chef Friedrich Merz bemängelt, dass Zuwanderer dann keine einfache Arbeit mehr annehmen wollten, und nun kritisiert auch noch der Bundesrechnungshof, die Gesetzespläne der Ampel seien an mehreren Stellen unausgegoren und zu teuer. Eine Reform, die bisher breite Unterstützung erfahren hat bei Fachleuten, Gewerkschaften und Jobcentern, droht gerade zerredet zu werden. Zu Unrecht. Denn die Ziele und Ansätze des Bürgergelds sind richtig.

Dennoch nimmt der Bericht des Rechnungshofs die kritischen Punkte des Vorhabens in den Blick.

Die bisherige Grundsicherung ist das letzte große Netz des Sozialstaats, es fängt auf, nachdem Hilfen wie die Arbeitslosenversicherung nicht mehr tragen. Dieses Netz ist aber so gestrickt, dass es nur diejenigen vor dem Absturz bewahrt, denen eine solcher Absturz tatsächlich droht und die ihn nicht aus eigenen Mitteln abwenden können. So muss es auch beim Bürgergeld sein.

Man darf bezweifeln, dass dieser Grundsatz bei den geplanten Schongrenzen für Vermögen beim Bürgergeld nun eingelöst wird. Ist es wirklich fair, dass ein Paar 90 000 Euro auf dem Konto liegen hat und künftig trotzdem zwei Jahre ohne Abstriche Bürgergeld beziehen darf? Verlangt hier nicht die Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern, die die Leistung finanzieren, wenigstens die Schonfrist für derart hohe Vermögen zu verkürzen? Die geplante Regel dürfte nicht dazu beitragen, dass sich Steuerzahler, insbesondere die mit geringen Einkommen, fair behandelt fühlen.

Die Anliegen der drei Ampel-Partner verbinden sich hier zu einer schädlichen Mischung. SPD und Grüne wollen einen deutlichen Schnitt gegen die bisherigen Regelungen, damit sie das Bürgergeld als tatsächlichen Abschied von Hartz IV feiern können. Die Arbeitsmarktreform hat trotz ihrer Erfolge nie die Herzen grüner und sozialdemokratischer Anhänger gewärmt, sondern insbesondere der SPD viel Ärger bereitet.

Die FDP wiederum will eher Angehörige aus dem Mittelstand schonen, die ja auch mal einen wirtschaftlichen Absturz erleiden. Sie dürften nicht dafür bestraft werden, ein Vermögen fürs Alter angespart zu haben, indem sie dieses im Falle der Arbeitslosigkeit aufbrauchen müssten, argumentieren die Liberalen. Dies ist insofern richtig, als dass diese Menschen, nachdem sie ihre private Vorsorge aufgezehrt haben, im Alter mittellos dastünden und ohnehin auf den Staat angewiesen wären. Dann aber sollte man auch nur das Vermögen schonen, das tatsächlich für die Altersvorsorge angelegt wurde, wie etwa eine private Rentenversicherung - und nicht den teuren Sportwagen oder die Ferienwohnung am Bodensee.

Vertrauen entsteht durch Zusammenarbeit

Zu Recht nimmt der Rechnungshof auch die sogenannte Vertrauenszeit in den Blick. Die ersten sechs Monate sollen Bürgergeldbezieher vom Jobcenter-Betreuer schonend behandelt werden; nur bei mehrmals versäumten Terminen werden demnach zehn Prozent der Leistung gekürzt. Das ist viel zu wenig, um Menschen, die sich verweigern, zur Mitarbeit zu bewegen. Vor allem die Grünen wollen, dass die Menschen nicht gleich die harte Hand des Sozialstaates zu spüren bekommen, dass Vertrauen wachsen kann zwischen Betreuer und Arbeitssuchenden. Vertrauen aber entsteht durch Zusammenarbeit - auch des Bürgergeldbeziehenden. Man kann Vertrauen nicht verordnen.

All diese kritischen Punkte sollten allerdings nicht den absehbaren Gewinn durch das Bürgergeld in den Schatten stellen. Es ist richtig, dass sich Arbeitslose künftig zunächst um eine neue Stelle oder Weiterbildung kümmern können, statt eine kleinere Wohnung oder den Verkauf ihres Hauses organisieren zu müssen. Es wird helfen, dass Arbeitslose bessere Chancen auf eine Ausbildung bekommen, statt vom Jobcenter in den nächstbesten Niedriglohnjob geschoben zu werden. Es wird Menschen zum Arbeiten bewegen, dass sie künftig mehr von ihrem Lohn werden behalten dürfen, statt 80 Prozent davon abgeben zu müssen. Dies sind Punkte, die das Bürgergeld trotz aller Mängel noch immer zu einem Vorhaben machen, das sich lohnt.

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