Facharbeiter sollen entlastet werden:Schäubles Steuerköder

Finanzminister Schäuble will bei der vorgesehenen Steuersenkung auf Bedenken der SPD eingehen. Die Pläne von Union und FDP sollen so ausgestaltet werden, dass ein gutverdienender Facharbeiter stärker entlastet wird als ein Top-Verdiener. Ein Trick könnte das ermöglichen.

Guido Bohsem

Für die Einkommensteuer gilt eine einfache Regel: Je mehr einer verdient, desto mehr Steuern muss er zahlen. Mit dem Einkommen steigt der Steuersatz und natürlich auch die fällige Summe. So kommt es, dass etwa vier Prozent der Best-Verdiener im Land 39 Prozent der gesamten Einkommensteuer aufbringen. Daraus folgt aber auch: Sinken die Steuern, erlässt der Staat diesen Menschen mehr Geld als einer Friseurin. Deshalb geraten viele Steuersenkungen in den Ruch, nicht besonders gerecht zu sein.

European Banking Congress - Wolfgang Schäuble

Muss kreativ sein: Wolfgang Schäuble.

(Foto: dpa)

Das gilt auch für die Steuerpläne der schwarz-gelben Koalition. Obwohl sie "kleine und mittlere Einkommen" entlasten wollte, sah es lange so aus, als ob ausgerechnet Spitzenverdiener am stärksten profitieren würden. Das spielte vor allem der SPD in die Hände, die das Vorhaben im Bundesrat mit Blick auf die soziale Schieflage zu Fall bringen möchte.

Um die Sozialdemokraten in den Ländern für die Steuersenkung von sechs Milliarden Euro zu gewinnen, haben die Beamten von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nun einen Trick ersonnen. Im Ergebnis werden nun die absoluten Spitzenverdiener weniger stark entlastet als ein gut bezahlter Facharbeiter bei Siemens mit einem zu versteuernden Einkommen von 60.000 Euro im Jahr. Versteckt ist dieser Sozialköder für die Sozialdemokratie im Referentenentwurf des Gesetzes. Das Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Zur Erinnerung: Ziel des Gesetzes ist es, die "kalte Progression" zu mildern. Die schlägt immer dann zu, wenn eine Lohnerhöhung gerade mal den Preisanstieg ausgleicht. Obwohl ein Arbeitnehmer sich von seinem neuen Einkommen nicht mehr kaufen kann, rutscht er auf der Steuerkurve nach oben und zahlt mehr Steuern als vorher. Um diesen Effekt auszugleichen, will die Koalition den sogenannten Grundfreibetrag von derzeit 8004 Euro in zwei Schritten 2013 und 2014 anheben. Wer dann ein Einkommen von 8354 Euro im Jahr oder weniger hat, muss keine Steuern zahlen.

Auch soll der Tarifverlauf der Einkommensteuer verschoben werden. Ein Beispiel: Die Spitzensteuer von 42 Prozent greift dadurch künftig erst ab 55.209 Euro statt wie bisher bei 52.882 Euro. Wer also ein Facharbeiter-Einkommen von 60.000 Euro zu versteuern hat, zahlt 2014 insgesamt 380 Euro weniger an den Fiskus als noch in diesem Jahr.

Die Verschiebung des Tarifs soll für alle Einkommen gelten - mit einer Ausnahme, und die betrifft die Reichensteuer von 45 Prozent. Die muss derzeit jeder Alleinstehende zahlen, der mehr als 250.731 Euro verdient. Würden diese Top-Verdiener nun behandelt wie alle anderen, müsste die Reichensteuer künftig erst bei 261.763 Euro einsetzen. Das aber wollen Schäubles Beamte mit Blick auf die angedrohte Blockade der SPD im Bundesrat auf keinen Fall, denn so würde diese Gruppe deutlich stärker entlastet als etwa ein Facharbeiter.

Das Ministerium plant deshalb das genaue Gegenteil. Es will den Wert nämlich senken, bei dem die Reichensteuer einsetzt. Laut Entwurf sollen die 45 Prozent bereits 2013 wieder von 250.000 Euro an erhoben werden - auf den Wert also, der auch 2007 galt, als die Reichensteuer von der großen Koalition auf Druck eben der Sozialdemokraten eingeführt wurde. Und so sinken die Steuern für die Spitzenverdiener nach Berechnungen des Steuerexperten Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin nur um 357 Euro im Jahr. Das sind 23 Euro weniger als beim Steuernachlass für den Facharbeiter.

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